Mathematik kann für viele ein Graus sein, aber auch in der Fahrschule kommt man nicht umfangreichen Berechnungen herum. Eine der wichtigsten Berechnungen betrifft die Bestimmung der Bremsweglänge bei verschiedenen Geschwindigkeiten.
Der Bremsweg ist deshalb wichtig, weil er auch als Richtlinie für den Mindestabstand zwischen Fahrzeugen dient. Die Unterschreitung des Mindestabstands kann nicht nur zu hohen Bußgeldern, Punkten und Fahrverboten führen, sondern stellt auch eine der Hauptursachen für Unfälle dar.
Aber welchen Abstand müssen Sie bei welcher Geschwindigkeit einhalten? Unterscheidet sich der Bremsweg zwischen Autos, Motorrädern und anderen Fahrzeugen? Wovon hängt er ab und mit welcher Formel lässt er sich berechnen?
Welche Strecke umfasst der Bremsweg?
Der Bremsweg ist die Strecke, die ein Fahrzeug ab dem Zeitpunkt der Bremsung zurücklegt, bis es vollständig zum Stillstand kommt. Er beginnt erst, wenn das Bremspedal betätigt wird. Es gibt noch zwei weitere Begriffe, die in diesem Zusammenhang auftauchen: Der Reaktions- und der Anhalteweg.
Der Reaktionsweg beschreibt den Zeitraum, den der Fahrer benötigt, um auf ein Hindernis zu reagieren und das Bremspedal zu betätigen. Während dieser Phase legt das Fahrzeug je nach Geschwindigkeit ebenfalls eine gewisse Strecke zurück.
Hieraus ergibt sich Folgendes:
- Die für die reine Bremsung benötigte Strecke ist kürzer als der tatsächliche Anhalteweg und dient daher nur als Orientierung für den Mindestabstand.
- Der Reaktionsweg wird beim Bremsweg nicht berücksichtigt und ist nur für den gesamten Anhalteweg relevant.
Aber wie genau berechnet man den Bremsweg? Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die allgemeine Faustregel für den Bremsweg und betrachten anschließend auch den Einfluss verschiedener Umstände.
Bremswegberechnung – Formel anschaulich erklärt
In diesem Youtube-Video können Sie sehen, wie lang der Bremsweg ist und wie er berechnet wird:
Bremsweg beim Auto: Formel für die Berechnung
Beim Bremsweg muss zunächst zwischen der normalen Bremsung und der Notbremsung unterschieden werden. Letztere wird umgangssprachlich auch als Vollbremsung bezeichnet. Dabei tritt man das Bremspedal bis zum Anschlag durch, um so schnell wie möglich anzuhalten und eine Kollision zu vermeiden. Dies kann beispielsweise bei einem plötzlich auftauchenden Wildtier auf der Fahrbahn erforderlich sein.
Mit den folgenden Formeln kann der Bremsweg berechnet werden. Hier sind einige Beispiele zur Veranschaulichung:
Wie lang ist der Bremsweg bei 30 km/h?
- Normale Bremsung ≈ (30 ÷ 10) x (30 ÷ 10) = 9 Meter
- Notbremsung ≈ [(30 ÷ 10) x (30 ÷ 10)] ÷ 2 = 4,5 Meter
Wenn also in einer 30er Zone plötzlich ein Kind vor Ihrem Auto auftaucht, das sich zwischen den geparkten Autos auf die Straße begibt, müssen Sie bei einer Vollbremsung mit einem Bremsweg von etwa 4,5 Metern rechnen.
Wie lang ist der Bremsweg bei 50 km/h?
- Normale Bremsung ≈ (50 ÷ 10) x (50 ÷ 10) = 25 Meter
- Notbremsung ≈ [(50 ÷ 10) x (50 ÷ 10)] ÷ 2 = 12,5 Meter
Im innerstädtischen Verkehr ist ein Bremsweg von etwa 25 Metern in der Regel zu erwarten, da hier oft ein Tempolimit von 50 km/h gilt.
Wie lang ist der Bremsweg bei 60 km/h?
- Normale Bremsung ≈ (60 ÷ 10) x (60 ÷ 10) = 36 Meter
- Notbremsung ≈ [(60 ÷ 10) x (60 ÷ 10)] ÷ 2 = 18 Meter
Vergleichen wir diese Werte mit dem ersten Beispiel: Bei 30 km/h betrug die Bremsstrecke 9 bzw. 4,5 Meter. Bei 60 km/h ist der berechnete Bremsweg viermal so lang. Das bedeutet, dass eine Verdopplung der Geschwindigkeit den Bremsweg nicht einfach verdoppelt, sondern vervierfacht.
Wie lang ist der Bremsweg bei 100 km/h?
- Normale Bremsung ≈ (100 ÷ 10) x (100 ÷ 10) = 100 Meter
- Notbremsung ≈ [(100 ÷ 10) x (100 ÷ 10)] ÷ 2 = 50 Meter
Auf der Landstraße, auf der Sie 100 km/h fahren dürfen, beträgt der reine Bremsweg je nach Intensität der Bremsung etwa 50 bis 100 Meter. Auch hier ist der Bremsweg bei 100 km/h im Vergleich zu 50 km/h viermal so lang.
Bremswegtabelle
In der folgenden Tabelle finden Sie die rechnerisch ermittelten Bremswege bei verschiedenen Geschwindigkeiten:
Gefahrene Geschwindigkeit | Einfache Bremsung in Metern | Notbremsung in Metern |
---|---|---|
10 km/h | 10,5 m | 20,4 m |
30 km/h | 9 m | 4,5 m |
50 km/h | 25 m | 12,5 m |
80 km/h | 50 m | 25 m |
100 km/h | 100 m | 50 m |
Diese Werte zeigen, dass der Bremsweg bei höheren Geschwindigkeiten deutlich länger ist. Es ist jedoch zu beachten, dass diese Werte nur unter idealen Bedingungen wie trockener Fahrbahn und optimalen Reifen gelten. Es gibt auch weitere Faktoren, die den Bremsweg beeinflussen können.
Wovon hängt der Bremsweg ab?
Es gibt zahlreiche Aspekte, die den Bremsweg beeinflussen können. Aus diesem Grund können die oben genannten berechneten Werte nur als grobe Orientierung dienen. Die tatsächlich benötigte Bremsstrecke hängt von vielen Faktoren ab. Hier sind einige der wichtigsten Aspekte:
Gefahrene Geschwindigkeit
Wie bereits aus den Beispielen ersichtlich ist, hat vor allem die Geschwindigkeit des Fahrzeugs Auswirkungen auf den ungefähren Bremsweg. Allgemein gilt: Je schneller ein Fahrzeug unterwegs ist, desto länger ist auch der Bremsweg.
Straßenbeschaffenheit
Wichtig für den Bremsvorgang ist nicht nur die Reibung zwischen den Bremsbelägen und der Bremsscheibe, sondern vor allem die Haftung der Reifen auf der Straße. Je größer die Reibung ist, desto kürzer ist der Bremsweg. Bei glatten Straßenbelägen wie Eis, Schnee oder Nässe kann sich die Haftung verringern, was zu einem längeren Bremsweg führt.
Fahrzeugbeschaffenheit
Der Zustand des Fahrzeugs spielt ebenfalls eine Rolle: Sind die Bremsen gut gewartet? Wie hoch ist die Bremsleistung insgesamt? Haben die Reifen noch ausreichend Profil, um eine gute Straßenhaftung zu gewährleisten? Ist genügend Bremsflüssigkeit vorhanden, um das Bremspedal schnell zu betätigen?
Fahrzeuggewicht
Auch das Gewicht des Fahrzeugs beeinflusst grundsätzlich den Bremsweg. Ein Lkw benötigt in der Regel eine längere Strecke zum Bremsen als ein Pkw.
