Aladin El-Mafaalani, Foto: © Raimond Spekking Lizenz: CC BY-SA 4.0
In seinem Buch “Mythos Bildung” beschreibt der Dortmunder Bildungsforscher Aladin El-Mafaalani die Ungerechtigkeit des deutschen Bildungssystems. Anstatt Unterschiede aufzufangen, reproduziert es die Klassenverhältnisse.
Die veränderten Verhältnisse in der Unterschicht
Die Situation der Kinder, die heute in der Unterschicht aufwachsen, ist im Vergleich zu vor 20 oder 30 Jahren stark verändert. Solidarische Strukturen in der Unterklasse sind weggebrochen, was indirekt auch mit Hartz IV zusammenhängt. Das Bildungssystem ist jedoch nicht darauf vorbereitet, dass Kinder in so resignierten Milieus aufwachsen. Viele Menschen finden keinen respektablen Platz mehr in der Gesellschaft.
Nicht nur eine Frage des Geldes
Die wirtschaftliche Lebenssituation der Unterklasse ist nicht dramatisch schlechter geworden. Es geht vielmehr um die Respektabilität und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für sich und die Kinder. Hartz IV hat sich zu einem massiven Stigma entwickelt, genauso wie der Besuch einer Hauptschule. Für Kinder aus benachteiligten Milieus hat sich die Lage extrem verschlechtert.
Das Bildungssystem als Ursache der Ungleichheit
Die Schule, als Ort, der Ungleichheit ausgleichen könnte, legt traditionell die Grundlage für spätere Ungleichheit. Früher führte der Weg nach dem Gymnasium zur Universität, nach der Realschule ins Büro und nach der Hauptschule in die Industrie oder ins Handwerk. Doch diese Aufteilung rechtfertigt und verstärkt die Unterschiede. Die Bildungsexpansion hat sicherlich dazu beigetragen, dass alle klüger wurden, aber die Klassenunterschiede bestehen weiter.
Die feinen Unterschiede jenseits von Leistung
Bei Spitzenkarrieren spielen gute Kontakte und das Wissen um das richtige Verhalten eine größere Rolle als Noten und Engagement. Für diejenigen, die aus benachteiligten Milieus stammen und keinen höheren Abschluss erreichen, wird die Situation dramatisch. Die feinen Unterschiede haben nichts mit Leistung zu tun. Die Ungerechtigkeit im Bildungssystem hat sich verändert und das “kollektive Schicksal” wird nicht mehr wahrgenommen.
Die Situation in Stadtteilen wie der Dortmunder Nordstadt
In solchen Stadtteilen, in denen solidarische Strukturen weggebrochen sind, zeigt sich deutlich, was es bedeutet, wenn diejenigen, die aufsteigen konnten, den Stadtteil verlassen und diejenigen, die bleiben, zurückbleiben. Es ist wichtig, weiterhin in die Köpfe zu investieren, aber man darf solche Stadtteile nicht zu Sackgassen machen.
Chancen für Aufsteiger
Armut verdeckt Talent, und dieses Talent muss entdeckt und gefördert werden. Menschen, die unter schwierigen Verhältnissen aufwachsen, scheitern oft an den Mechanismen des Aufstiegs. Es geht nicht nur um Leistung, sondern auch um Netzwerke. Arbeiterkinder haben oft nicht die gleichen Chancen wie Kinder aus der Mittel- und Oberschicht.
Vier Ziele zur Verbesserung des Bildungssystems
Aladin El-Mafaalani hat in seinem Buch vier Ziele formuliert, um das Bildungssystem gerechter zu gestalten: Die Gesellschaft muss Ungerechtigkeit erkennen und beseitigen wollen. Benachteiligte Kinder und ihre Familien benötigen spezielle Angebote zur Förderung. Lehrkräfte sollten sich auf den Unterricht konzentrieren können und von bürokratischen Aufgaben entlastet werden. Zudem braucht es einen qualitativen Ausbau des Ganztagssystems, um die Ungleichheiten der Herkunft bestmöglich auszugleichen.