Bund + Länder NRW

Bund + Länder NRW

In der Tarifrunde für den Bund und die Kommunen ist ein erfolgreicher Abschluss erzielt worden. Die bundesweite Besoldungsrunde steht unter einem positiven Vorzeichen. Doch bedeutet das, dass alles gut ist? Die Politik der letzten Jahrzehnte hat ihre Spuren hinterlassen: Es gibt unterschiedliche Arbeitsbedingungen zwischen den Beschäftigtengruppen des öffentlichen Dienstes, sowohl innerhalb als auch zwischen den verschiedenen Ländern. Dazu gehören auch Ausgründungen öffentlicher oder privatisierter Einrichtungen, befristete Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst und der Einsatz von “Ein-Euro-JobberInnen” unter nicht-regulären Bedingungen.

BeamtInnen erster, zweiter, … siebzehnter Klasse?

Die “Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse” spielt für weite Teile des Dienstrechts keine Rolle mehr. Seit der Förderalismusreform I vor acht Jahren haben sich Unterschiede von mehr als 18 Prozent zwischen den Besoldungsgruppen in den verschiedenen Ländern entwickelt. Um auch Beamte aus schlechter zahlenden Ländern abwerben zu können, werden teilweise Ausgleichszulagen oder undurchsichtige “Fachkräftegewinnungszuschläge” gewährt. Die Bewertung von Dienstposten ist vernachlässigt worden, und durch Stellenobergrenzen hat die Besoldung oft nur wenig mit den tatsächlich ausgeübten Funktionen zu tun. Durch Tricks bei der Schichtplanung werden Mindestzeiten bewusst unterschritten und Zulagen gekürzt – während die Belastung der Kolleginnen und Kollegen hoch bleibt. Sogar Leiharbeit ist für Beamte in den letzten Jahren keine Seltenheit mehr, seit Einrichtungen wie der Berliner “Stellenpool” die Beamten ohne ausreichende Qualifizierung in häufig wechselnden Aufgabenfeldern eingesetzt hat. Innerhalb der Beamtenschaft ist so trotz eines umfangreichen Regelungsdickichts eine enorme Ungleichbehandlung entstanden.

Die Statusgruppen im öffentlichen Dienst

Die Zugehörigkeit zur Statusgruppe der BeamtInnen oder der Tarifbeschäftigten folgt nicht immer einer sachlichen Logik, sondern hängt von der jeweiligen personalpolitischen Doktrin zum Zeitpunkt der Einstellung ab. Dadurch kann es vorkommen, dass beispielsweise in Schulen Beamte mit Ausgleichszulage, Beamte ohne Ausgleichszulage und Angestellte vor denselben SchülerInnen arbeiten – gleiche Arbeit, aber unterschiedliche Bedingungen. Und nur wenige Kilometer hinter der Landesgrenze können sowohl die Beamten als auch die Tarifbeschäftigten anders bezahlt werden.

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Öffentliche Tariflandschaft

Obwohl die Tarifbeschäftigten spätestens 2017 in der Bundeshauptstadt nach TV-L bezahlt werden, gibt es innerhalb der öffentlichen Tariflandschaft immer noch Unterschiede. Die Kita-Erzieherin aus Berlin wird nach TV-L bezahlt, während ihr Kollege in der Brandenburgischen Gemeinde nebenan nach TVöD entlohnt wird. Je nach Grad der Ausgründung oder Privatisierung ergeben sich noch weitere Differenzen. Diese Unterschiede bestehen sowohl innerhalb des öffentlichen Sektors als auch im Vergleich zu Beschäftigten bei privaten Dienstleistern, die den Großteil ihrer Aufträge von der öffentlichen Hand erhalten. Nach Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung können die Unterschiede für dieselbe Tätigkeit zwischen kommunalen Spartenverträgen wie dem Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N), Verbands- und Haustarifverträgen sowie nicht tarifgebundenen Privatunternehmen bis zu 50 Prozent betragen. Ähnliche Ungleichheiten gibt es auch bei Beschäftigten in den Bereichen Telekommunikation, Post, Bahn, Krankenhäuser, Entsorgung und Energieversorgung als Folge der Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen. Dabei sind die öffentlichen Arbeitgeber nicht unbedingt diejenigen, die besser bezahlen, wie Beispiele aus der Energiewirtschaft zeigen. Im Sozialbereich ist die Situation noch unübersichtlicher, da es dort eine Vielzahl staatlich finanzierter “freier” Träger gibt, die oft keine Haustarifverträge anwenden. Gegenüber Trägern, die auf Honorarkräfte und ehrenamtliche Mitarbeiter setzen, ist es schwierig, sich zur Wehr zu setzen.

Dauernd auf Zeit

Die Bezahlung ist nicht die einzige Ungleichheit. Auch bei den Arbeitsverhältnissen gibt es Unterschiede. Nehmen wir wieder das Beispiel der Schule: Neben den Beamten ohne und mit Ausgleichszulage sowie den Angestellten können auch befristet Angestellte vor den SchülerInnen stehen. Der öffentliche Dienst ist schon seit langem führend, wenn es um Befristungen geht. Während in der Industrie 11 Prozent der jungen Akademiker unter 30 Jahren befristet beschäftigt sind, sind es in der allgemeinen Verwaltung 29 Prozent und an Hochschulen sogar 80 Prozent.

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Leiharbeit

Auch Leiharbeit spielt im öffentlichen Dienst eine Rolle. Allein in den Bundesministerien und Bundesämtern wurden im Jahr 2012 laut Bundesregierung 2.092 LeiharbeitnehmerInnen eingesetzt. Die öffentliche Hand tritt hier auch als “Entleiher” auf. Insbesondere bei Auslagerungen werden die Beschäftigten einer Einrichtung dem neuen Träger durch “Gestellung” zur Verfügung gestellt, während sie formal in ihrem bisherigen Arbeitsverhältnis bleiben und der neue Träger die Personalkosten erstattet. Nachdem das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Gestellungen als unzulässige Arbeitnehmerüberlassung eingestuft hat, forderte der Bundesrat auf Initiative der rot-grün regierten Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein im Herbst letzten Jahres, öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften von den Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes auszunehmen. Man argumentierte damit, dass die bisherigen Arbeitsbedingungen weiterhin gelten und die üblichen Risiken der Arbeitnehmerüberlassung, wie hohe Arbeitsplatzunsicherheit und ständig wechselnde Einsatzorte, nicht gegeben seien. Auch die Zuverlässigkeit des Verleihers bei öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern wurde nicht angezweifelt.

Ein-Euro-Jobber

Das Beispiel der “Ein-Euro-Jobs” für BezieherInnen von Arbeitslosengeld II zeigt, wie zuverlässig die öffentliche Hand unter massivem Kürzungsdruck ist. Obwohl diese Jobs laut dem zweiten Sozialgesetzbuch nur “zusätzliche” Aufgaben erfüllen dürfen, um keine regulären Beschäftigungsverhältnisse zu verdrängen, sieht die Realität anders aus. Es gibt sogar Berichte über Einsätze von Ein-Euro-Jobbern als Streikbrecher während Tarifrunden im öffentlichen Dienst.

Quelle: Zum DGB