Bruttoinlandsprodukt versus Nationaleinkommen: Ein Blick auf die Wohlfahrtsmessung

Bruttoinlandsprodukt versus Nationaleinkommen: Ein Blick auf die Wohlfahrtsmessung

Die Messung des Wohlstands einer Gesellschaft ist eine komplexe Aufgabe, die verschiedene Faktoren berücksichtigen muss. Zwei wichtige Indikatoren, die oft verwendet werden, sind das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und das Bruttonationaleinkommen (BNE). Aber was genau bedeuten diese Begriffe und welche Unterschiede gibt es zwischen ihnen?

Begriffliche Klärung

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Wert aller Güter und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in einem Land hergestellt werden. Es berücksichtigt sowohl die innerhalb des Landes ansässigen Unternehmen als auch die ausländischen Unternehmen, die im Inland tätig sind. Das BIP gibt somit Auskunft über die ökonomische Wertschöpfung eines Landes.

Das Bruttonationaleinkommen (BNE), früher bekannt als Bruttosozialprodukt, erfasst alle Einkommen, die den im Inland lebenden Wirtschaftsakteuren zufliessen, unabhängig davon, ob die wirtschaftliche Aktivität im In- oder Ausland stattfindet. Das bedeutet, dass das BNE auch Einkommen umfasst, die im Ausland erzielt werden, aber den im Inland lebenden Menschen zugutekommen.

Ein Beispiel: Wenn ein deutscher Bürger im Ausland arbeitet, gehören seine Einkommen und wirtschaftlichen Aktivitäten zum ausländischen BIP, aber zum deutschen BNE. Ähnlich verhält es sich mit Kapitaleinkommen, die im Ausland erzielt werden – sie gehören zum BNE, aber nicht zum BIP.

Die Differenz zwischen dem BNE und dem BIP ist der Saldo der Primäreinkommen. Wenn Deutschland mehr Einkommen aus dem Rest der Welt erhält, als es zahlt, liegt ein positiver Einkommenssaldo vor und das BNE ist größer als das BIP.

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Empirie zur Differenz zwischen BIP und BNE

Ein Wechsel vom BIP zum BNE als Maß für den gesellschaftlichen Wohlstand macht nur Sinn, wenn es signifikante Unterschiede zwischen den beiden Größen gibt. In Deutschland betrug diese Differenz in den letzten Jahren rund 2 % des BIP (60 Mrd. bis 70 Mrd. Euro). Ob dieser Unterschied groß genug ist, um einen Wechsel vom BIP zum BNE zu rechtfertigen, ist eine Wertungsfrage. Fest steht jedoch, dass es sich um ein nicht zu vernachlässigendes Volumen handelt, das einen erheblichen Teil des Wachstums des nominalen BIP in den letzten Jahren ausmacht.

Die Unterschiede zwischen BIP und BNE hängen in erster Linie mit den Auslandsinvestitionen deutscher Anleger zusammen. Diese investieren im Ausland und erhalten dafür Zinsen, Dividenden und Gewinne, die das deutsche BNE erhöhen. Das Nettovermögen Deutschlands gegenüber dem Rest der Welt ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen, was ebenfalls zu einer Differenz zwischen BIP und BNE führt.

BIP versus BNE in Industrieländern

Auch im internationalen Vergleich gibt es Länder, deren BNE mehr als 2 % vom BIP abweicht. Japan und Norwegen sind Beispiele dafür. Japan verzeichnet aufgrund seiner Exportüberschüsse eine positive Abweichung von rund 3,5 %, während Norwegens BNE sogar um 4 % über dem BIP liegt. Dies ist zum Teil auf den staatlichen Pensionsfonds des Landes zurückzuführen, der aus den Einnahmen der Erdölförderung gespeist wird.

Es gibt aber auch Länder, in denen das BNE deutlich niedriger ist als das BIP. In Irland und Luxemburg beispielsweise liegt das BNE bei nur etwa 70-80 % des BIP. Dies liegt daran, dass viele Unternehmen, die in diesen Ländern ansässig sind, ihre Kapitaleinkommen an ihre ausländischen Eigentümer überweisen.

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BNE als Wohlstandsindikator

Ob das BIP oder das BNE ein besserer Indikator für den materiellen Wohlstand eines Landes ist, hängt von den Zielen der Wohlstandsmessung ab. Wenn es darum geht, den möglichen Güterverbrauch einer Gesellschaft zu messen, ist das dem BNE zugrunde liegende Einkommen entscheidend. Das BNE berücksichtigt die Einkommen, die den Bürgern eines Landes zufließen, unabhängig davon, ob die wirtschaftliche Aktivität im Inland oder im Ausland stattfindet.

Ein Vergleich zwischen Irland und Luxemburg verdeutlicht diesen Aspekt: Das BNE in diesen Ländern ist um 20 % bzw. 29 % niedriger als das BIP. Dies bedeutet, dass den Einwohnern dieser Länder weniger Güter zur Verfügung stehen als der rein wirtschaftlichen Wertschöpfung entsprechen würde.

BNE und Schuldentragfähigkeit

Das BIP wird oft verwendet, um die Schuldentragfähigkeit einer Volkswirtschaft zu messen. Dabei wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes als Basis für die Fähigkeit angesehen, Schulden zurückzuzahlen. Die Schuldenstandsquote, also das Verhältnis der Staatsschulden zum BIP, dient als zentraler Indikator.

Die Frage ist jedoch, ob das BIP tatsächlich die geeignete Basis dafür ist. Die Antwort hängt von der Besteuerung ab. In Deutschland werden die Einkommen der inländischen Bürger nach dem Welteinkommensprinzip besteuert, während das Territorialprinzip für diejenigen gilt, die keine inländischen Bürger sind. Die Einkommensteuer basiert somit primär auf dem deutschen BNE.

Auch andere ökonomische Aktivitäten wie die Mehrwertsteuer werden besteuert. Die Mehrwertsteuer wird jedoch nach dem Bestimmungslandprinzip berechnet, was bedeutet, dass der Verbrauch von Gütern im Land besteuert wird, in dem der Verbrauch stattfindet. Somit fließen die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer nicht in das BIP des Landes, sondern in das BNE.

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Die Staatsschuldenquote und andere finanzpolitische Indikatoren sollten sich daher eher auf das BNE als auf das BIP beziehen.

Wohlfahrtsmessung in einer alternden Gesellschaft

Besonders in einer alternden Gesellschaft gibt es starke Argumente dafür, das BNE als Wohlstandsindikator zu verwenden. Die Gesamtbevölkerung einer alternden Gesellschaft hat weniger Erwerbstätige, die auf mehr Rentner treffen. Dadurch sinkt das BIP je Einwohner, da weniger Erwerbstätige auf mehr Menschen verteilt sind. Das BNE je Einwohner sinkt ebenfalls, da das BIP in einer geschlossenen Volkswirtschaft dem BNE entspricht. Der materielle Wohlstand je Einwohner nimmt somit ab.

Eine geschlossene Volkswirtschaft kann das gesamtwirtschaftliche Sparen nicht in die Zukunft verschieben, wie es ein privater Haushalt tun kann. Das bedeutet, dass die Konsummöglichkeiten einer alternden Gesellschaft in einer geschlossenen Volkswirtschaft von den in der Zukunft produzierten Gütern abhängen, zuzüglich der Importe, die mit den im Ausland erzielten Kapitaleinkommen bezahlt werden. Diese Zusammenhänge werden durch das BNE besser abgebildet als durch das BIP.

Ausblick zur Wohlfahrtsmessung

Die fortschreitende Globalisierung hat zur Folge, dass die Menschen Einkommen aus dem Ausland beziehen. Dadurch steigt ihr Anspruch auf die im Ausland produzierten Güter. Wenn es darum geht, den materiellen Wohlstand eines Landes zu messen, ist das BNE ein besserer Indikator als das BIP. Es berücksichtigt die tatsächlich den Einwohnern zur Verfügung stehenden Güter und Einkommen.

Obwohl das BNE das BIP nicht vollständig ersetzen wird, sollte es zumindest als Ergänzung betrachtet werden. Die grundlegenden Kritikpunkte am BIP als Wohlstandsindikator bleiben jedoch bestehen. Um ein umfassenderes Bild des Wohlstands einer Gesellschaft zu erhalten, sollten auch andere Faktoren wie Einkommensverteilung und negative externe Effekte berücksichtigt werden.