Chinesischer Ehrgeiz erobert den deutschen Elektroautomarkt

Chinesischer Ehrgeiz erobert den deutschen Elektroautomarkt

Die IAA Mobility in München wurde von China dominiert. Chinesische E-Autos sind zwar noch selten auf deutschen Straßen zu sehen, das könnte sich jedoch schnell ändern. Die Ambitionen der Hersteller aus China sind riesig.

Laut einer Studie der französischen Beraterfirma Inovev stammen derzeit nur acht Prozent der E-Autos in Europa aus China, im Jahr 2022 waren es erst sechs Prozent. Doch bei der IAA Mobility in München war die Präsenz chinesischer Hersteller unübersehbar: Überall waren chinesische Werbebanner zu sehen und man hörte viele Messebesucher Chinesisch sprechen. Mit rund 70 Ausstellern stellten die Autobauer, Zulieferer und Batteriefirmen aus China die größte Delegation dar. Etwa 40 Prozent der Aussteller auf der Messe kamen aus Asien.

Der Autobauer BYD, dessen Name für “Build your dreams” steht, hat nach eigenen Angaben bereits fünf Millionen Elektroautos verkauft, einschließlich Hybridfahrzeuge. Lange Zeit war Volkswagen dank seiner Verbrennungsmotoren der unumstrittene Marktführer in China, dem größten Automarkt der Welt. Doch beim Wechsel zur E-Mobilität konnte VW bisher kaum punkten und hat deshalb die Marktführerschaft an den einst belächelten Konkurrenten BYD aus der südlichen Industriemetropole Shenzhen verloren.

Auf der IAA präsentierte BYD den größten Messestand, der bei der Pressepräsentation überfüllt war. Die Ambitionen sind groß. “Nach nur elf Monaten sind wir schon in 15 europäischen Ländern vertreten”, sagte Europa-Chef Michael Shu. Ab 2024 soll der BYD Seal zum Preis von 45.000 Euro in Deutschland erhältlich sein und dem Tesla Model 3 Konkurrenz machen.

“Deutsche Kunden achten auf Qualität und Service”

Laut einer Umfrage des Automobil-Zulieferers Continental können sich derzeit 45 Prozent der deutschen Autofahrer vorstellen, ein E-Auto “Made in China” zu kaufen. Deutschland ist als traditionelles Autoland für die Hersteller aus dem größten E-Automarkt der Welt immer noch etwas Besonderes. “Deutsche Kunden achten sehr auf Qualität und Service. Diese Präzision, mit der dort gearbeitet wird, ist für uns ein weiterer Lernprozess”, sagte der Präsident des chinesischen Technologieverbands Wan Gang in einem ARD-Interview. Das könnte bedeuten, dass niemand China einholen kann, wenn sie es in Deutschland schaffen.

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Wan Gang weiß, wovon er spricht: Der 71-jährige Professor aus Shanghai hat Antriebstechnik an der TU Clausthal studiert, mehr als zehn Jahre bei Audi gearbeitet, spricht fließend Deutsch und war von 2007 bis 2018 chinesischer Wissenschaftsminister. In dieser Zeit begann der E-Auto-Boom in China. Das Prinzip dabei war, die Elektromobilität zu fördern und zu fordern. Viele Automobilhersteller sind teilweise im Besitz staatlicher Stellen oder Staatskonzerne, andere erhalten staatliche Förderung. Die Regierung in Peking erzwang durch Produktionsquoten, dass alle Hersteller in der Volksrepublik mehr E-Autos produzieren.

Parallel dazu hat sich der Abschied von Verbrennungsmotoren für chinesische Kunden gelohnt. Zum einen sind die Zulassungen für “grüne Autos” – gekennzeichnet durch ein grünes Nummernschild – in Großstädten nicht so teuer wie bei Verbrennungsmotoren. Ein grünes Nummernschild kostet nichts. Zum anderen werden der Kauf von E-Autos vom Staat gefördert. Ursprünglich sollte diese Förderung auslaufen. Nun wurde sie bis 2025 verlängert und gilt sogar bis 2027 für Autos im Preisbereich von weniger als 19.000 Euro.

