Baurecht falsch verstanden: Verwirkung einfach erklärt

Baurecht falsch verstanden: Verwirkung einfach erklärt

Bist du schon einmal auf den Begriff “Verwirkung” im Öffentlichen Baurecht gestoßen und hast dich gefragt, was er bedeutet? In diesem Artikel werde ich das Missverständnis rund um die Verwirkung im Baurecht klären und dir alles verständlich erklären.

Die Rangliste der Missverständnisse im Öffentlichen Baurecht

Bevor wir uns genauer mit der Verwirkung beschäftigen, möchte ich dir einen Überblick über die Rangliste der Missverständnisse im Öffentlichen Baurecht geben. In meiner losen Serie werde ich dir nach und nach die vorderen Plätze präsentieren, bis wir schließlich den “Sieger” krönen.

Platz 5: Verwirkung

Stell dir vor, jemand hat vor vielen Jahren ein Gebäude errichtet, für das er keine Genehmigung hatte und auch keine erhalten hätte, da es illegal war. Oder jemand nutzt eine Anlage auf eine baurechtlich illegale Weise. Eines Tages beschließt die zuständige Bauaufsichtsbehörde, dagegen vorzugehen. Der Bauherr oder Nutzer wundert sich und zweifelt die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens an: Hat das Bauamt nach so langer Zeit noch das Recht dazu?

Macht es einen Unterschied, ob dem Amt die Illegalität erst jetzt aufgefallen ist oder ob es schon seit Jahren bekannt war und dennoch erst jetzt eingreift? Und wie sieht es aus, wenn ein Nachbar das Bauamt auffordert, einzuschreiten, beispielsweise weil ein Wintergarten einen beträchtlichen Teil der Abstandsfläche zu ihm einnimmt? Könnte der Nachbar auch nach Jahren eine solche Forderung stellen und diese möglicherweise gerichtlich durchsetzen oder hat er aufgrund der vergangenen Zeit seine Abwehrrechte “verwirkt”?

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Können Eingriffsbefugnisse des Bauamtes verwirken?

Die Eingriffsbefugnisse des Bauamtes können nicht verwirken, denn nur Rechte können verwirkt werden. Wenn das Bauamt aufgrund einer baurechtlichen Ermächtigung gegen eine bauliche Anlage vorgeht, geschieht dies nicht aufgrund eines bestehenden Rechts, sondern aufgrund einer ihm auferlegten Pflicht gemäß der Bauordnung.

Rechte können verwirken, Pflichten verwirken nicht

Die Bauaufsichtsbehörden nehmen als Ordnungsbehörden Aufgaben der Gefahrenabwehr wahr. Die Pflicht zum Tätigwerden kann nicht einfach dadurch enden oder “verjähren”, dass sie längere Zeit nicht wahrgenommen wurde. Auch ein bewusstes Dulden einer baurechtlich illegalen Situation hindert die Behörde nicht daran, eines Tages einzuschreiten.

Aktive Duldung

Eine andere Situation ergibt sich jedoch, wenn die Behörde dem Betroffenen etwas ausdrücklich zugesichert hat. In diesem Fall kann das Vertrauen des Betroffenen geschützt werden. Eine solche “aktive Duldung” hat aber nichts mit Verwirkung zu tun.

Können Rechte des Nachbarn verwirken?

Im Gegensatz zu Bauaufsichtsbehörden besteht für Nachbarn keine Pflicht, Rechtsverstöße geltend zu machen, auch wenn sie selbst betroffen sind. Allerdings haben Nachbarn, die in ihren Rechten verletzt werden, einen Anspruch darauf, dass das Bauamt gegen die Anlage oder deren Nutzung einschreitet. Diesen Anspruch können sie geltend machen oder es bleibenlassen.

Ein solches Abwehrrecht ist ein “echtes” Recht, das verwirken kann. Dabei ist zu beachten, dass das Recht überhaupt besteht, da ein Recht, das nicht besteht, auch nicht verwirken kann. Ob ein solches Abwehrrecht besteht und ob es durch Verwirkung untergehen kann, ist eine Frage des Einzelfalls und wird in der Rechtsprechung und in der rechtswissenschaftlichen Literatur diskutiert.

Fazit

Die Verwirkung ist ein komplexes Thema im Öffentlichen Baurecht. Eingriffsbefugnisse des Bauamtes können nicht verwirken, da es sich um Pflichten handelt. Dagegen können Rechte des Nachbarn verwirken, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Verwirkung eines Rechts kein automatischer Prozess ist und nur in Ausnahmefällen eintritt.

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Wenn du weitere Informationen zu diesem Thema möchtest, findest du die entsprechende Rechtsprechung am Ende dieses Artikels.

Dr. Hubertus Schulte Beerbühl ist Richter am Verwaltungsgericht Münster a.D., freier Dozent für Baurecht und Autor von verschiedenen Lehrbüchern zum Öffentlichen Baurecht.