Du lernst jemanden kennen, der dir extrem gut gefällt. Und am Anfang scheint auch alles wunderbar. Und dann kommt dieser Moment, in dem du spürst: Es geht nicht. Denn die Liebe, die du so lange gesucht hast, macht dir plötzlich Angst. Und so toll und einfühlsam dein Gegenüber auch sein mag: Kommt es dir näher und zeigt dir seine Gefühle, kennst du nur noch eins: Flucht, Panik, weg hier. Und genau das passiert dir jedes Mal, sobald ein Mensch in dein Leben tritt und dir nah kommt.
Was bedeutet es, emotional nicht verfügbar zu sein?
Dabei gleicht dein Terminkalender eher dem eines Managers. Ein Date hier, ein nächstes da und dabei alles doch immer nur vage und unverbindlich. So bleibt alles leicht und du hast deine Gefühlswelt im Griff. Nach außen merkt man emotional nicht verfügbaren Menschen meist gar nichts an. Sie gehen aus, genießen die Gesellschaft anderer und können die größten Partylöwen sein. Aber eben immer mit einem gewissen Abstand. Denn die Besonderheit dieser Menschen zeigt sich erst, wenn man ihren Schutzwall zu durchbrechen droht und ihnen näher kommt. Wenn du nämlich einen potenziellen Beziehungskandidaten triffst, bleibst du dennoch immer auf Distanz, nuckelst am Strohhalm deines Mojitos und denkst dir gleichzeitig: Das ist das erste und letzte Treffen in dieser Konstellation. Weil du danach wieder abtauchst, ehe es komplizierter und verbindlicher werden könnte. Gerade, wer dir näher kommen könnte, prallt an deiner Schutzwand ab.
Was steckt hinter der Beziehungs-Angst?
Das Absurde: Die Person selbst, die einem den Mojito bestellt hat, kann noch so toll sein. Es ändert nichts. Sie ist nicht mal involviert in die ganze Sache, wenn man es genau nehmen möchte. Schuld sind vielmehr die anderen Dates in der Vergangenheit eines emotional nicht verfügbaren Menschen wie dir. Die, in denen du nicht mit angezogener Handbremse gefahren bist. In denen du deinen Gefühlen getraut hast, dich eingelassen, fallen gelassen hast – und damit furchtbar auf die Schnauze gefallen bist.
Wer schlimme Schrammen und Verletzungen aus seinen letzten Liebesbeziehungen davongetragen hat, wird nicht selten zum Fluchttier. Denn mit jeder neuen Liebe kommen die alten Erinnerungen wieder zurück. Und die beste Lösung in dem Moment erscheint so simpel und hilfreich: Wer mir nicht zu nahe kommt, kann mir nicht weh tun. Doch wie sagt man seiner neuen Bekanntschaft, dass man „emotional nicht verfügbar“ ist? „He, ich habe Angst vor Gefühlen? Gerade WEIL ich dich sehr mag, bin ich dann mal wieder weg?”
Wie fühlen sich emotional nicht verfügbare Menschen?
Kein Wunder, dass man sich selbst irgendwann komplett irre vorkommt. Man weiß ja, warum man so ist, wie man ist. Aber alle klugen, einsichtigen Gedanken helfen leider nicht, wenn die große Angst kommt. Da wird man sofort zum Hasen, unlogisch und panisch. Wie gerne würde man den Moment genießen, wenn einem jemand seine Liebe gesteht, sich öffnet und die Nähe sucht. Stattdessen wird das „Ich liebe dich“ des anderen zum Startschuss zur Flucht. Zumindest innerlich macht dieser Satz emotional nicht verfügbaren Menschen Angst. Viele bindungsängstliche Männer und Frauen nutzen dann die Taktik, die unlängst den Namen „Gosthing“ bekommen hat. Sie verschwinden von heute auf morgen, melden sich nicht mehr, reagieren auf keine Kontaktaufnahme mehr. So muss man nichts erklären und kommt nicht in die Bedrängnis, doch noch schwach zu werden.
Gibt es Hoffnung, einen emotional nicht verfügbaren Menschen zu ändern?
Wer der Partner oder die Partnerin eines emotional nicht verfügbaren Menschen ist, sollte eins tunlichst vermeiden: Bloß keinen Druck ausüben oder ihn zu irgendwas überreden. Die meisten Bindungspaniker wissen sehr genau, wo ihr Problem liegt. Und nur wer ihnen Zeit gibt und Freiraum, wird dauerhaft in ihrer Nähe bleiben können. Aber: Das erfordert viel Geduld und Feingefühl auf beiden Seiten. Denn natürlich muss der andere damit klarkommen, immer wieder vor den Kopf gestoßen zu werden. Und diese ständige „Komm mir emotional nicht zu nah“ kann sehr zermürbend sein.
Aber ebenso wie klar sein sollte, dass emotional nicht verfügbare Menschen keine Phobiker oder krankhafte Narzissten sind, so sollte jedem auch klar sein, dass es zumindest ein wenig Hoffnung gibt. Zwar wird niemand sie durch seine Liebe bindungsfähig zaubern. Das geht letztlich nur, wenn die Person selbst bereit ist, aus ihrem Schneckenhaus zu kommen. Wenn beide sich jedoch auf die schwierige Beziehungsarbeit einlassen und offen über die „Unverfügbarkeit“ sprechen, kann sich etwas zum Positiven verändern.
Was können emotional nicht verfügbare Menschen selbst tun?
Letztlich geht es nicht ohne die Protagonisten selbst: Nur die bindungsängstlichen Menschen selbst können an der Situation etwas ändern. Sie müssen die alten Geschichten, die sie so verletzt haben, verarbeiten. Müssen akzeptieren, dass die Liebe auch einen Alltag hat, in dem eben nicht alles wie in einem Hollywoodstreifen aussieht. Dass niemand perfekt ist, weder man selbst, noch der andere. Dass emotionale Beziehungen aber trotz – oder gerade wegen all diesen Unzulänglichkeiten, genau wegen dem, was nicht perfekt ist, auch so grandios ist.
Dazu gehört in erster Linie, sich seines Problems bewusst zu werden, die Gründe und Mechanismen zu erkennen und dann daran zu arbeiten, alte Beziehungsmuster und Fluchtstrategien behutsam zu ändern. Das Ziel: Irgendwann wieder Emotionen zuzulassen und emotionale Beziehungen eingehen zu können. Dabei kann durchaus auch eine Therapie helfen. Wer sich scheut, sollte sich Fachliteratur besorgen, ein Emotions-Tagebuch führen oder sich mit anderen Betroffenen austauschen. Egal wie: Wer das Problem angeht, kann zumindest emotional verfügbarer werden als vorher.
Natürlich tickt jeder anders in Sachen Gefühlen und hat andere Grenzen für sich. Dieser Artikel dient deshalb auch nur der Information und kann die Diagnose eines Therapeuten nicht ersetzen. Bei ernsthaften Problemen lasst euch helfen. Eure Psyche sollte es euch wert sein.