In der faszinierenden Geschichte von Bugatti wurden nicht viele Autos gebaut, aber jedes einzelne Modell ist höchst bemerkenswert. Der Begriff “Hypercar” wird heutzutage häufig verwendet, aber es war der französische Hersteller, der ihn vor vielen Jahren ins Leben gerufen hat. Wir sprechen von der Klasse oberhalb der “gewöhnlichen” Supercars, in der Technologie und Leistungswerte ein völlig neues Niveau erreichen. Das beste Beispiel dafür ist der Veyron, der den Begriff Hypercar im Jahr 2005 wieder auf die Landkarte brachte. Sein Nachfolger Chiron, der 2016 vorgestellt wurde, setzte die Messlatte noch höher. Beide Modelle sind uns bekannt, doch ihr Urahn, der faszinierende EB110, fliegt meist völlig unter dem Radar. Völlig zu Unrecht, wie wir finden.
Bugatti hat uns kürzlich daran erinnert, wie erstaunlich der EB110 – nicht nur für seine Zeit – war, und wir möchten diese Erinnerung mit Ihnen teilen. Hier ist ein kurzer, aber interessanter Vergleich der heiligen Dreifaltigkeit von Bugatti aus den letzten 30 Jahren.
Chiron
Beginnen wir mit dem neuesten Serienmodell von Bugatti. Und ja, wir wissen, dass diese Ehre eigentlich dem Divo gebührt. Aber unter seiner teuren Hülle steckt der gleiche Chiron, der die Sportwagenwelt 2016 im Sturm eroberte und weltweit noch immer für Aufsehen sorgt. Das Herzstück dieses 1.995 Kilogramm schweren Ungetüms ist der 8,0-Liter-16-Zylinder-Motor mit vier Turboladern, der 1.500 PS und 1.600 Nm Drehmoment über ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe auf alle vier Räder überträgt.
Mit aktivierter Launch Control beschleunigt der Chiron in 2,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h und in noch atemberaubenderen 6,1 Sekunden auf 200 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit von elektronisch begrenzten 420 km/h ist in den meisten Fällen wohl eher theoretischer Natur. Einige vermuten jedoch, dass dieses Auto mit ausreichend Platz zum Spielen und reifen, die dem Stress gewachsen sind, auch der 300-Meilen-pro-Stunde-Marke (gut 480 km/h) nahe kommen könnte.
Die Produktion des Chiron läuft langsam, aber stetig. Es werden insgesamt 500 Exemplare hergestellt.
Veyron
In der Automobil-Geschichte gibt es nur wenige Fahrzeuge, die man als wahre Game Changer bezeichnen kann. Als der Veyron 2005 mit seinen 1.000 PS (später bis zu 1.200 PS) erschien, gab es absolut nichts Vergleichbares. Unter der Leitung von Volkswagen entwickelt, sorgte der neue 8,0-Liter-W16-Motor mit einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe und Allradantrieb für Leistungswerte, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellten. Der Veyron beschleunigte in 2,5 Sekunden auf 100 km/h. Nach 7,3 Sekunden erreichte er 200 km/h.
Der Veyron holte sich mit einer Geschwindigkeit von 407 km/h den absoluten Geschwindigkeitsrekord für Serienfahrzeuge. Später legte Bugatti mit dem Veyron SS noch einmal nach und erreichte 431,1 km/h – eine Geschwindigkeit, die mit dem Chiron offiziell bis heute nicht erreicht wurde. Das Auto war deutlich schwerer als geplant, hauptsächlich aus verschiedenen technischen Gründen. Ursprünglich strebte man ein Gewicht von 1.550 Kilo an, letztendlich waren es knapp 1.900 Kilo. Der Luftwiderstandsbeiwert (cW-Wert) des Hypercars war in der normalen Konfiguration mit 0,39 alles andere als optimal. In einer speziellen Highspeed-Konfiguration mit abgesenkter Bodenfreiheit und flacher gestelltem Heckflügel konnte der Wert jedoch auf 0,36 reduziert werden.
Zwischen 2005 und 2015 wurden insgesamt 470 Exemplare des Veyron hergestellt. Aufgrund hoher Entwicklungskosten und technischer Probleme war das Auto ein finanzieller Misserfolg. Berichten zufolge verursachte es einen Verlust von 1,7 Milliarden Euro. Volkswagen wollte mit dem Veyron jedoch hauptsächlich seine technische Kompetenz unter Beweis stellen und nahm die Verluste in Kauf.
EB110
Ironischerweise sorgten ausgerechnet Italiener für das moderne Revival von Bugatti. Allen voran Romano Artioli, ein Bugatti-Sammler und erfolgreicher Automobil-Importeur. Er kaufte die marode Marke in den späten 1980er Jahren und verlegte die Produktion nach Campogalliano in der Region Emilia Romagna. Dort wurde der EB110 gebaut. Ja, er sieht deutlich anders aus als die Bugattis aus der Zeit von Volkswagen. Die ersten Designentwürfe stammen von dem legendären Marcello Gandini, dem Schöpfer des Lamborghini Miura und des Countach. Mit einer maximalen Leistung von 610 PS ist er natürlich nicht annähernd so stark wie seine jüngeren Geschwister. Dennoch weist der erste moderne Bugatti erstaunliche Ähnlichkeiten zu seinen Nachfolgern auf.
Da ist zum einen der 3,5-Liter-V12-Motor des EB110, der wie der spätere W16-Motor mit vier Turboladern zwangsbeatmet wurde. Bei seiner Markteinführung im Jahr 1991 war das eine Sensation. Geschaltet wurde noch manuell mit einem Sechsgang-Getriebe, aber wie der Veyron und der Chiron verfügte auch der EB110 über Allradantrieb. Außerdem machte er Gebrauch von aktiver Aerodynamik, eine Funktion, die damals ebenfalls revolutionär war. Die stärkere SS-Version (Super Sport) beschleunigte in gerade einmal 3,26 Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 354 km/h.
Insgesamt wurden bis 1995 nur 128 Exemplare des EB110 produziert, einschließlich zwei Fabrikrennwagen. Damals war das Geschäft nicht profitabel (eine Parallele zum späteren Veyron), heute macht es den EB110 zu einer äußerst seltenen Rarität.
Wenn Sie sich für eines dieser automobilen Kunstwerke entscheiden müssten, welches würden Sie wählen?