Ägypten steht vor einer schwerwiegenden Wirtschaftskrise, die sich immer weiter zuspitzt. Die Importe können nicht mehr bezahlt werden und die Preise steigen rasant. Die ägyptische Regierung hofft auf Hilfe von den Golfstaaten, um die Situation zu bewältigen.
Die steigenden Preise und die prekäre Situation der Bevölkerung
Die Preise für Nahrungsmittel werden immer teurer, was dazu führt, dass die Situation für viele Ägypterinnen und Ägypter immer prekärer wird. Familien wie die von Hassan Ahmad, einem Lieferboten in Kairo, leben nach offiziellen Zahlen mit weniger als einem Euro am Tag unter der Armutsgrenze. Hassan erzählt von einem Video, das er auf Facebook gesehen hat, in dem ein Vater sich aus Verzweiflung den Balkon herunterstürzt, weil er seine Familie nicht mehr ernähren kann. Es gibt Streit wegen der Preise auf den Märkten und viele Familien haben nur noch eine Mahlzeit pro Tag.
Die Ursachen der Krise
Seit Mitte Januar hat die ägyptische Währung um weitere 13 Prozent gegenüber dem US-Dollar abgewertet, was zu starken Preissteigerungen führt. Die katastrophale wirtschaftliche Lage im Libanon und die leeren Supermarktregale in Tunesien haben in letzter Zeit für Schlagzeilen gesorgt. Nun steht mit Ägypten das bevölkerungsreichste arabische Land mit über 100 Millionen Einwohnern vor enormen Herausforderungen. Die ägyptische Währung hat seit März letzten Jahres die Hälfte ihres Wertes verloren und die Inflationsrate liegt bei über 20 Prozent.
Die Schuldenlast und die Probleme im Handel
Besonders dramatisch sind die Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Im letzten Jahr sind die Preise im Schnitt um mehr als ein Drittel gestiegen, während die Löhne für die Mehrheit der Ägypter weiterhin niedrig sind. Der Grund für die Entwertung des ägyptischen Pfundes ist der Mangel an Dollarreserven des Landes. Die Schulden und Zinsdienste belaufen sich im laufenden Finanzjahr auf 155 Milliarden Dollar. Die negative Handelsbilanz führt dazu, dass Waren im Wert von 6 bis 7,7 Milliarden Dollar in ägyptischen Häfen feststecken, da es im Bankensystem nicht genug Dollar gibt, um die Waren auszulösen. Die Entwertung des Pfundes hat jedoch dazu geführt, dass seitdem 925 Millionen Dollar auf den Markt geflossen sind.
Die Kritik an der Regierung und die Suche nach Hilfe
Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat die Schuld für die wirtschaftliche Misere immer wieder auf äußere Faktoren wie den Ukrainekrieg und die Coronapandemie geschoben. Die Kritik an seiner Regierung wird jedoch immer lauter, auch im Parlament, das als hörig gilt. Die Regierung versucht die Lage schönzureden, doch viele Ökonomen sehen die Krise als hausgemacht an. Teure Prestigeprojekte wie der Bau einer neuen Hauptstadt haben die Dollarreserven des Landes schwinden lassen. Selbst wenn Hilfe aus dem Ausland kommt, sind diese an härtere Bedingungen geknüpft. Der Internationale Währungsfonds fordert “kritische strukturelle Veränderungen” und verlangt erstmals, dass sich das Militär aus der Wirtschaft zurückzieht. Das Militär ist zu einem der größten Unternehmer im Land geworden und hat den Privatsektor zurückgedrängt, was al-Sisi vor eine schwierige Entscheidung stellt.
Die Hoffnung auf Hilfe aus den Golfstaaten
Die reichen Golfstaaten haben zumindest klargemacht, dass sie ihre Einlagen in der ägyptischen Zentralbank verlängern werden. Allerdings ist frisches Geld alles andere als garantiert. Die Golfstaaten bevorzugen es derzeit, profitable ägyptische Unternehmen aufzukaufen, anstatt ihr Geld in das schwarze Loch des ägyptischen Staates zu stecken. Es wird sogar öffentlich diskutiert, ob es klug ist, Ägypten mit mehr Geld zu versorgen. Die Regierung in Ägypten muss daher eine Gratwanderung zwischen dem Herunterspielen der Probleme im Inneren und der Betonung der Dramatik der Lage nach außen vollführen – in der Hoffnung, dass Ägypten als zu groß eingeschätzt wird, um wirtschaftlich abzustürzen.