Camper – Schuhe für die moderne und rebellische Gesellschaft

Camper – Schuhe für die moderne und rebellische Gesellschaft

In der Eingangshalle steht ein Motocrossrad. Alt, dreckig, zerbeult. Keiner weiß, was es da soll. Kein Schild an der Wand “Mit diesem Motorrad fuhr unser Gründer …” Unaufdringlich steht es einfach nur da.

Unaufdringlich ist auch Camper. Mit Absicht – und Erfolg. Seit 1975 verkauft das Unternehmen Schuhe, seit neuem ist die Marke trendy, auf Siegeszug durch die Metropolen der Welt. Und das durch eine ganz simple Werbestrategie: Nerve die Leute nicht mit reißerischen Parolen. Biete ihnen eine Philosophie. Eine, die du selbst lebst.

Casual und mediterraner Stil für die moderne “walking society”

“Unsere Philosophie lautet ‘casual’”, sagt Firmengründer Lorenzo Fluxá, ein schlanker Mann mit armanihafter Braunbrille, dem Aussehen nach Mitte 40, tatsächlich Mitte 50. “Casual” meint bequem, leger, gelassen. Eine Prise “casual”, dazu je ein Schuss mediterranes Stilgefühl, Individualität und Ironie – fertig ist das Erfolgskonzept für die “walking society”, so der Camper-Slogan.

Ein Hauch von “casual” durchzieht alle Bereiche der Zentrale im kargen Gewerbegebiet von Inca, nordöstlich von Palma. Die Produkte: eher lässig als elegant, die Materialien hochwertig, aber eigenwillig kombiniert. Das Marketing: unaufdringlich. Produkte tauchen in Anzeigen nur am Rande auf, stattdessen Insel-Senioren beim Kartenspielen. Marktforschung wird beiläufig praktiziert. Der Führungsstil: kooperativ, emotional, etwas chaotisch.

Für die urbanen Kreativen und moderne Individualisten

Die kosmopolitischen Städter, die jungen Kreativen und alle, die sich als Teil dieser imaginären Elite sehen, lieben Camper. Die Schuhe passen zum androgynen Look der New Economy und zum neuen Yuppie-Typus. Der zeigen will, wie er ist und nicht, was er hat. Drei Millionen Paasr Schuhe verkaufte Camper im vergangenen Jahr. 240 Millionen Mark Umsatz, 40 Prozent Wachstum, Exportquote 75 Prozent.

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Deutsches Epizentrum in puncto jung und kreativ ist Berlin-Mitte. Wo anders also sollte Deutschlands erster Camper-Store eröffnen als in der Neuen Schönhauser Straße, zwischen Werbeagenturen und Plattenfirmen, fünf Minuten vom Hackeschen Markt. Am 30. Juni geht es los mit einem geplant provisorischen “walk in progress”-Laden: Kein fertiges Raumdesign, stattdessen nackter Putz und Produkte auf Schuhkartons. Wer will, darf sich an den Wänden verewigen.

Zum Beispiel mit Oden an ländliche Schlichtheit. “Die urbanen Kreativen haben die ‘country-side’ im Herzen”, sagt Lorenzo Fluxá. “Camper sind Schuhe aus ländlicher Gegend für urbanes Volk, an denen man Natur fühlen und riechen kann.”

Eine sanfte Revolution im Big Business

Fluxá spricht viel über Mallorcas Natur und seine Vorfahren. Sein Vater und Großvater waren auch Schuhproduzenten. Ihr Produkt: solide, biedere Herrenschuhe. Sohn Lorenzo hatte Lust auf die Schuhindustrie, aber andere Vorstellungen von “seinen” Schuhen. Er wollte eine eigene Marke aufbauen. Der Vater war skeptisch, aber unterstützte ihn schließlich dennoch, als er 1975 Camper gründete.

Über den Inselrand hatte er da bereits geblickt. Als Kind hatte er die Schweiz und Frankreich gesehen, als Student Stanford und Los Angeles. Heute will der Mann von Welt dieser etwas aus seiner Heimat vermitteln: das Mediterrane, das Emotionale, das er in der angloamerikanisch tickenden Wirtschaftsgesellschaft vermisst.

Die Gesetze des Big Business verändern – Fluxá und seine Mitstreiter wissen, dass das Vision bleibt. Sie mögen die Rolle der sanften Revoluzzer. “Wir machen Guerilla-Business”, sagt der Chef. Die Kunden kaufen es gerne, das Stück Rebellion am Fuß.

Ein zeitgemäßes Marketing und eine selektive Personalpolitik

Camper gilt als ein Musterbeispiel für zeitgemäßes Marketing. “Corporate Religions” fordert der dänische Fachautor Jesper Kunde. Er meint, dass Produkte, Kommunikation und das Firmeninnere einander entsprechen müssen – so wie bei Camper.

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Zugleich ist Campers Philosophie ein treffliches Instrument zur Personalselektion. Sie zieht kreatives Volk an. “Bei uns bewerben sich gute Leute aus der ganzen Welt”, berichtet Chefdesignerin Juana Martorell. Wer eingestellt wird, kommt indes nicht auf eine Insel der Seligen: Fluxá fordert Motivation und Identifikation. Wer nicht mitzieht, wird entlassen – wie im richtigen Leben.

Shubhankar Ray, zuständig für die kreativen Seiten des Marketing, zog es jüngst aus London von Caterpillar zu Camper. “Während eines Mallorca-Urlaubs habe ich so lange angerufen, bis ich Lorenzo gegenübersaß.” Man redete über kubanische Musik, und Ray hatte den Job.

Derzeit hat er viel zu tun. Camper eröffnet Läden in aller Welt, in Deutschland sind neben Berlin München, Hamburg und Düsseldorf angedacht. 30 Prozent Wachstum werden in diesem Jahr erwartet.

Gefahr könnte gerade von einer Stärke des Unternehmens ausgehen: der überzeugenden Philosophie. Der Firma geht es gut, so lange ihre Werte gefragt sind. Was aber, wenn “casualty” und spielerischer Nonkonformismus out sind? “Dann baue ich Tomaten an”, sagt Lorenzo Fluxá und lächelt.