Bildung und Autorität gehen Hand in Hand. In einem Interview spricht Walter Lorenz, Rektor der “Freien Universität Bozen”, über die Bedeutung und Grenzen von Autorität sowie die besonderen Fähigkeiten, die eine Lehrperson besitzen muss.
Der Unterschied zwischen Autorität und autoritärem Verhalten
Lorenz betont, dass es einen großen Unterschied zwischen den Begriffen “autoritär” und “Autorität” gibt. Autorität kann auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht werden. Lorenz selbst lehnt autoritäres Verhalten ab, sei es in organisatorischem, zwischenmenschlichem oder vor allem in pädagogischem Kontext. Er erläutert, dass er als “68er” eine besondere Sensibilität gegenüber autoritärem Verhalten entwickelt hat. Die Bedenken gegenüber einem autoritären Erziehungsstil sind bei ihm geblieben.
Bedeutung und Legitimation von Autorität
Für Lorenz steht Autorität in direktem Zusammenhang mit der Legitimation eines Machtanspruchs. Die Gesellschaft und persönliche Beziehungen sind von unterschiedlichen Machtbefugnissen geprägt. Allerdings sind natürliche Merkmale wie Stärke, Alter, Ethnie oder Bildungsgrad keine legitimen Gründe, um Autorität auszuüben. Autorität muss immer wieder legitimiert und verhandelt werden. Sie kann nur wirksam sein, wenn sie auf Einverständnis beruht.
Entwicklung von Autorität
Lorenz geht davon aus, dass Autorität nicht von Geburt an in uns verankert ist, sondern ein gesellschaftliches Phänomen ist. Wir sind von Geburt an auf andere Menschen angewiesen, aber gleichzeitig haben wir auch das Bedürfnis nach Autonomie. Autorität muss daher nicht nur von außen, sondern auch von innen kommen. Das Anerkennen von Grenzen ist ein entscheidendes Element der Autorität.
Spezielle Autorität für Lehrende
Lehrpersonen benötigen spezielle Kompetenzen, um Autorität auszuüben. Neben Fachkompetenz ist auch die zwischenmenschliche Autorität wichtig. Es reicht nicht aus, mehr Wissen zu haben, man muss es auch vermitteln können. Lehrpersonen haben auch eine gesellschaftliche Verantwortung, da sie nicht nur Wissen und Kultur verwalten, sondern auch den Stellenwert dieses Wissens in der Gesellschaft beeinflussen.
Die Auswahl von Lehrenden
Die Auswahl von Lehrenden ist eine komplexe Aufgabe. Es müssen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale mit der Fähigkeit, Wissen zu vermitteln, kombiniert werden. Es gibt jedoch Grenzen, da bestimmte Persönlichkeitsprobleme eine Tätigkeit im Lehrberuf unmöglich machen können. Es ist wichtig, eine Vielfalt von Persönlichkeiten im Lehrberuf zu haben, da es keine alleinige maßgebliche Persönlichkeitsstruktur gibt.
Persönlichkeitsbildung als Ziel der Lehre
Lorenz betont, dass die Lehre an der Universität auch die Persönlichkeitsbildung zum Ziel haben sollte. Es ist jedoch bedauerlich, dass dies in pädagogischen Programmen manchmal nur inoffiziell behandelt wird. Die Universität sollte sich nicht ausschließlich auf den intellektuellen Bereich konzentrieren.
Autorität in einer sich wandelnden Welt
In den letzten Jahrzehnten hat sich der Begriff Autorität stark verändert. Jugendliche haben heute oft Probleme mit Autoritäten, da der Umgang damit gespalten ist. Einerseits wird Eigenverantwortung betont, andererseits gibt es eine Wiederbelebung äußerer Autoritätsstrukturen. Diese Ambivalenz kann zu Verwirrung führen.
Die Autorität der Wissenschaft
Die Autorität einer Universität besteht nicht darin, Antworten zu liefern, sondern Argumente zu liefern, um eine Diskussion über Wahrheit zu ermöglichen. Die Universität hat die Aufgabe, kritisches Denken zu fördern und sich Debatten zu stellen.
Der Rektor als Kommunikator
Lorenz sieht seine Rolle als Rektor darin, eine zersplitterte Organisation zusammenzuführen. Durch einen kommunikativen Ansatz konnten Kontroversen verringert und Auseinandersetzungen auf zentrale Aspekte reduziert werden.
Vielfalt der Autorität
Lorenz betont, dass Geschichte nicht von großen Persönlichkeiten gemacht wird. Vielmehr sind große Persönlichkeiten Träger einer bestimmten kollektiven Wertestruktur. In der Geschichte steht jeder auf den Schultern seiner Mitmenschen.
Abschließend kann man sagen, dass Autorität eine Frage der Legitimation ist. Autorität und Bildung gehen Hand in Hand und erfordern ein hohes Maß an Verantwortung und Kommunikation. Die Freie Universität Bozen in Südtirol hat die Aufgabe, Argumente zu liefern und die Diskussion um Wahrheit zu fördern.