Jetzt ist es schon 10 Monate her, seit ich als Studienrätin an einem NRW-Gymnasium gearbeitet habe. Ich bereue meinen Ausstieg keineswegs, aber es gibt tatsächlich Dinge, die ich seitdem vermisse. Hier ist eine kleine Liste:
Die Solidarität im Kollegium – eine Umarmung, ein offenes Ohr
Ich vermisse die Solidarität und die netten Gespräche im Kollegium. Dort konnte man sich über Freud und Leid austauschen und fand immer ein offenes Ohr und eine Umarmung.
Die schrägen, liebenswerten Typen im Lehrerzimmer
Das Lehrerzimmer war immer voller schräger und liebenswerter Persönlichkeiten. Einige Lehrer wirkten auf den ersten Blick eigenartig, doch bei näherem Kontakt entpuppten sie sich als genial. Im Lehrerzimmer gab es weise, lustige, herzliche, gutmütige, kreative und inspirierende Menschen. Sie waren Experten in geistes- und naturwissenschaftlichen Disziplinen, die mir manchmal vertraut waren und manchmal ganz fremd. Hier konnte man von den Besten lernen, auch wenn sie oft unterschätzt wurden.
Der Reichtum an Wissen und die Vielfalt in der Schule
In der Schule wurde man permanent von einem Reichtum an Wissen umgeben. Dabei ging es nicht nur um das Wissen der Schüler, sondern auch um die unterschiedlichen Fachrichtungen der Kollegen, eigene und fremde Unterrichtsinhalte sowie Ausstellungsstücke und Poster auf den Fluren, die von Schülern erstellt wurden. Man bekam einfach Lust auf die Welt da draußen, aufs Dazulernen und persönliches Wachstum. Die Schule war ein Ort des Schutzes, an dem einem all dies geboten wurde. Schade, dass viele Schüler das nicht so empfanden. Als Erwachsener betrachtet man die Schule einfach mit anderen Augen.
Kuchen und Muffins zu jeder Gelegenheit!
Eine Sache, die ich definitiv vermisse, ist das gemeinsame Schlemmen von Kuchen und Muffins. Es gab immer einen Grund zum Feiern und somit immer etwas Leckeres zu futtern. Egal ob zum Geburtstag eines Schülers, zum Jubiläum eines Kollegen, zum alljährlichen Crêpes-Backen der Französisch-AG oder als Spende für ein Patenkind aus Nigeria – es gab immer etwas zum Naschen. Als Klassenlehrerin bekam ich manchmal sogar ein Stückchen zurückgelegt und liebevoll auf dem Pult drapiert.
Kinder und Jugendliche inspirieren
Eine ganz besondere Aufgabe als Lehrer war es, Kinder und Jugendliche zu inspirieren, sie zum Staunen zu bringen und ihnen beim Wachstum und der Persönlichkeitsentwicklung zu helfen. Es war unglaublich anstrengend, aber auch sehr sinnstiftend. Leider trat dieser zentrale Aspekt des Lehrberufs oft in den Hintergrund aufgrund von Berge an Korrekturen, Papierkrieg und Machtkämpfen mit Vorgesetzten oder Eltern.
Dankbare Eltern und Schüler
Es gab ein bis zwei Mütter, die sich nach einer Klassenfahrt bei mir bedankten und mir sogar ein Blumensträußchen oder Schokolade überreichten. Sie waren dankbar, dass ihre Kinder die Fahrt genossen hatten und sie eine Woche Ruhe hatten, auch wenn ich am Ende mit tiefblauen Augenringen dastand. Im Idealfall schickten sie sogar ihre Kinder zu mir, damit diese sich selbst bedanken konnten. Leider taten dies unter 10% der Eltern und Schüler.
Der Fokus auf soziale Verantwortung
Ein weiterer Aspekt, den ich vermisse, ist der Fokus auf soziale Verantwortung. Gute Lehrer wussten, wie man Herzensbildung und Wertevermittlung in den Unterricht integriert. Ob es um Umweltschutz, Projekte für Obdachlose, die Adoption eines Patenkindes in einem Entwicklungsland oder die Willkommensklasse für Flüchtlingskinder ging – die Schule bot Raum für soziale Verantwortung. Leider war das nicht immer der Fall.
Gemeinsame Erlebnisse bei Schulveranstaltungen
Schulveranstaltungen wie Theatervorstellungen, Schulkonzerte, Tag der offenen Tür oder Projektwochen boten die Möglichkeit, mit Schülern und Kollegen zusammenzuarbeiten und sich gemeinsam für eine größere Sache einzusetzen. Hier zeigten Schüler ungeahnten Aktionismus, wenn Arbeitsbereiche und Verantwortlichkeiten verteilt wurden. Es war ein besonderes Gefühl, wenn man beweisen konnte, was man drauf hatte. Leider kam dieses Gefühl im Unterricht nicht so häufig auf. Auch hier war es wichtig, dass die Schulleitung Raum und Wertschätzung für diese Erlebnisse und Leistungen schuf.
Immer auf dem Laufenden sein
Als Lehrer war es wichtig, über fachliche und tagespolitische Themen gut informiert zu sein, um sie den Schülern zu vermitteln. Sei es PEGIDA, die Flüchtlingskrise, der Brexit, moralische Diskussionen oder aktuelle kulturelle Veranstaltungen – als Lehrer blieb man stets mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen. Man versuchte zu hinterfragen, zu ergründen und den Lernwert für die Schüler zu überprüfen. Noch nie zuvor war ich so gut informiert und auf dem Laufenden.
Menschen von ganz anderen Seiten kennenlernen
In der Schule lernte man Menschen von ganz anderen Seiten kennen. Der Klassenclown konnte Deutschlands neue Handball-Hoffnung sein, die 5er-Kandidatin in Englisch sorgte mit ihrem Cello beim Schulkonzert für feuchte Augen. Der Legastheniker engagierte sich passioniert als Schulsanitäter und der Lehrerschreck legte auf der Klassenfahrt einen filmreifen Breakdance hin. Es war immer wieder beeindruckend zu sehen, dass man Menschen nicht nur in Kategorien wie “Erdkunde/Deutsch/Physik/Note 1-6” erfassen konnte. Leider kam dieser Blickwinkel in der Schule oft zu kurz, was mich als Lehrer stets frustriert hat.
Rückblickend gibt es viele schöne Aspekte der Schule, doch auch die größte Schulromantik kann nicht über die Kehrseite hinwegtäuschen, die mich zum Ausstieg bewogen hat. Vielleicht werde ich in meinem nächsten Blog-Artikel “10 Dinge, die ich definitiv NICHT an der Schule vermisse” darüber schreiben, um die Balance zu wahren. 😉