Werden Architekten und Fachplaner häufig mit der Frage konfrontiert, welche Leistungen sie in der Leistungsphase 8 erbringen sollten, überrascht die Antwort viele Auftraggeber. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass mit der Beauftragung der Objektüberwachung sämtliche Leitungsaufgaben auf den sogenannten Bauleiter übertragen werden. Doch die Grundleistungen der HOAI geben dafür keine Vorgaben.
Gängige Missverständnisse rund um den “Bauleiter”
Auftraggeber nehmen oft an, dass die Grundleistungen der Leistungsphase 8 folgende Aufgaben beinhalten:
- Organisation des Baustellenbetriebs, inklusive Betriebsflächen für Zwischenlagerungen
- Bearbeitung von Fragen zur Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes vor Ort
- Planung und Organisation aller Maßnahmen zur Einrichtung der Baustelle, wie z.B. Bauzaunerstellung und -kontrolle, Beleuchtung, Winterdienst und Verkehr
- Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf der Baustelle, z.B. Vorgaben für Baubüros, Sanitäreinrichtungen und provisorische Stellplätze
- Ansprechpartner für Behörden, etwa bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsflächen oder in Abstimmungen mit Anliegern
- Durchführung sonstiger erforderlicher Maßnahmen, wie die Überwachung von tarif- und arbeitsrechtlichen Vorgaben oder die Unterbindung von Schwarzarbeit
Doch keine dieser Aufgaben gehört zu den Grundleistungen der Leistungsphase 8 im Bereich der Objektplanung oder Fachplanung.
HOAI und VOB/B kennen keinen “Bauleiter” mehr
Interessanterweise sieht weder die HOAI noch die VOB/B (DIN 1961) die Funktion des “Bauleiters” vor. Weder die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure noch die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) gehen auf den Begriff der Bauleitung ein. Stattdessen regelt die VOB/B lediglich, dass der Bauherr berechtigt ist, Anweisungen an den Leiter des ausführenden Unternehmens zu erteilen. Der Auftragnehmer wiederum muss dem Bauherrn mitteilen, wer als Vertreter des ausführenden Unternehmens die Ausführung leitet. Damit wird deutlich, dass der Begriff des Bauleiters in der Praxis nicht mehr gebräuchlich ist.
Verwenden Sie die richtigen Begriffe und stellen Sie Ihre Leistungspflichten objektiv dar
Um sicherzustellen, dass Ihr Auftraggeber ein genaues Verständnis von Ihrem Leistungsumfang hat, ist es ratsam, in der Kommunikation die Begriffe zu verwenden, die den Vertragsinhalten und Regelwerken entsprechen. Vermeiden Sie daher auch die Bezeichnung “verantwortlicher Bauleiter”, da diese die Pflichten eines Bauleiters im Sinne des Bauordnungsrechts regelt. Ein Auftraggeber wird darunter jedoch etwas völlig anderes verstehen.
Machen Sie Ihren Kunden außerdem mit relevanten Gerichtsurteilen vertraut, insbesondere dem Urteil des OLG Schleswig vom 27.03.2015, Az. 1 U 87/10. Laut diesem Urteil stellt die Bauüberwachung keine ständige Arbeitsvorbereitung oder Bauleitung dar, bei der Mängel vermieden werden sollen. Wenn dem so wäre, müssten ausführende Unternehmen jede Arbeitsanweisung von der “Bauleitung” abholen und keinerlei werksvertragliche Verantwortung übernehmen. Daher ist die Formel “Ausführungsmangel = Bauüberwachungsmangel” gemäß dem OLG unzutreffend. Folglich kann die Anzahl von Mängeln während der Bauausführung und die daraus resultierenden Terminverschiebungen nicht unmittelbar auf die Qualität der Bauüberwachung zurückgeführt werden.
Infolgedessen sollten Auftraggeber, die hohe Ansprüche an die Termintreue und Qualität der Ausführung haben, besondere Leistungs- und Honorarvereinbarungen treffen. Mit dem Standardhonorar gemäß HOAI werden Sie diesen Anforderungen nicht gerecht. Erklären Sie Ihren Auftraggebern die fachlich-organisatorischen und honorarrechtlichen Zusammenhänge. Sie werden auf Verständnis stoßen.
Verwandte Themen:
- Umgang mit Bedenkenanzeigen
- Das richtige Verhalten im Schadensfall – Meldung eines Berufshaftpflichtschadens
Wenn Sie an einer Berufshaftpflichtversicherung für Architekten interessiert sind und weitere Informationen wünschen, kontaktieren Sie uns!