Behandlungsmöglichkeiten für Hämophilie

Behandlungsmöglichkeiten für Hämophilie

Hämophilie ist eine Bluterkrankung, die je nach Art und Schweregrad individuell behandelt werden muss. Der behandelnde Arzt stellt für jeden Patienten einen passenden Therapieplan auf.

Faktorkonzentrate

Die wichtigste Form der Hämophilie-Behandlung besteht darin, den fehlenden Gerinnungsfaktor durch sogenannte Faktorkonzentrate zu ersetzen (Substitutionstherapie). Diese Konzentrate werden entweder aus Blutplasma gewonnen oder gentechnisch hergestellt. Bei Hämophilie A wird der Blutgerinnungsfaktor VIII ersetzt, während bei Hämophilie B der Faktor IX eingesetzt wird.

Die Faktorkonzentrate müssen intravenös verabreicht werden. Viele Betroffene erlernen jedoch die Selbstinjektion, um trotz der Erkrankung unabhängig zu bleiben.

Bei leichter Hämophilie wird das Faktorkonzentrat nur bei Bedarf (Bedarfsbehandlung) verabreicht, beispielsweise bei stärkeren Blutungen oder vor Operationen. Kleinere Verletzungen wie Schürfwunden benötigen in der Regel keine Behandlung mit Faktorkonzentrat und können durch leichten Druck gestoppt werden.

Menschen mit mittelschwerer bis schwerer Hämophilie müssen hingegen regelmäßig Präparate mit dem fehlenden Gerinnungsfaktor spritzen (Dauerbehandlung). Die Häufigkeit richtet sich nach dem jeweiligen Präparat, der Aktivität des Patienten und seiner individuellen Blutungsneigung.

Es besteht die Möglichkeit einer Komplikation bei der Behandlung mit Faktorkonzentraten, der sogenannten Hemmkörper-Hämophilie. Dabei bilden manche Menschen Antikörper, die die zugesetzten Gerinnungsfaktoren inaktivieren, wodurch die Therapie weniger wirksam ist. Diese Komplikation tritt bei Hämophilie A häufiger auf als bei Hämophilie B.

In Deutschland infizierten sich in den 1960er und 1970er Jahren viele Menschen mit Hepatitis-Viren und/oder HIV durch verunreinigte Faktorenpräparate. Heutzutage wird das Blutplasma streng kontrolliert und vorbehandelt, sodass eine Ansteckungsgefahr praktisch ausgeschlossen ist. Bei gentechnisch hergestellten Faktorenkonzentraten besteht generell keine Ansteckungsgefahr.

Desmopressin

Bei leichter Hämophilie A genügt oft eine bedarfsweise Verabreichung von Desmopression (DDAVP), beispielsweise bei leichten Blutungen. Desmopressin ist ein künstlich hergestelltes Eiweiß, das vom körpereigenen Hormon Vasopressin abgeleitet ist.

LESEN  Nordic Walking: Tipps und Tricks für den perfekten Technik

Desmopressin löst die Freisetzung der im Endothel gespeicherten Gerinnungsfaktoren aus, nämlich des Faktors VIII und seines Trägerproteins, des von-Willebrand-Faktors (vWF). Da diese Speicher begrenzt sind, kann Desmopressin nur für wenige Tage verabreicht werden.

Als Nebenwirkung der DDAVP-Therapie kann es zu einer Wasservergiftung (Wasserintoxikation) kommen, da Desmopressin Wasser im Körper zurückhält und somit die Menge an Urin verringert. Dadurch können die Elektrolyte im Blut aus dem Gleichgewicht geraten und beispielsweise Krampfanfälle verursachen.

Antikörpertherapie

Für Hämophilie A besteht eine weitere Therapiemöglichkeit, nämlich die regelmäßige Gabe eines künstlich hergestellten Antikörpers namens Emicizumab. Dieser bindet sowohl an die Gerinnungsfaktoren IXa und X als auch an den normalerweise fehlenden Gerinnungsfaktor VIII. Dadurch übernimmt Emicizumab die Rolle des fehlenden Faktors in der Gerinnungskaskade und kann Blutungen vorbeugen.

Emicizumab kann einmal pro Woche, alle zwei oder vier Wochen unter die Haut (subkutan) gespritzt werden.

Gentherapie

Seit 2022 ist in der Europäischen Union das erste Gentherapeutikum für Erwachsene mit schwerer Hämophilie A zugelassen (Valoctocogene Roxaparvovec). Diese Therapie kann Blutungen verhindern oder verringern.

Bei der Gentherapie wird der genetische Bauplan für den fehlenden Gerinnungsfaktor VIII über eine Infusion in den Körper des Patienten eingeschleust. Dabei wird ein verändertes Virus (Adeno-assoziiertes Virus, AAV) als Transportmittel verwendet, das sich im menschlichen Körper nicht vermehren kann. Das Virus transportiert das Gen für Faktor VIII in einige Leberzellen, wo es abgelesen und somit produziert werden kann.

Die Behandlungsmöglichkeiten für Hämophilie haben sich im Laufe der Jahre stark weiterentwickelt. Heutzutage gibt es verschiedene Ansätze, um die Bluterkrankung zu behandeln und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Es ist wichtig, dass jeder Patient gemeinsam mit seinem behandelnden Arzt den für ihn passenden Therapieplan findet.

LESEN  12 Überraschende Gründe, warum Hunde beim Streicheln schmatzen