Die Robotikanwendung von ABB hat in der Welt der Roboteranwendungen ein neues Kapitel aufgeschlagen. Mit ABB’s neuem Flex Finishing System, das RobotWare Machining FC (Kraftsteuerung) verwendet, wurde eine der letzten echten Barrieren zur Verbesserung der Produktivität in diesem Sektor überwunden.
Die schnelle Roboterbewegung bei gleichzeitigem Erhalt der Stabilität des Werkstücks war schon immer eine Herausforderung für Robotikanwendungstechniker. ABB hat bereits vor einigen Jahren Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet, indem es Roboter entwickelte, die empfindliche Montageaufgaben in der Automobilindustrie durchführen konnten.
Dieser Fortschritt wurde durch den Einsatz von Sensoren zur Messung der Kontaktkraft und Rückkopplungsschleifen zur Steuerung der Kraft und ihrer Kopplung an die Bewegung des Roboterarms ermöglicht. Mit diesen kraftgesteuerten Robotern, die auf der Grundlage des S4Cplus Robotercontrollers arbeiten, konnte die Montagezeit für Antriebsstränge um bis zu 75 Prozent reduziert werden.
In jüngster Zeit wurde ein weiterer Schritt in der Verwendung von kraftgesteuerten Robotern in einer komplexeren Klasse von Anwendungen gemacht: dem Schleifen, Entgraten und Polieren von beispielsweise in einer Gießerei hergestellten Bauteilen. Im Gegensatz zur Baugruppenmontage ist die Steuerung der Prozesskräfte in diesen Anwendungen viel anspruchsvoller und bisher nicht möglich gewesen. Die höhere Komplexität ergibt sich aus mehreren Gründen: Die Werkzeuge verschleißen, die Teile haben unterschiedliche Abmessungen und die Vorrichtungen sind nicht zu 100 Prozent genau und wiederholbar, was zu großen Positionsabweichungen und inkonsistenten Ergebnissen führen kann.
Traditionell war der Finish-Prozess sehr arbeitsintensiv und die Qualität des Endprodukts war inkonsistent, da Gussteile per Hand geschliffen, entgratet und poliert wurden. Die bisher für diese Aufgabe verwendeten Roboter waren positionsgesteuert mit nachgiebigen Werkzeugen und Vorrichtungen, die sich entlang definierter Trajektorien und Geschwindigkeiten bewegten, manchmal unterstützt durch einen zusätzlichen Servoantrieb zur Anpassung an die unterschiedlichen Abmessungen. In diesem Betriebsmodus versucht der Roboter immer noch, die Bahn durch das Teil zu schneiden, wenn er sie nicht erreichen kann, weil das Teil nicht richtig platziert ist. Dadurch stoppt der Roboter, das Werkzeug bricht oder das Werkstück wird beschädigt. Um solche Schäden zu begrenzen, laufen herkömmliche Gussreinigungsroboter normalerweise in einem langsameren Tempo mit begrenzter Produktivität. Aufgrund der Notwendigkeit der Positionskontrolle müssen diese Roboter hochgenau programmiert werden, ein sehr zeitaufwändiger Aufwand für einen Ingenieur. All diese Nachteile – hoher Programmieraufwand, zusätzliche Werkzeuge, zusätzliche Servomotoren und das erhebliche Risiko von Beschädigungen – haben die Verbreitung von Roboteranwendungen in dieser Industrie verlangsamt.
Fünf Schritte zu einer großen Innovation
Die neue, einzigartige Roboteranwendung, die ABB im Jahr 2007 eingeführt hat, kombiniert fünf innovative Elemente:
- Verwendung des neuesten ABB Robotercontrollers, IRC5, mit seiner hochgeschwindigen Schnittstelle für Sensoren.
- Eine Programmierumgebung, die es dem Roboter ermöglicht, den optimalen Weg selbst zu finden.
- Eine Rückkopplungsschleife zur Steuerung des Werkzeugdrucks.
- Eine Rückkopplungsschleife zur Anpassung der Werkzeuggeschwindigkeit.
- Ein benutzerfreundliches, vorgefertigtes Produktangebot.
IRC5 basiert auf dem fortschrittlichsten Betriebssystem der Branche zur Steuerung von Robotern und Peripheriegeräten. Mit der RAPID-Sprache und ABB’s Motion-Technologie und Kommunikation ist RobotWare OS das leistungsstärkste Controller-Betriebssystem, das heute verfügbar ist. IRC5 verfügt über zwei Ethernet-Kanäle – einen für LAN und einen für die lokale Verbindung – sowie zwei serielle Kanäle für die Punkt-zu-Punkt-Kommunikation mit Sensoren. Die von IRC5 bereitgestellte Bandbreite ist entscheidend für die Gesamtperformance und Reaktionszeit des Roboters bei der Korrektur und Anpassung seiner Position. Um die richtige Abtastrate zur Anpassung der dynamischen Roboterpositionierung zu realisieren, muss der Sensor für den Erfolg der innovativen Anwendung eng mit der Controller-Elektronik integriert sein.
IRC5, ausgestattet mit ABB’s Motion Technology MultiMove, ist weltweit führend und ermöglicht die Steuerung von bis zu vier Robotern (36 Achsen) gleichzeitig. Gemeinsame Werkobjekte können zwischen Robotern geteilt werden, was komplexe koordinierte Bewegungsmuster ermöglicht. MultiMove ermöglicht auch einen dynamischen Wechsel zwischen unabhängiger und koordinierter Bewegung. Diese einzigartige Leistungsfähigkeit ermöglicht die Bewältigung komplexer Aufgaben wie Schleifen, Entgraten und Polieren. Die Programmierumgebung, die den Anwender dieser innovativen Anwendung unterstützt, bietet diese neue Dimension der Programmierung erstmals überhaupt.
