Das Bereicherungsrecht ist ein komplexes Rechtsgebiet, das sich mit Bereicherungen ohne rechtlichen Grund beschäftigt. Es umfasst zwar nur wenige Vorschriften, gehört jedoch zu den kompliziertesten Rechtsgebieten überhaupt. In diesem Artikel erhalten Sie einen groben Überblick über die komplexe Materie.
Erster Teil: Die Leistungskondiktion
A. Anspruchsgrundlagen
I. Leistung ohne Rechtsgrund
Bei der Leistungskondiktion geht es darum, eine Leistung, die aufgrund eines Vertrags erbracht wurde, wieder zurückzufordern, da der Vertragsschluss fehlgeschlagen ist. Der wichtigste Norm in diesem Zusammenhang ist der § 812 BGB. Hier finden sich auch die wichtigsten Basistatbestände.
1. Anspruchsgegner hat „etwas erlangt“
Der Anspruchsgegner hat einen Vermögensvorteil erlangt, wenn sich seine Vermögenssituation verbessert hat. Eine Bereicherung liegt auch dann vor, wenn der Anspruchsgegner durch die Leistung Aufwendungen erspart hat.
2. „durch Leistung“ des Anspruchstellers
Eine Leistung im Sinne des § 812 I BGB ist eine bewusste zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.
3. „ohne Rechtsgrund“
Ein Rechtsgrund fehlt, wenn die Verbindlichkeit nicht bestand, welche der Leistende durch seine Leistung erfüllen wollte. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie das Fehlen eines Rechtsgrunds gegeben sein kann.
II. Späterer Wegfall des Rechtsgrunds
Bei dieser Variante handelt es sich um einen Fall der Leistungskondiktion, bei dem der Rechtsgrund für die Leistung nachträglich wegfällt. Dies kann zum Beispiel durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung geschehen.
Rechtsfolge
Grundsätzlich muss der Anspruchsgegner den Gegenstand der Bereicherung herausgeben.
III. Nichteintritt des bezweckten Erfolgs
Dieser Sonderfall liegt vor, wenn neben den Verpflichtungen des Schuldverhältnisses noch der Eintritt eines speziellen Erfolgs angestrebt wird.
B. Ergänzende Vorschriften
Sektion 1: Sonderfälle der Leistungskondiktion
I. Rechtsgrund mit dauerhafter Einrede behaftet
Dieser Sonderfall gilt, wenn eigentlich ein rechtlicher Grund für eine Leistung vorliegt, dieser aber mit einer dauerhaften Einrede behaftet ist.
II. Sittenwidriger Leistungsempfang
Bei diesem seltenen Sonderfall der Leistungskondiktion begründet die Annahme der Leistung einen Verstoß gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot.
Sektion 2: Ausschluss der Leistungskondiktion
Eine Leistungskondiktion kann in einigen Fällen ausgeschlossen sein.
I. Keine Verpflichtung zur Leistung
In diesem Fall war der Leistende nicht zur Leistung verpflichtet und wusste dies auch.
II. Unmöglichkeit des bezweckten Erfolgs
Diese Ausschlussklausel greift nur in Fällen, bei denen der Eintritt eines bestimmten Erfolgs vereinbart, jedoch unmöglich war.
III. Verstoß gegen die guten Sitten durch den Leistenden
Dieser Sonderfall spielt nur in Fällen, bei denen ein Verstoß gegen Gesetze oder die guten Sitten vorliegt.
Zweiter Teil: Die Nichtleistungskondiktion
A. Anspruchsgrundlagen
I. Reguläre Nichtleistungskondiktion
Der Begriff der Nichtleistungskondiktion beschreibt alle sonstigen Fälle der Bereicherung. Die Nichtleistungskondiktion ist anwendbar, wenn der Bereicherungsgegenstand nicht an den Anspruchsinhaber geleistet wurde.
B. Ergänzende Vorschriften
Sonderfälle der Eingriffskondiktion
I. Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten
Der erste der in § 816 BGB geregelten Spezialfälle betrifft die Konstellation, dass über einen Gegenstand durch einen Nichtberechtigten eine dem Verfügungsberechtigten gegenüber wirksame Verfügung gemacht wird.
II. Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten
In diesem Sonderfall verlangt der Verfügungsberechtigte, über dessen Gegenstand unberechtigt und unentgeltlich verfügt wurde, vom Verfügungsempfänger das durch die Verfügung Erlangte heraus.
III. Leistung an einen Nichtberechtigten
Diese Vorschrift ist nur von Belang, wenn ein Schuldner mit schuldbefreiender Wirkung an einen „falschen“ Gläubiger geliefert hat.
IV. Unentgeltliche Verfügung eines Berechtigten
Ähnlich wie § 816 I 2 BGB erlaubt es § 822 BGB einen Anspruch gegen einen am Schuldverhältnis nicht direkt beteiligten Dritten geltend zu machen.
Dritter Teil: Der Umfang des Bereicherungsanspruches
Der genaue Umfang des Bereicherungsanspruchs wird in § 818 BGB geregelt. Grundsätzlich muss der Bereicherte das Erlangte herausgeben.
Die Zweikondiktionenlehre
Gemäß der sogenannten Zweikondiktionenlehre ist der Bereicherungsanspruch jeder Partei vollkommen selbständig zu betrachten.
Die Saldotheorie
Die Saldotheorie trägt dem Umstand Rechnung, dass die beiderseitigen Leistungen in synallagmatischen Verträgen miteinander verwoben sind.
Anmerkung
Zur Ergänzung siehe auch die Beiträge „Haftungsumfang im Bereicherungsrecht“, sowie „Die bereicherungsrechtlichen Mehrpersonenverhältnisse“.