Es ist eine Episode in Angela Merkels Kanzlerschaft, die bereits 15 Jahre zurückliegt. Im ersten Interview nach dem Ende ihrer Amtszeit spricht die ehemalige Bundeskanzlerin mit dem “Spiegel”-Journalisten Alexander Osang über ein besonderes Ereignis. Es geht um ein Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Jahr 2007 in Sotschi am Schwarzen Meer. Dabei spielte ein Labrador eine entscheidende Rolle, der während einer Pressekonferenz ohne Leine zwischen Merkel und Putin herumwuselte.
Damals war deutlich zu erkennen, dass Merkel die Situation unangenehm war. Auf die Frage, ob Putin ihr damit eine Freude machen wollte, antwortete Merkel: “Na ja, wer’s glaubt, wird seelig.” Sie erzählte auch, dass Putin sie bereits beim ersten Besuch im Kreml überraschte, kurz nachdem sie 2005 Kanzlerin geworden war. Er sagte zu ihr: “Ich habe gehört, du hast ein Problem mit Hunden.” Anschließend überreichte er ihr einen großen Stoffhund als Geschenk.
Merkel als Jugendliche von Hund gebissen
Tatsächlich wurde Angela Merkel, damals noch unter ihrem Mädchennamen Angela Kasner, in ihrer Jugend von einem Hund gebissen. Dies führte dazu, dass sie Hunde bis heute lieber aus der Ferne betrachtet. Doch das ließ Putin nicht davon abhalten, Merkel bei dem Treffen in Sotschi mit einem echten Hund zu überraschen – ein klarer Einschüchterungsversuch.
Heute kann Merkel darüber lachen und sagt: “Eine tapfere Bundeskanzlerin muss mit so einem Hund fertigwerden. Wenn psychologische Probleme dazu führen, dass man nicht mehr handlungsfähig ist, dann läuft da etwas falsch.”
Was verbindet Merkel und Putin noch? Beide sind annähernd gleich alt (67 und 69), beide sind in einer kommunistischen Diktatur aufgewachsen und sprechen die Sprache des anderen. Laut Merkel verbindet sie jedoch nichts: “Unser Werteverständnis ist grundsätzlich unterschiedlich. Er hält Demokratie für falsch, ich halte sie für richtig.”
Bei komplexen Fragen sprachen Merkel und Putin in ihren Muttersprachen
Vor der Annexion der Krim 2014 gab es noch private Momente zwischen Merkel und Putin, “mal ein persönliches Geschenk”, sagt Merkel. Danach änderte sich jedoch alles. “Es ist eine rationale Beziehung, in der es um einen Wettbewerb zwischen gesellschaftlichen Modellen geht.” Merkel betont, dass sie sich nicht daran erinnern kann, dass sie und Putin am Telefon miteinander geschrien haben. Übrigens spricht Putin besser Deutsch als sie Russisch. Bei komplexen politischen Fragen sprachen sie jedoch in ihren Muttersprachen. “Redet Putin auch Deutsch. Nur einmal kam es vor, dass er ein Wort auf Deutsch nicht wusste, das wusste ich dann auf Russisch.”
Angela Merkel möchte ihre Verachtung für Putin von ihrer Bewunderung für Russland und die russische Kultur trennen. “Ich kann die Kultur eines Landes toll finden, dennoch habe ich da jetzt jemanden, der das Völkerrecht mit Füßen tritt. Die Tragik wird damit größer, dass ich das Land mag, aber das macht mich nicht nachsichtiger.”
Als Jugendliche reiste sie einmal halb legal durch den Kaukasus. Ostdeutsche hatten damals die Möglichkeit, von Moskau aus ein Transitvisum für die Fahrt nach Bulgarien zu bekommen. “Kurz vor dem Kaukasus stieg man einfach aus, besuchte Georgien und Aserbaidschan. Die Behörden dort fanden dann, dass es gar nicht geht und man nur wenige Stunden verweilen darf.” Merkel blieb jedoch länger.
Als Strafe musste sie in Sotschi einen Aufsatz schreiben: “Warum habe ich so lange studiert und halte mich trotzdem nicht an die Gesetze?” Das angedrohte Zwangsgeld wurde ihr jedoch erlassen, weil sie den Aufsatz in tadellosem Russisch verfasste.
Abgesehen von der aktuellen politischen Lage gesteht Angela Merkel, eine Faszination für das Land zu haben. Und sie fügt hinzu: “Ich habe aber auch eine Faszination für Amerika.”
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