Wer kennt es nicht: Babys, die nach dem Füttern ihre Milch wieder ausspucken. Doch warum passiert das bei manchen Kindern in großen Schwallen und bei anderen nur tröpfchenweise über mehrere Stunden? Dr. Pamela Douglas, eine renommierte Kinderärztin und Wissenschaftlerin an der Universität von Queensland in Australien, hat sich dieser Fragen angenommen. Seit fast 30 Jahren erforscht sie, was Babys im ersten Lebensjahr für eine gesunde Entwicklung brauchen – insbesondere in Bezug auf ihr Trink- und Spuckverhalten. Hier sind ihre zehn wichtigsten Erkenntnisse:
1. Das Spucken ist bei Babys völlig normal
Etwa zwei Drittel aller Babys spucken in den ersten sechs Lebensmonaten einen Teil ihrer Milchmahlzeiten wieder aus. Dieses Phänomen tritt typischerweise gegen Ende des ersten Monats auf, wenn die Milchportionen allmählich größer werden. Im vierten Lebensmonat erreicht das Spucken seinen Höhepunkt. Nach einem Jahr spucken Babys nur noch selten und in kleinen Mengen. Tipp für Eltern: Investieren Sie in wasserdichte Lätzchen, um die Wäscheberge trotz eines spuckenden Babys klein zu halten.
2. Das Spucken ist in den meisten Fällen harmlos
Die Tatsache, dass sich Babys trotz des Spuckens gut entwickeln, zeigt, dass das Problem in den allermeisten Fällen harmlos ist. Solange das Baby normal zunimmt und beim Spucken offensichtlich keine Schmerzen hat, besteht kein Grund zur Sorge. Das “Ventil” am Mageneingang, das verhindert, dass die Nahrung in die Speiseröhre zurückfließt, muss bei Ihrem Baby einfach noch etwas stärker werden.
3. Das ausgespuckte ist keine Erbrochenes
Was ist es dann? Es handelt sich um geronnene Milch. Anders als beim richtigen Erbrechen ist die aufgestoßene Milch bei Babys in den ersten zwei Stunden nach einer Mahlzeit mehr oder weniger pH-neutral, also kaum mit Magensäure versetzt. Solange Babys ausschließlich Muttermilch oder Flaschenmilch zu sich nehmen, müssen Eltern sich keine Sorgen machen, dass Speiseröhre und Mundraum mit der unangenehmen Säure in Berührung kommen.
4. Babys spucken nicht so viel wie Eltern denken
Eltern liegen oft völlig falsch, wenn sie abschätzen sollen, wie viel Milch ihr Baby regelmäßig wieder ausspuckt. Bereits wenige Milliliter reichen aus, um einen Babybody komplett durchnässt zu lassen. Selbst wenn ein Baby scheinbar die gesamte Mahlzeit in einem großen Schwall erbricht, bleibt im Normalfall mindestens genauso viel Milch im Magen zurück. Das Gewicht des Babys ist das einzige zuverlässige Anzeichen dafür, ob es tatsächlich genug Milch bekommt.
5. Spucken ist kein Zeichen von Überfütterung
Spuckende Babys haben sich nicht “überfressen”. Im Gegenteil, sie trinken oft besonders gut, weil sie intuitiv spüren, dass sie aufgrund ihres unreifen Magenventils einen Teil ihrer Kalorien gleich wieder abgeben werden. Mit Muttermilch oder Flaschenmilch kann man ein Baby nicht überfüttern.
6. Cluster-Feeding verringert das Spucken
In vielen westlichen Industriestaaten gilt es als normal und erstrebenswert, zwischen zwei Milchmahlzeiten drei bis vier Stunden Pause zu lassen. Douglas’ Untersuchungen zeigen jedoch, dass genau diese Fütterpraxis dazu führt, dass Babys bei uns viel mehr spucken als in anderen Kulturen. Wenige große Mahlzeiten sind für den Babymagen schwerer zu verdauen als mehrere kleine Mahlzeiten. Das sogenannte Cluster-Feeding, bei dem Babys insbesondere in den Abendstunden dazu neigen, alle 15 Minuten einige Schlucke Milch zu trinken, wirkt diesem Spucken entgegen.
7. Babys brauchen kein Bäuerchen
Die gängige Meinung, dass Babys nach dem Trinken aufstoßen müssen, ist laut Douglas nicht korrekt und fördert eher das Spucken. Die Wahrheit ist, dass Babys keine Hilfe benötigen, um überschüssige Luft aus ihrem Magen zu befördern. Wenn man das Baby nach dem Trinken einfach ruhig im Arm liegen lässt, stoßt es von selbst auf – und spuckt dabei deutlich weniger als beim Hochnehmen und Klopfen auf den Rücken.
8. Nach dem Trinken: Schlafen lassen
Den typischen Rhythmus, bei dem das Baby nach dem Trinken spielen soll, empfiehlt Douglas umzukehren. Aus physiologischer Sicht ist es sinnvoller, das Baby nach dem Stillen oder der Flasche schlafen zu lassen, anstatt es zum Spielen zu animieren. Wenn das Baby an der Brust oder der Flasche einschläft, sinkt die Wahrscheinlichkeit von Spuckattacken deutlich.
9. Mehr als normales Spucken: Der gastroösophageale Reflux
Wenn ein Baby nicht nur Milch, sondern auch rotbraune Fäden spuckt oder nicht richtig zunimmt, ist es Zeit für einen Kinderarztbesuch. Manchmal steckt ein sogenannter gastroösophagealer Reflux dahinter, der das normale Maß übersteigt und zu einer ernsthaften Wachstumsstörung führen kann. In solchen Fällen kann es notwendig sein, dem Baby mit Medikamenten zu helfen.
10. Zum Glück sehr selten: Der Magenpförtnerkrampf
Der Magenpförtnerkrampf ist eine seltene Krankheit, bei der Babys nach jeder Mahlzeit den gesamten Mageninhalt erbrechen. Diese Babys haben Trockenwindeln, blasse Haut und einen apathischen Blick. Sie trinken gleichzeitig viel, können aber nichts bei sich behalten. Die Ursache dafür ist ein verdickter Muskelring, der den Magenausgang in Richtung Darm so zusammendrückt, dass sich der gesamte Mageninhalt zurückstaut und schließlich in einem großen Schwall nach oben schießt. In solchen Fällen ist eine Operation erforderlich, um den Muskelring zu durchtrennen und schnelle Besserung zu versprechen.
Abschließend sei gesagt, dass es in den meisten Fällen keinen medizinischen Grund gibt, Babys, die viel spucken, säureblocker zu verordnen. Die Europäische Gesellschaft für Magen- und Darmerkrankungen bei Kindern empfiehlt Zurückhaltung und betont, dass gesunde Babys keine Medikamente benötigen. Oft hilft es schon, die Trinkmahlzeit zu verdicken oder das Baby nach dem Trinken in einer aufrechten Position zu halten.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Menge an Luft, die ein Baby beim Trinken schluckt, großen Einfluss auf das Spucken haben kann. Bei Stillbabys kann eine Stillberaterin helfen, die Trinktechnik zu verbessern, was oft auch das Spucken reduziert. Bei Flaschenbabys sollten Milchpulver und Wasser gemäß den Anweisungen auf der Packung zubereitet und kräftig geschüttelt werden. Eventuell entstehender Schaum legt sich nach kurzer Zeit und bleibt meist in der Flasche. Bei Problemen können spezielle Formulaberaterinnen hinzugezogen werden.
Quellen: