In der Türkei ist der Automarkt trotz wirtschaftlicher und finanzieller Krisen heiß gelaufen. Angesichts hoher Inflation suchen viele Menschen nach neuen Möglichkeiten der Geldanlage, wodurch Autos zum Spekulationsobjekt werden.
Ungeduldige Käufer in den Autohäusern
Besuchen wir das Autohaus von Murat Aksoy im Istanbuler Stadtteil BostancI. Hier werden Autos der gehobenen Preisklasse verkauft. Aksoy ist mit den aktuellen Verkäufen zufrieden und berichtet von einem boomenden Geschäft. In der aktuellen wirtschaftlichen Lage betrachten die Kunden das Auto als Investition, ähnlich wie Gold oder Devisen. Die hohe Nachfrage führt jedoch zu einem Problem: Viele Modelle benötigen derzeit drei bis sechs Monate, um importiert und an den Kunden geliefert zu werden. Die Käufer sind jedoch oft ungeduldig und möchten sofort zuschlagen. Davon profitieren dann die Gebrauchtwagenhändler.
“Wir kaufen und verkaufen teuer”
Auch bei inländischen Modellen läuft es gut: Alper Kanca, ein erfahrener Auto-Profi, erklärt den Boom. Zum einen produziert die türkische Autoindustrie derzeit sehr viele Fahrzeuge, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden. Und zum anderen haben die Menschen erkannt, dass sie ihr Geld weniger verlieren, je früher sie ein Auto kaufen. Kanca sagt: “Wir kaufen teuer und verkaufen teuer”. Diese Aussage wird von einem Neuwagenkunden im Autogeschäft bestätigt.
Verunsicherte Verbraucher
Aufgrund der Geldentwertung und der hohen Inflation greifen viele Türken auf ihre Bargeldreserven zurück. Die Steuererhöhung Anfang Juli trägt zur Verunsicherung bei. Der Steuersatz für Waren und Dienstleistungen beträgt mittlerweile 20 Prozent. Die türkische Lira hat innerhalb eines Jahres fast 70 Prozent an Wert verloren. Offiziell beträgt die Inflation 38 Prozent, nach Schätzungen von Experten liegt sie jedoch bei 108 Prozent. Aus diesen Gründen investieren viele Türken in Sachwerte, und Autos stehen dabei hoch im Kurs. Vor allem Barzahlungen sind beliebt, da Kredite in der Wirtschaftskrise schwer zu bekommen sind und die Zinsen deutlich über dem Leitzins von 15 Prozent liegen.
Luxussteuer verteuert Neuwagen
Autos in der Türkei sind wesentlich teurer als in Deutschland. Eine Luxussteuer, die vor zwei Jahren eingeführt wurde, trägt zu den hohen Preisen bei. Diese Steuer gilt auch für Neuwagen und richtet sich nach dem Hubraum des Motors. Sie kann bis zu 50 Prozent des Kaufpreises betragen und macht vor allem große Autos aus dem Ausland deutlich teurer. Trotzdem erleben Autohersteller derzeit goldene Zeiten, da die Menschen kaufen wollen und die Hersteller die Preise entsprechend anheben können.
Überhitzter Gebrauchtwagen-Markt
Nicht nur Neuwagen sind begehrt, sondern Türken kaufen seit einiger Zeit Autos aller Art und verkaufen sie mit großem Gewinn weiter. Das Auto wird zum Anlage- und Spekulationsobjekt, was zu einer immer weiter steigenden Preisspirale führt. Der Markt ist mittlerweile so überhitzt, dass ein Gesetz erlassen wurde, das den Preis von Gebrauchtwagen über dem von Neuwagen verbietet. Bei Verstößen drohen Geldstrafen von bis zu 300.000 Lira, etwa 10.000 Euro. Diese Regelung gilt seit dem 15. Juli.
Fazit
Der Automarkt in der Türkei boomt trotz wirtschaftlicher Herausforderungen. Viele Menschen sehen in Autos eine Möglichkeit, sich vor Inflation zu schützen und ihr Geld anzulegen. Die hohe Nachfrage führt zu längeren Wartezeiten bei Neuwagen und steigenden Preisen. Selbst Gebrauchtwagen erfreuen sich großer Beliebtheit und werden häufig mit Gewinn weiterverkauft. Trotz der Luxussteuer und der überhitzten Marktbedingungen erleben Autohersteller derzeit eine positive Entwicklung.
