Billigküchen vom Markenhersteller: Die Geheimnisse der Möbelindustrie

Billigküchen vom Markenhersteller: Die Geheimnisse der Möbelindustrie

Bist du auch manchmal genervt, wenn du in den Anzeigenblättern der Tageszeitungen günstige Küchenangebote entdeckst? Für nur 1999 Euro erhält man eine Küche mit allen Geräten, grifflosen Schränken, gedämpftem Einzug und Hochglanz-Lackfront. Aber warum haben einige von uns vor Kurzem noch das Vielfache in einem Küchenstudio bezahlt?

Es stellt sich heraus, dass die Möbeldiscounter wie Roller, Poco oder Boss ihre Möbel nicht von chinesischen Billigschreinern beziehen. Sie kaufen sie tatsächlich von deutschen Markenherstellern wie Nobilia. Und das Material ist oft dasselbe wie bei den teureren Varianten.

Laut Brancheninsidern wurden die günstigeren Preisklassen in letzter Zeit deutlich aufgewertet. Scharniere beispielsweise sind sowohl in Billigküchen als auch in Luxusküchen häufig identisch. Natürlich gibt es immer noch Unterschiede, zum Beispiel in der Beratung, bei der Individualisierung, der Kantenausführung und der Qualität der Elektrogeräte.

Um die Käufer teurer Markenküchen nicht zu verprellen, müssen die Hersteller jedoch einiges tun. Sie setzen vor allem auf Technik, um sich abzuheben.

Ergonomie als Schlüssel

Ein entscheidendes Stichwort in diesem Zusammenhang ist Ergonomie. Ein Mittelständler namens Sachsenküchen hat letztes Jahr Ergomatic vorgestellt. Dieses Sockelsystem ermöglicht es durch Knopfdruck, die Arbeitshöhe einer Kücheneinheit um bis zu 20 Zentimeter zu verändern.

Geschäftsführer Elko Beeg wirbt dafür: “Damit findet jede Person zwischen 1,60 und 2,00 Metern die jeweils optimale Arbeitshöhe.” Die ideale Höhe liegt laut den Arbeitswissenschaftlern der Technischen Universität Darmstadt 10 bis 15 Zentimeter unterhalb der Ellenbogenhöhe des Kochs. Sachsenküchen hat mit diesem System den renommierten Innovationspreis “Plus x Award” gewonnen.

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Diese Idee hat bereits im Büro Einzug gehalten und wird jetzt auch in der Küchenwelt immer beliebter. Laut einer Studie des Verbandes der Betriebskrankenkassen haben 70 Prozent der Deutschen Rückenprobleme. Sogar eine Körperneigung von 20 Grad aus der Senkrechten führt bereits zu Verspannungen und Rückenschmerzen.

In Skandinavien sind es bereits rund 90 Prozent, die auf höhenverstellbare Arbeitstische setzen. Das dänische Unternehmen Linak, das als Marktführer für diese Tische und Krankenhausbetten gilt, hat gemeinsam mit Sachsenküchen Ergomatic entwickelt.

Andere Hersteller wie Almilmö, Zeyko, Ballerina, Team7 und der Branchenriese Alno werten ihre Produkte ebenfalls mit mehr Technik auf. Unter der Marke Tielsa bringt Alno eine verstellbare Kochinsel auf den Markt. Die Küche wird zum Mittelpunkt und passt sich den individuellen Lebensumständen an.

Kochen kann jetzt sogar im Sitzen entspannt sein. “Funktion ist derzeit ein großer Trend”, sagt Lucas Heumann, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Küchenmöbelindustrie. Es hat große Innovationssprünge gegeben und die Technik ist mittlerweile bezahlbar. Experten schätzen, dass eine höhenverstellbare Küche einen Aufpreis von 2.000 bis 4.000 Euro hat.

Einige zögern noch

Allerdings sind noch nicht alle Hersteller überzeugt. Schüller, zum Beispiel, einer der führenden deutschen Küchenproduzenten mit einer Jahresproduktion von über 100.000 Küchen, bleibt vorerst zurückhaltend. “Mechanik ist nicht unsere Kernkompetenz, daher warten wir erst einmal ab und beobachten, wie sich der Markt entwickelt”, sagt Geschäftsführer Markus Schüller, dessen Unternehmen sich durch eine besondere Wertschöpfungstiefe auszeichnet.

Aber auch Schüller schließt nicht aus, dass auch er in Zukunft höhenverstellbare Schränke und Küchenblöcke anbieten wird. Das wäre im Einklang mit Linak und deutschen Konkurrenten wie Kesseböhmer oder Häfele. Christian Renner, der Marketingchef der Deutschland-Niederlassung von Linak, gibt sich zuversichtlich und rechnet mit einem Marktanteil von zwei bis drei Prozent für das elektronisch verstellbare Küchen-Sockelsystem.

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Die Küche hat einen besonderen Stellenwert und ist mittlerweile zum Statussymbol geworden. Untersuchungen zeigen regelmäßig, dass die Deutschen eine besondere Beziehung zu ihrer Küche haben. Laut Umfragen ist die Küche für jeden dritten Verbraucher der beliebteste Raum im Haus.

“In einer Küche wird längst nicht mehr nur gekocht, sie ist vielmehr ein Wohn- und Lebensraum”, sagt Frank Hüther, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche. Daher spielt auch die repräsentative Funktion eine immer wichtigere Rolle. Die Küche ist zum Statussymbol geworden. Nur das Auto hat noch einen höheren Stellenwert für die Menschen.

Mehr als nur Kochen

Für das Jahr 2022 sind sowohl die Industrie als auch der Handel optimistisch, was die gesamte Möbelbranche betrifft, insbesondere aber den Küchenabsatz. “Die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen stimmen, daher erwarten wir ein gutes Jahr”, sagt Markus Schüller. Für sein Familienunternehmen erwartet er ein Wachstum von über vier Prozent.

Auch die Branche insgesamt ist optimistisch. “Die Zahl der Baugenehmigungen steigt, und jedes neue Haus braucht eine Küche”, sagt VDM-Präsident Elmar Duffner. Es gibt außerdem einen riesigen Investitionsstau. “Zehn Millionen Küchen sind bereits älter als 15 Jahre”, sagt der ehemalige Manager von Alno und Poggenpohl.

Besonders im Bereich der Geräte gibt es einen Nachholbedarf. Denn die alten Backöfen haben viel schlechtere Energie- und Umweltstandards als heutige Modelle. “Der Fortschritt in der Technik ist enorm”, sagt Klaus Wührl, der Deutschland-Geschäftsführer des Geräteherstellers Electrolux. Er schlägt eine Abwrackprämie für alte Elektrogeräte vor, was im Hinblick auf die Energiewende effektiver ist als die Förderung von Photovoltaikanlagen.

Bei AEG, einem Hersteller von Backöfen und Kochfeldern, die jährlich insgesamt rund zwei Millionen Stück produzieren, geht der Trend klar zu hochwertigeren Geräten. Induktion anstelle von Ceranfeld und Backöfen mit Dampfgarer-Funktion sind gefragt.

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Der Teufel steckt im Detail

Zu guter Letzt gibt es noch den Unterschied zwischen günstigen und teuren Arbeitsplatten. Der Hersteller Lechner in Rothenburg stellt beispielsweise jede Woche 15.000 Arbeitsplatten her. Die meisten davon sind Standardware aus Resopal.

Allerdings steigt der Anteil hochwertiger Platten kontinuierlich. Bei Lechner haben Glasflächen bereits einen Anteil von 15 Prozent, und sie kosten das Siebenfache einer Resopal-Platte.

Kunden fragen immer öfter nach Keramik, Quarzstein oder Mineralwerkstoff. Lechner hat deshalb eine neue Produktionshalle gebaut, um diesen Trend gerecht zu werden.

Die Möbelindustrie ist ein spannender Bereich, der ständig wächst und sich verändert. Die Technik spielt eine immer wichtigere Rolle und ermöglicht uns, die Küche als Mittelpunkt unseres Wohnraums voll auszuschöpfen. Es ist erstaunlich, wie viel Innovation in diesen kleinen Räumen steckt, in denen wir nicht nur kochen, sondern auch leben und unsere Persönlichkeit ausdrücken.