Angela Merkel – Die Macht der Ohnmacht

Angela Merkel – Die Macht der Ohnmacht

Niemand kennt die Grenzen der Macht besser als derjenige, der sie innehat. Angela Merkel, gerade noch von “Forbes” zur mächtigsten Frau der Welt gekürt, wird dies schmerzhaft bewusst. Inmitten politischer Gegner, die um ihre Zukunft kämpfen, erlebt sie ein Gefühl der Ohnmacht. Zumindest auf den ersten Blick scheint dies nicht nach Macht auszusehen.

Ohne Zukunftsperspektiven keine Macht

Macht ist das Versprechen auf die Gestaltung der Zukunft. Wahre Macht liegt darin, dass alle wissen, der Mächtige wird auch morgen noch Einfluss haben. Ohne Perspektive verliert Macht ihren wichtigsten Hebel: die Möglichkeit, Zukunft zu gestalten, Posten zu vergeben und Karrieren zu fördern. Doch Angela Merkel steht vor einem weiteren Problem: Sie gilt nicht mehr als unersetzbar. Ihre eigene Partei ist gespalten, viele warten schon auf einen Ersatz. Und das schlimmste daran: Alle sprechen darüber.

Es mangelt an Alternativen

Angela Merkel kann sich jedoch mit einem Trost begnügen. Niemand hat eine klare Vorstellung davon, wie es nach ihr weitergehen könnte. Dies wird noch eine Weile so bleiben. Diese Unsicherheit ist derzeit ihre einzige Überlebensversicherung.

Die Tatsache, dass Angela Merkel bereits zum siebten Mal in Folge von einem amerikanischen Wirtschaftsmagazin zur mächtigsten Frau der Welt ernannt wurde, wirkt vor diesem Hintergrund deplatziert und fast zynisch. Es scheint fast wie ein Nachruf.

Macht wird heute anders organisiert

Wir können jedoch auch anders darüber nachdenken. Unser Bild von Macht und Mächtigkeit ist immer noch von autokratischen Herrschern vergangener Zeiten und selbstherrlichen Wirtschaftspatriarchen geprägt. Wir denken immer noch, dass Macht mit steilen Hierarchien, Befehl und Gehorsam zu tun hat und die Fähigkeit, den eigenen Willen koste es, was es wolle, durchzusetzen.

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Aber dieses Bild von Macht ist zu einfach gedacht. Es hat ohnehin nie ganz gestimmt und in unserer spätindustriellen Moderne hat es endgültig ausgedient. Die Welt hat sich verändert. Moderne Organisationen, sei es in Staaten oder Unternehmen, sind vielstufig und hierarchisch flach aufgebaut, um zentrale Macht im klassischen Sinne ausüben zu können. Darüber hinaus ist der Staat in spätmodernen Gesellschaften nur einer von vielen Akteuren. Unter internationaler Perspektive ist dieses Bild noch dramatischer. Selbst der mächtigste Mann der mächtigsten Nation der Welt stößt schnell an seine Grenzen – ob Donald Trump das jemals begreifen wird, bleibt fraglich.

Die Kanzlerin hat es früh erkannt

Angela Merkel hingegen hat erkannt, dass wir in einer Zeit leben, in der klassische Machtstrukturen ihre Bedeutung verloren haben. Autoritäre Führung und Befehle von oben sind längst überholt. Einfluss hingegen gewinnt derjenige, der die Interessen der Machtlosen am besten kommunizieren und moderieren kann. In den letzten Jahren hat Angela Merkel dies wie kaum eine andere Politikerin verstanden.

Wie kaum eine andere politische Persönlichkeit versteht Angela Merkel, dass Macht in multipolaren Gesellschaften anders organisiert werden muss als zu Kaisers Zeiten. Erfolgreiche Macht liegt heute in der Fähigkeit, ungleiche Machtverhältnisse zu demobilisieren und zu entmachten.

Angela Merkel hat dies geschafft. Sie mag wenig Macht haben, doch andere haben noch weniger. Und genau darauf kommt es an. In einer Phase vermeintlicher Machtlosigkeit behält sie ihren Einfluss. Angela Merkel fühlt sich in dieser Position wahrscheinlich pudelwohl.