Begehrte Knete aus Böhmen

Begehrte Knete aus Böhmen

Die tschechische Knetmasse namens Semtex hat einen zweifelhaften Ruf als Terrorwaffe. Trotz Image-Kampagnen wird sie diesen Ruf einfach nicht los. Der Grund dafür liegt in den unverantwortlichen Exporten in fragwürdige Länder, wie der Forschungschef von Synthesia, Petr Mostak, leider feststellen muss.

Der Sündenfall der tschechischen Exportpolitik ereignete sich in den siebziger Jahren. Das damals stark devisenabhängige Land exportierte Semtex H, eine besonders starke Variante des Sprengstoffs, ursprünglich für Nordvietnam, nicht nur nach Belgien, Ungarn und in die DDR. Zwischen 1974 und 1981 landeten auch rund 1000 Tonnen in Libyen.

Muammar el-Gaddafi, der Revolutionsführer Libyens, soll Semtex H an palästinensische Radikale und die IRA verkauft haben. Mit Semtex H verursachten Terroristen 1989 den Absturz einer französischen DC-10 mit 171 Menschen an Bord. IRA-Kämpfer füllten Mörsergranaten, die 1991 im Londoner Regierungsviertel landeten und lediglich vier Passanten verletzten. Mörder sprengten im Juli 1992 den sizilianischen Mafia-Jäger Paolo Borsellino und fünf seiner Begleiter in die Luft.

Besonders tragisch war der Absturz der Pan-Am-Jumbo “Maid of the Seas” am 21. Dezember 1988. Rund 259 Passagiere und Besatzungsmitglieder sowie 11 Bewohner des schottischen Dorfes Lockerbie kamen dabei ums Leben.

Dieses Unglück führte zu umfangreichen Ermittlungen. Briten und Amerikaner identifizierten die libyschen Geheimdienst-Offiziere Amin Chalifa Fuheima und Abd el-Bassit Ali el-Mikrahi als Täter. Sie sollen den Sprengstoff in einem versteckten “Toshiba”-Radio an Bord geschmuggelt haben.

Eine Auslieferung der Täter scheint möglich zu sein. Anfang September wurde bekannt, dass sie sich einen schottischen Strafverteidiger genommen haben.

Wenn es tatsächlich zu einem Prozess kommt, wird auch Semtex H erneut angeklagt werden. Unmittelbar nach dem Anschlag sorgten die diplomatischen Proteste aus London für große Aufregung in Prag. Chemiker Brebera wurde zusammen mit anderen Experten nach London geschickt, um die Ermittler zu unterstützen. Für ihn war es die erste Auslandsreise seit dem Prager Frühling 1968, nach dem er aus der KPC ausgeschlossen worden war.

LESEN  Lufttrocknenden Ton bemalen: Die besten Methoden im Vergleich

Die tschechischen Ingenieure sprechen heute von der Zeit “vor” und “nach Lockerbie”. Während der kommunistischen Ära arbeiteten die Tschechen gemeinsam mit Großbritannien an einem internationalen Abkommen zur chemischen Markierung von plastischen Sprengstoffen. 1991 wurde diese Konvention in Montreal unterzeichnet.

Aber auch mit dieser Vereinbarung hat Semtex nichts von seiner furchteinflößenden Wirkung verloren. Empfindliche Elektronik an Flughafensicherheitsschleusen kann leicht umgangen werden, wenn der Sprengstoff luftdicht in einem Plastikbeutel verpackt ist. Ein deutscher Fachchemiker berichtet, dass keines der von ihm getesteten Sprengstoff-Spürgeräte das gehalten hat, was die Hersteller versprochen haben.

Ein weiteres Problem für forensische Chemiker ist die Schwierigkeit, aus den Explosionsrückständen mit letzter Sicherheit festzustellen, ob Semtex oder ein vergleichbarer Sprengstoff verwendet wurde. Dies erschwert die Suche nach den Urhebern von Terroranschlägen.

In SemtIn, dem Zentrum der Semtex-Produktion, wird an Möglichkeiten zur Identifizierung des Sprengstoffs geforscht. Die Forschung ist jedoch noch nicht weit genug fortgeschritten. Ironisch fügt der Techniker hinzu, dass es der Polizei gelegen käme, wenn der Sprengstoff bei einer Explosion sagen würde: “Ich komme aus Pardubice!”

Semtex bleibt also ein begehrter Stoff und wird weiterhin seinen Weg zu Terroristen finden. Ende Oktober wurde der Diebstahl von mehr als 900 Kilogramm Semtex aus einem Sprengstoffunternehmen in Zilina, Slowakei, entdeckt. Auch die tschechische Polizei hat in den letzten Monaten immer wieder neue Semtex-Chargen beschlagnahmt, die nach Deutschland geschmuggelt werden sollten. Auf dem Schwarzmarkt dort werden bis zu 5000 Mark pro Kilogramm bezahlt.

Bei solchen Fantasiepreisen können viele schlecht bezahlte Sprengmeister kaum widerstehen, insbesondere da Hunderte von Minen und Steinbrüchen in Tschechien kaum kontrolliert werden können. Major Petr Dvorak von der Kriminalpolizei Südmähren seufzt und erklärt, dass man nur ahnen könne, wie viel Semtex in den letzten Jahren verschwunden sei. Es seien sicherlich “Hunderte von Kilos”.

LESEN  Was bedeuten “Ich liebe dich” und das Herz-Emoji auf WhatsApp?

In der Fabrik Synthesia bei Pardubice, Böhmen.