Der Wiener Psychotherapeut Alfred Adler legte bereits in den 1920er Jahren den Grundstein für die moderne Psychotherapie. Obwohl sein Name heute kaum noch bekannt ist, hat sich der Begriff “Minderwertigkeitskomplex” weltweit verbreitet.
Alfred Adler: Von der Vorstadt in die Stadtregierung
Alfred Adler wuchs in einer Vorstadt auf und hatte eine freie und wilde Kindheit. Im Gegensatz zu Sigmund Freud war er begeistert vom modernen Fortschritt und half gerne armen Menschen. Nach seinem Ausschluss aus der psychoanalytischen Vereinigung gründete Adler den Verein für Individualpsychologie und wurde einer der wichtigsten politischen Köpfe der ersten österreichischen Republik.
Selbstwert und Soziales
Alfred Adler fokussierte sich weniger auf den Sexualtrieb und die Kindheitsanalyse, sondern vielmehr auf den Selbstwert und das soziale Miteinander. Er glaubte, dass die Beschäftigung mit dem eigenen Leiden nicht nachhaltig glücklich macht. Stattdessen sollten Neurotiker von sich selbst abgelenkt und ermutigt werden, sich über ihre Mitmenschen Gedanken zu machen. Durch das Helfen und das gemeinsame Erreichen von Zielen könne man glücklicher werden.
Die PatientInnen verstehen
Für individualpsychologische TherapeutInnen ist es wichtig, schnell ein Gefühl für ihre PatientInnen zu entwickeln. Adler erschuf ein psychisches Koordinatensystem, um ihnen dabei zu helfen, ihre Leitlinien und ihren Lebensstil zu identifizieren. Die Leitlinie ist das Ideal, das der Mensch anstrebt, während der Lebensstil das Verhalten und die Haltung beim Meistern der großen Lebensaufgaben beeinflusst.
Eine bessere Gesellschaft bauen
Adler war davon überzeugt, dass man eine bessere Gesellschaft aufbauen könne, indem man bei Kindern ansetzt. Daher organisierte er die Jugendwohlfahrt in Wien und eröffnete Elternberatungsstellen, um alleinerziehende Kriegswitwen zu unterstützen. Er war der Meinung, dass Kinder soziales Interesse erlernen sollten und dass ein hierarchisches Schulsystem nicht sinnvoll sei. Stattdessen sollten die Kinder kooperativ erzogen werden.
Minderwertigkeitskomplex und Kompensation
Der Begriff Minderwertigkeitskomplex und Kompensation ist bei Adler von großer Bedeutung. Menschen versuchen oft, Situationen zu vermeiden, in denen sie sich minderwertig fühlen. Um dieses Gefühl zu vermeiden, überspielen sie es und verhalten sich stereotyp oder extrem. Adler war der Ansicht, dass man das Minderwertigkeitsgefühl zulassen und sich mit allen Schwächen akzeptieren oder sich bemühen sollte, besser zu werden.
Alfred Adlers Vermächtnis
Alfred Adler lieferte wichtige Erkenntnisse in der Psychosomatik und Ansätze zur Sozialarbeit. Viele seiner Schüler setzten seine Prinzipien um und trugen zu seiner Lehre bei. Obwohl sein Name heute nicht mehr so bekannt ist, haben seine Theorien großen Einfluss auf viele psychotherapeutische Schulen.
Adler hat einmal gesagt: “Mir ist nicht wichtig, dass mein Name überlebt, sondern meine Gedanken.” Sein Name mag verblassen sein, aber seine Lehre lebt in den meisten therapeutischen Schulen weiter.