Aufklärung des Begriffs “Zigeuner”

Erläuterungen zum Begriff „Zigeuner“

Die Fremdbezeichnung “Zigeuner” ist ein von Vorurteilen überlagertes Etikett, das von den meisten Angehörigen der Minderheit als diskriminierend abgelehnt wird. Die Sinti und Roma haben sich niemals selbst so genannt. Die Durchsetzung der Eigenbezeichnung Sinti und Roma im öffentlichen Diskurs war von Anfang an ein zentrales Anliegen der Bürgerrechtsbewegung, die sich in der Bundesrepublik vor allem seit den späten siebziger Jahren formierte. Damit sollte gleichzeitig ein Bewusstsein für die Vorurteile und Ausgrenzungsmechanismen geschaffen werden, die ihren Ursprung im Stereotyp des “Zigeuners” haben.

Die Bedeutung von “Sinti” und “Roma”

“Sinti” bezeichnet die Angehörigen der Minderheit, die seit dem Ende des Mittelalters in Mitteleuropa beheimatet sind. “Roma” hingegen sind ost- oder südosteuropäischer Herkunft. Die nationalen Sinti- und Roma-Gemeinschaften sind stark von der Geschichte und Kultur ihrer jeweiligen Heimatländer geprägt. Dies spiegelt sich auch in ihrer Sprache, dem Romanes, wider. Durch die Integration von Lehnwörtern aus den jeweiligen Landessprachen haben sich über die Jahrhunderte hinweg verschiedene Variationen des Romanes in den verschiedenen europäischen Ländern entwickelt.

Außerhalb des deutschen Sprachraums wird “Roma” oder einfach “Rom” (was “Mensch” bedeutet) als allgemeine Bezeichnung für die gesamte Minderheit verwendet. In Deutschland bilden Sinti die größte Gruppe, daher bevorzugt man hier die Bezeichnung “Sinti und Roma”. Es gibt jedoch auch deutsche Roma, die bereits im Kaiserreich und in der Weimarer Republik in das Deutsche Reich eingewandert sind, vergleichbar mit den “Ostjuden” (im Gegensatz zu den Roma, die als Flüchtlinge aus Bürgerkriegen in jüngerer Zeit nach Deutschland gekommen sind). Während die Anzahl der Sinti und Roma, die während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und Österreich lebten, auf etwa 25.000 bis 30.000 Menschen geschätzt wird, gibt es in osteuropäischen Ländern wie Rumänien und Bulgarien teilweise wesentlich größere Minderheiten von Roma.

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Die Entwicklung der Begriffe “Sinti” und “Roma”

Die Begriffe “Sinti” und “Roma” sind keine “politisch korrekten” Erfindungen der Bürgerrechtsbewegung, wie oft behauptet wird. Sie tauchen bereits in Quellen des 18. Jahrhunderts auf. Seit vielen Jahren werden die Eigenbezeichnungen “Roma” bzw. “Sinti” auch offiziell in internationalen Organisationen wie der OSZE, dem Europarat, der Europäischen Union und der UNO verwendet. Die OSZE unterhält beispielsweise seit den frühen 1990er Jahren den “Contact Point for Roma and Sinti Issues”.

Im Gegensatz dazu ist der Begriff “Zigeuner” untrennbar mit rassistischen Zuschreibungen verbunden, die sich über Jahrhunderte hinweg zu einem geschlossenen und aggressiven Feindbild entwickelt haben und tief im kollektiven Bewusstsein verankert sind. Ab dem 16. Jahrhundert verbreitete sich in Deutschland die irrige Auffassung, dass “Zigeuner” von “Ziehgauner” abgeleitet sei. Selbst in einem der ersten Lexikonartikel zum Thema “Zigeuner” im Brockhaus von 1848 wird explizit auf diesen Zusammenhang verwiesen. Dort findet man eine Vielzahl von negativen Stereotypen über unsere Minderheit aufgelistet, einschließlich der Behauptung, dass “Zigeuner” Kinder stehlen würden. Selbst in der zweiten Auflage des Dudens von 1986 werden unter dem Stichwort “Zigeuner” die Begriffe “Abschaum” und “Vagabund” genannt.

Wer dafür plädiert, den Ausdruck “Zigeuner” als “wertneutralen” Sammelbegriff zu verwenden, blendet nicht nur den historischen Kontext aus. Er ignoriert auch völlig den heutigen Gebrauch in der Umgangssprache, in der “Zigeuner” immer noch als Schimpfwort benutzt wird. Rechtsextremistische Internetforen nutzen diesen Begriff ebenso wie Fußballfans, die gegnerische Mannschaften als “Zigeuner” oder “Zigeunerpack” beschimpfen.

Das Bild des “Zigeuners”, das von bösartigen Vorurteilen und romantischen Klischees geprägt ist und in unzähligen Büchern, Filmen und Operetten reproduziert wurde (und immer noch wird), hat längst eine eigene Existenz angenommen. Es sagt viel über die Fantasien, Ängste und Wünsche derer aus, die es verwenden, aber hat nichts mit der realen Lebenswirklichkeit der Sinti und Roma zu tun.

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Die Eigenbezeichnung Sinti und Roma ist ein wesentlicher Teil unserer Identität als Minderheit. In unserer pluralistischen Gesellschaft sollte dieses Recht auf Selbstbestimmung respektiert werden.

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