Der Vatikan fordert eine feierlichere Gestaltung der Lesungen. Doch in der Schweiz gibt es oft nur zwei statt drei Lesungen. Außerdem sollte der Umgang mit dem Ambo besser reflektiert werden, findet Liturgie-Professor Martin Klöckener.
Heute ist Sonntag. Doch was können Lektoren, Diakone und Priester im Gottesdienst alles falsch machen? Die Verkündigung der Heiligen Schrift erfordert eine entsprechende Vorbereitung. Es geht nicht darum, den Text einfach nur zu verlesen. Es geht um verantwortungsvolle Teilhabe an der Verkündigung des Wortes Gottes. Denn Christus selbst spricht, wenn die Heilige Schrift verkündet wird. Das ist ein hoher Anspruch.
Martin Klöckener betont, dass es ihm nicht darum geht, eine liturgische Mängelliste zu erstellen. Wichtig ist ihm vor allem, dass der biblische Text gut verständlich vorgetragen wird, damit er die Ohren und Herzen der Hörenden erreicht. Außerdem braucht es eine ausgeprägte Sensibilität für die liturgische Situation der Verkündigung. Der Fokus sollte auf der Botschaft liegen und nicht auf der Person des Lektors oder der Lektorin.
Der Vatikan möchte das Bewusstsein für die Bedeutung der Heiligen Schrift in der Liturgie neu wecken. Klöckener bemängelt, dass an vielen Orten nur zwei statt drei Lesungen vorgetragen werden. Auch der Psalm wird häufig zwischen den Lesungen ausgelassen. Die Hochschätzung der Heiligen Schrift sollte sich auch im rituellen Vollzug bei ihrer Verkündigung zeigen.
Die Wahl der Bücher für die Lesungen sollte sich laut Vatikan auf qualitativ hochwertige Exemplare beschränken. Denn die Bibel ist das wichtigste liturgische Buch. Klöckener betont, dass Fotokopien zwar im Hörsaal und für die biblisch-liturgische Bildung nützlich sein mögen, jedoch der Feierdimension der Liturgie und ihrer Ästhetik nicht entsprechen.
In der Schweiz wird das Evangeliar oft auf dem Ambo platziert, anstatt es beim Einzug in die Kirche zu tragen oder auf dem Altar zu platzieren. Klöckener vermutet, dass dies mit einer Reserve gegenüber einer festlichen liturgischen Inszenierung zusammenhängen könnte. Terminankündigungen und andere Mitteilungen sollten laut Vatikan-Papier nicht vom Ambo aus getätigt werden, sondern von einem anderen Platz im Altarraum.
Insgesamt gibt es drei liturgische Orte im Altarraum: den Vorstehersitz, den Altar für den eucharistischen Teil, und den Ambo für den Wortgottesdienst. Zwischen dem Altar und dem Ambo besteht eine Korrespondenz: Der Ambo ist der Tisch des Wortes, während der Altar der Tisch des Herrenleibes ist. Jeder Ort hat seine eigene Bedeutung und Symbolik. Für andere Texte, nicht-biblische Gesänge oder Mitteilungen aus dem Pfarreileben sollte ein weiterer Platz vorgesehen werden.
Klöckener betont jedoch, dass nicht weil am Ambo ein Mikrofon steht, er auch schon der Ort für alle Wortelemente ist, die an die Gemeinde gerichtet werden. Es kann schwierig sein, in kleineren Kirchen eine passende Anordnung der verschiedenen liturgischen Orte zu finden. In größeren Kirchen hingegen ist in der Regel genug Platz dafür vorhanden.
Die Leseordnung für die Messe ist ein in sich kohärentes Ganzes, das Rücksicht auf die liturgischen Zeiten und Tage nimmt. Ad hoc gewählte Schriftlesungen können die größeren Zusammenhänge zerreißen und auf Dauer ermüdend sein. Klöckener betont, dass das Ziel der Liturgie nicht ist, die Menschen maximal zu berühren. Viele biblische Texte erschließen sich erst durch intensive Beschäftigung oder wiederholtes Lesen.
Pastoralverantwortliche sollten den Wert der Bibel als geoffenbartes Wort Gottes erkennen und nicht lediglich ihre Wirkung betrachten. Es besteht ein qualitativer Unterschied zwischen biblischen Texten und anderen Texten. Klöckener betont, dass die Psalmen, die in der Messe vorkommen, nicht verstörend sind. Verstörende Psalmen kommen eigentlich nur im Stundengebet vor.
Nicht-biblische Texte können durchaus ihren Platz in der Liturgie haben. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass sie die biblischen Texte nicht ersetzen, sondern eine ergänzende Funktion haben.