Haftreibungspunkte
Die Anzahl der Reifen hat ebenfalls Einfluss auf den Bremsweg. Je mehr Reifen mit der Straße in Kontakt stehen, desto größer ist die Haftung insgesamt. Fahrzeuge mit nur zwei Rädern wie Motorräder haben eine geringere Haftfläche als Pkw. Auf der anderen Seite haben Lastkraftwagen mehr Reifen, um das höhere Gewicht auszugleichen.
Der Bremsweg in der Physik
Die oben genannte Faustregel gilt nur unter idealen Bedingungen. Um den Bremsweg genauer zu berechnen, müssen weitere Faktoren wie Straßenbeschaffenheit, Fahrzeuggewicht und die Anzahl der Reifen berücksichtigt werden. Solche Berechnungen gehören jedoch in den Bereich der Physik. Für den Führerscheinerwerb reicht die einfache Faustregel für den Bremsweg aus.
Der Bremsweg ist nicht gleich Mindestabstand
Der Bremsweg steht in Verbindung mit den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabständen, aber die beiden Werte sind nicht deckungsgleich. Für den Mindestabstand gelten zwei verschiedene Richtwerte:
- Innerorts ≈ 15 Meter oder drei Fahrzeuglängen
- Außerorts ≈ “halber Tacho” (z.B. bei 100 km/h = 50 Meter)
Diese Faustregel lässt sich nicht einfach auf den Bremsweg übertragen, wie bereits aus den oben genannten Berechnungen ersichtlich. Der Mindestabstand kann nur bis zu einer Geschwindigkeit von 100 km/h den Bremsweg bei Notbremsungen abdecken.
Allerdings muss auch die Reaktionszeit berücksichtigt werden, sodass der tatsächliche Anhalteweg länger ist. Bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h beträgt der Reaktionsweg etwa 30 Meter. Der Anhalteweg beträgt also insgesamt mindestens 80 Meter, sodass der Mindestabstand nicht ausreicht, um einen Auffahrunfall zu verhindern.
Bei höheren Geschwindigkeiten reicht der Mindestabstand nicht einmal mehr aus, um den Bremsweg bei einer Notbremsung abzudecken. Bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h entspräche die zurückgelegte Strecke bei einer Vollbremsung etwa dem auf dem Tacho angezeigten Wert.
Bremsweg bei anderen Fahrzeugen
Im Jahr 2015 hat der ADAC die Bremsleistung verschiedener Fahrzeugklassen getestet, darunter auch Motorräder, Lastkraftwagen und Wohnmobile. Dabei wurde der Bremsweg bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 80 km/h unter idealen Bedingungen getestet. Das Ergebnis führte zu folgender Rangfolge:
- Pkw (23,5 Meter)
- Pkw mit Wohnanhänger (25,2 Meter)
- Motorrad (25,3 Meter)
- Sprinter (28 Meter)
- Wohnmobil (29,8 Meter)
- Lkw mit 40 Tonnen (36,2 Meter)
Dieser Test zeigt, dass der Bremsweg beim Motorrad im Vergleich zum Auto länger ist. Obwohl Motorräder ein geringeres Gewicht haben als Autos, besitzen sie auch nur zwei Reifen und meist weniger leistungsstarke Bremsen. Dadurch ist die Haftung insgesamt geringer, was zu einem längeren Bremsweg führt.
Der Bremsweg verlängert sich auch, wenn ein Anhänger an das Auto angehängt wird. Das zusätzliche Gewicht hat Auswirkungen auf den Bremsweg. Bei ungebremsten Anhängern wirkt zudem der von hinten auf das Zugfahrzeug wirkende Schub der Bremswirkung entgegen, sodass auch hier Einschränkungen zu erwarten sind.
Der Bremsweg bei einem 40-Tonner ist zwar etwa 50 % länger als bei einem leistungsstarken Pkw, aber das 11-fache Gewicht kann durch die zusätzlichen Reifen kompensiert werden. Zudem dürfen Lastkraftwagen auf Autobahnen nur selten schneller als 80 km/h fahren, sodass die Bremswege in der Regel ausreichen. Vorausgesetzt, die Reaktionszeit des Fahrers ist nicht zu lang.
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