Der Rückkopplungsmechanismus FC Pressure ermöglicht es Robotern, Gussstücke zu schleifen, zu polieren oder zu entgraten und dabei einen konstanten Druck zwischen Werkzeug und Werkstückoberfläche aufrechtzuerhalten. Die FC Pressure-Software ist für Prozesse konzipiert, die eine hochwertige Oberflächenbearbeitung erfordern. Sie ermöglicht es dem Roboter, seine Umgebung effektiv zu “spüren” und der Gussform zu folgen, indem er seine Position ändert, um einen konstanten Druck auf die Oberfläche auszuüben, selbst wenn die genaue Position der Oberfläche unbekannt ist. Durch den konstanten Kontakt werden Verschmutzungen wie Grate auf dieselbe Tiefe entfernt.
Das Ergebnis ist eine verbesserte Oberflächenqualität, die Möglichkeit, Variationen in Gussstücken zu bewältigen, ein minimales Risiko einer Beschädigung der Gussoberfläche und vorhersehbarer Werkzeugverschleiß. Da der Druck durch die Bewegung des Roboterpfads erzeugt wird, eignet sich diese Funktion besonders für das Polieren, Schleifen und Reinigen, bei denen eine Oberfläche gleichmäßig und glatt sein muss.
Die zweite Softwarefunktion, FC SpeedChange, ermöglicht es einem Roboter, Gussoberflächen gleichmäßig zu entgraten oder zu entflaschen und dabei eine konstante Geschwindigkeit beizubehalten, indem er sich verlangsamt, wenn er auf übermäßigen Grat trifft. Bei Prozessen, bei denen die Bahnpräzision wichtig ist und das Endergebnis bestimmte Abmessungen erfüllen muss, ist FC SpeedChange die richtige Wahl. Mit FC SpeedChange wird der Roboter positionsgeführt und folgt einer programmierten Bahn, die eine konstante Materialabtragsrate aufrechterhält. Er arbeitet mit maximaler Prozessgeschwindigkeit und bremst automatisch ab, wenn die Bearbeitungskräfte zu hoch sind, um Änderungen der Abmessungen aufgrund von Verformungen des Roboterarms und zur Vermeidung von Schäden am Bauteil oder Werkzeug aufgrund von Spannungen und Wärme zu minimieren. Wie beim FC Pressure führt dies zu kürzeren Zykluszeiten, der Möglichkeit, Variationen in Gussstücken zu bewältigen, einem geringen Risiko einer Beschädigung der Gussstücke und vorhersehbarem Werkzeugverschleiß.
Das endgültige Produkt umfasst eine fortschrittliche Signalverarbeitung, mathematische Logiklösungen und eine grafische Benutzeroberfläche für eine schnelle, einfache und präzise Programmierung, bei der der Sensor verwendet wird, um den Roboter intuitiv per Hand zu führen. Das “Plug-and-Operate” Produktangebot enthält alle benötigten Teile, wobei der Sensor, die Elektronik und die Verkabelung auf dem Roboter montiert und getestet sind, so dass nur noch die Prozessanpassung durch den Integrator oder Kunden erfolgen muss.
Gemeinsames Handeln für den Erfolg
Wie bei den meisten großen Innovationen war auch die Entwicklung dieses Systems eine gemeinsame Anstrengung. Die Arbeit vieler Universitäts- und ABB-Forscher, ABB-Ingenieure und Kunden musste zusammenkommen, um diese komplexe, multidisziplinäre Aufgabe zu bewältigen.
ABB und die Technische Universität Lund haben zusammen die Grundlagensensorik und Steuerungsfunktionen definiert und implementiert. Aus dieser Perspektive war es notwendig, ein besseres Verständnis für die Anwendung zu gewinnen und die optimale Benutzeroberfläche zu finden. Der klare Weg zum Erfolg bestand darin, die globalen Ressourcen von ABB einzubeziehen – das Force-Control-Konzept und die Implementierung aus Schweden und den USA, das Anwendungswissen aus Österreich und die grafische Benutzeroberfläche aus China sowie echte Testfälle von industriellen Partnern. John Kuhn von der Rimrock Corporation, der die Tests in Echtzeit durchgeführt hat, sagte: “Das Force-Control-Produkt hat das Potential, unser Geschäft mehr zu beeinflussen als jedes bisherige ABB-Produkt”. Die Rimrock Corporation ist ein führender Lieferant von Automatisierungsprodukten und Integrationsdienstleistungen in Nordamerika und ein langjähriger, geschätzter Partner von ABB.
Ein starker Marktanreiz
Als RobotWare Machining FC zum ersten Mal auf der GIFA, der weltweit größten Gießereimesse in Düsseldorf, der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war die Resonanz der Kunden überwältigend. Die Kunden erkannten klar die verbesserte Produktqualität und signifikante Kosteneinsparungen bei der Ingenieurzeit, die jetzt bis zu 80 Prozent betragen können. Darüber hinaus wird die Zykluszeit des Roboters im Betrieb durch die verbesserte Steuerung um etwa 20 Prozent reduziert und die Lebensdauer der Schleifwerkzeuge kann um 20 Prozent verlängert werden.
Nach dem erfolgreichen Einsatz der Kraftsteuerungstechnologie für Montage- und Bearbeitungsanwendungen hat ABB auch in neuen Bereichen einen Einfluss. Ein solcher Bereich ist die Luft- und Raumfahrtindustrie, in der präzises, zuverlässiges und effizientes Roboterbohren für eine flexible Produktion erforderlich ist. Mit RobotWare Machining FC werden jetzt auch Produkt-Finisharbeiten in Gießereien erheblich vereinfacht, so dass fertige Gussstücke besser, schneller und kostengünstiger hergestellt werden können.