Bürokratie in Berlin: Warum viele Geflüchtete Neujahrskinder sind

Bürokratie in Berlin: Warum viele Geflüchtete Neujahrskinder sind

Der erste Tag des neuen Jahres ist in doppelter Hinsicht ein besonderer: Zum einen nüchtern, da unzählige Silvesterfeiernde ausnüchtern – zum anderen haben am Neujahrstag deutlich mehr Menschen in Berlin Geburtstag als an anderen Tagen des Jahres. Der 1. Januar steht nämlich bei Tausenden aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern stammenden Geflüchteten als Geburtstag in ihren Papieren.

Anders als in vielen Herkunftsländern, wo Geburtstage nicht so gefeiert werden, dürften inzwischen etliche der “Newcomer” bei Tee und Gebäck von Gratulanten umarmt werden – oder bei Bier und Zigaretten plauschen.

Einem Protagonisten der Geflüchtetenversorgung in Berlin ist bei dem Massengeburtstagsdatum allerdings weniger zum Feiern zumute: Dem Bezirk Mitte, der durch bürokratischen Zufall für fast ein Drittel aller Geflüchteten in Bezirkszuständigkeit zuständig ist.

Zwölf Monate, zwölf Bezirke

Mitte versorgt allein 8000 Geflüchtete, bei denen der Januar als Geburtsmonat eingetragen ist – die übrigen gut 16.000 Personen teilen sich die elf anderen Bezirke. Stephan von Dassel, Bezirksbürgermeister von Mitte, wünscht sich, dass der Senat für das neue Jahr den Vorsatz hat, diesen “Integration entgegenwirkenden Zustand endlich zu beenden”. In den letzten Monaten sind mehr als 24.000 Geflüchtete in die Zuständigkeit der Bezirke übergegangen.

Weil der Geburtstag keine Rolle spielt

Dass so viele Flüchtlinge in ihren Papieren den 1. Januar als Geburtstag verzeichnet haben, ist teils durchaus gewollt. Seit dem Zuwanderungsboomjahr 2015 erreichten Zehntausende Menschen Deutschland, die ihre Papiere tatsächlich auf der Flucht verloren hatten oder dies zumindest den Behörden gegenüber angaben. Jene Zuwanderer wollten die deutschen Behörden auch statistisch besonders ausweisen können, wobei sich die Länder auf den 1. Januar als Stichtag geeinigt hatten. In Afghanistan gibt es zudem einen anderen Kalender. Bei vielen jungen Männern aus Syrien steht auch der 15. Januar in den Papieren – in ihrem Herkunftsland ist dies der Tag des Schulbeginns.

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Die Lage ist bizarr

“Die anderen Bezirke haben meist nur sechs oder sieben Prozent der Geflüchteten in ihrer Zuständigkeit”, kritisiert Stephan von Dassel. Er findet, dass die bezirkliche Verteilung dringend nach dem Wohnortprinzip erfolgen sollte. Viele Flüchtlinge von weiter weg können nicht rechtzeitig zu Terminen im Amt erscheinen oder am Integrationskurs teilnehmen. Von Dassel fordert daher eine schnelle Lösung im Sinne der Integration.

Problem erkannt

Bei der Senatsverwaltung für Soziales von Senatorin Elke Breitenbach (Linke) ist der Zustand als klares Problem bekannt. Es gilt jedoch, ein Einvernehmen zwischen den Bezirken herzustellen, was derzeit nicht der Fall ist. Einige Außenbezirke verweisen auf eine hohe Anzahl von Modularen Unterkünften (MUFs) oder Tempohomes.

Der 1. Januar ist auch für Angehörige im Herkunftsland während des Asylprozesses ein Schicksalstag, wenn es um die Volljährigkeit geht. Viele 18-Jährige fallen an ihrem Geburtstag aus der Berliner Jugendhilfe heraus. Die Jugendhilfe mit Hilfen zur Erziehung kann zwar verlängert werden, aber das muss rechtzeitig geschehen und es muss sich auch jemand darum kümmern.

In Clearing-Einrichtungen des Landesjugendamtes befinden sich derzeit 166 Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Eltern hier angekommen sind und angegeben haben, unter 18 Jahre alt zu sein. 2.300 junge Flüchtlinge, von denen 1.400 minderjährig sind, wurden nach der Clearing-Phase den Bezirksjugendämtern für deren Hilfen zur Erziehung übergeben.

Die Lage ist also weiterhin herausfordernd, aber die Verantwortlichen sind sich der Probleme bewusst und arbeiten daran, geeignete Lösungen zu finden.