Azubimangel: Warum finde ich trotzdem keine Stelle?

Azubimangel: Warum finde ich trotzdem keine Stelle?

Das Gastgewerbe, das Handwerk, die Bauindustrie – viele Branchen suchen verzweifelt nach Auszubildenden, da sie ihre offenen Stellen nicht besetzen können. Als jugendlicher Bewerber stellt man sich da natürlich die Frage: Warum finde ich trotzdem keine Stelle?

Die Antwort liegt zum Teil darin, dass die Wünsche und Präferenzen der Jugendlichen nicht immer mit den Stellenprofilen und Qualifikationsanforderungen der Betriebe übereinstimmen, wie Prof. Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, erklärt.

Es gibt zahlreiche Berufe, in denen die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber die Anzahl der verfügbaren Stellen bei weitem übersteigt. Bestimmte Berufe sind seit Jahren besonders beliebt, wie zum Beispiel Ausbildungen im KFZ-Bereich, in der Tierpflege und in kreativen Berufen wie Tischler, Mediengestalter oder Raumausstatter.

Auf der anderen Seite haben Betriebe in anderen Berufen seit Jahren große Schwierigkeiten, ihre Stellen zu besetzen. Durch die Pandemie hat sich diese Situation noch verschärft. “Das betrifft zum Beispiel Berufe im Verkauf von Fleisch- und Backwaren, obwohl es gleichzeitig viele Bewerberinnen und Bewerber gibt, die einen niedrigen Schulabschluss haben und sich für diese Berufe eignen würden”, so Fitzenberger.

Jugendliche haben jedoch schlichtweg weniger Interesse an diesen Berufen als es Ausbildungsplatzangebote gibt. Dieses Phänomen zeigt sich auch bei qualifizierten Handwerksberufen, Berufen im Baugewerbe und seit der Pandemie insbesondere in der Hotel- und Gaststättenbranche.

Ein weiteres Problem auf dem Ausbildungsmarkt ist, dass Auszubildende etwas weniger mobil sind. “Junge Menschen sind oft nicht bereit, umzuziehen, um eine Ausbildung zu beginnen. Gerade in diesem Lebensabschnitt leben viele Jugendliche noch bei ihren Eltern, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen”, erklärt der Direktor des IAB.

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Für die meisten Jugendlichen ist das Angebot an Ausbildungsstellen in ihrer Region relevant. Es gibt Regionen, in denen es sehr wenige Ausbildungsstellen gibt, während anderswo viel mehr Stellen als Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen. Jedoch ziehen junge Menschen nicht in großem Umfang von Regionen mit einem Bewerberüberhang in Regionen mit einem Stellenüberhang, stellt Fitzenberger klar.

Wenn man wirklich in einen sehr beliebten Beruf wie beispielsweise die Tierpflege möchte, wird man nicht umhin kommen, Kompromisse einzugehen. Das kann auch einen Umzug bedeuten. Der Arbeitsmarkt bietet jedoch auch viele Betriebe, die verzweifelt nach jungen Menschen suchen und bereit sind, sich stärker an die Wünsche der Jugendlichen anzupassen.

Fitzenberger empfiehlt, in jedem Fall Praktika zu absolvieren und über berufsvorbereitende Maßnahmen nachzudenken. Dadurch kann man sehen, was der Arbeitsmarkt neben dem Wunschberuf noch bietet und positive Überraschungen erleben.

Viele Jugendliche sind durch die Pandemie und die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt stark verunsichert und haben Schwierigkeiten, ihren Wunschberuf zu formulieren. Wenn man den Berufen, in denen ein Überangebot herrscht, eine Chance gibt, findet man vielleicht etwas, das besser zu den individuellen Interessen passt, als erwartet.

Es ist auch Teil der Berufsorientierung, realistische Berufswünsche zu entwickeln, also Berufe, für die es auf dem lokalen Arbeitsmarkt auch offene Stellen gibt.

Gleichzeitig sollten Arbeitgeber zunehmend offen sein, jungen Menschen eine Chance zu geben, die vielleicht nicht alle Anforderungen für eine Stelle erfüllen. Dafür gibt es Förderpakete der Bundesagentur für Arbeit, bei deren Nutzung auch das Thema Inklusion eine Rolle spielt.

Auch beim Matchingprozess zwischen Bewerbern und Betrieben gibt es Nachholbedarf. Betriebe müssen vermehrt in Schulen gehen, die Jugendlichen aktiv ansprechen und ihr Interesse an bestimmten Berufen wecken.

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Vermutlich werden auch im kommenden Ausbildungsjahr in den Berufen mit besonders hohem Bedarf wieder viele Stellen unbesetzt bleiben. Daher muss die duale Ausbildung attraktiver werden und ihre Karriereperspektiven aufzeigen, sonst verstärkt sich der Trend der Jugendlichen mit guten Schulabschlüssen in Richtung eines Studiums oder einer Vollzeitschule.

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Quelle: dpa/tmn