Preise fallen durch Rabattschlacht

Eine massiv von Tesla ausgelöste Rabattschlacht drückt zusätzlich auf die Preise. Während ein E-Auto in China umgerechnet 32.000 Euro kostet, liegt der Preis für dasselbe Modell in Europa bei 56.000 Euro. “Dieser Preiskampf lässt den Autobauern nur eine minimale Gewinnmarge”, sagt der auf den chinesischen Automarkt spezialisierte Analyst Jochen Siebert. “Ich frage mich, wie lange das noch so weitergehen kann.”

Vielleicht ist diese Rabattschlacht ein Grund für die Offensive in Deutschland. Neben BYD haben auch andere chinesische Elektro-Marken angekündigt, ihre Produkte auf dem deutschen Markt anzubieten. Darunter Leapmotor, Dongfeng, Nio und Xpeng. Werden wir in der Automobilindustrie das Gleiche erleben wie in der Solarindustrie – einen Verdrängungskampf mit negativen Folgen für Deutschland? Deutsche Zulieferer zeigten sich auf der IAA jedoch gelassen, da sie gute Geschäfte mit den neuen Marken aus China machen.

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Kooperationen beflügeln die Branche

Auch Wan Gang glaubt nicht an einen Verdrängungskampf. Seiner Meinung nach werden die chinesische und deutsche Autoindustrie weiterhin zusammenarbeiten: “Wenn wir über Elektrofahrzeuge sprechen, ist das Ziel, gemeinsam gegen den Klimawandel anzugehen. Das ist unsere Pflicht und das müssen wir gemeinsam tun.”

Tatsächlich gibt es bereits Kooperationen zwischen deutschen und chinesischen Autobauern. Volkswagen hat beispielsweise knapp fünf Prozent der Anteile am Start-up Xpeng aus Guangzhou übernommen und baut nun zwei digital vernetzte E-Autos auf Basis von Xpengs Technologie. Denn vor allem eine in chinesischen Augen rückständige Software hat dazu beigetragen, dass deutsche Autos ihren Ruf verloren haben.

Philipp Kemmler, Pressesprecher des Autobauers Great Wall aus Baoding nahe Peking, erklärt, was fehlte: “Das ganze Infotainment im Auto ist sehr wichtig, dass ich dort blinkende, aufwendige Features habe. Das mögen wir Europäer eher schlichter und nüchterner. Aber auch das wird sich ändern.”

Das Laden bleibt ein zentrales Thema

Ein wichtiges Thema auf der IAA waren die Ladesysteme. Mercedes-Chef Ola Källenius sprach von einem neuen Hochleistungs-Ladenetzwerk, das im Herbst nach China, den USA und Deutschland kommen soll. BMW-Chef Oliver Zipse betonte die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Batteriehersteller CATL, der Weltmarktführer ist. CATL baut derzeit ein Werk in Thüringen.

Auch BYD begann 1995 als Batteriehersteller. Dong Chengwu vom Pekinger Analysten Autodatas sagt, dass dies ein Grund für den heutigen Erfolg ist: “Sie stellen immer noch ihre eigenen Batterien her. Dieses hohe Maß an Produktionstiefe ist ein großer Vorteil für sie.” Nio aus Shanghai setzt jedoch nicht auf das Laden, sondern auf den Batterietausch. Nio hat sogenannte Wechselstationen von den Niederlanden bis an die Alpen errichtet. Diese sehen wie Carports aus, in die das Auto autonom einparkt. Dann öffnet sich der Fahrzeugboden und eine leere Batterie wird innerhalb von vier Minuten gegen eine volle Batterie ausgetauscht.

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Einer der wichtigsten deutschen Energieversorger, EnBW, ist laut Nios Europachef Zhang Hui Partner von Nio. “Im Dezember des letzten Jahres haben wir eine strategische Vereinbarung mit dem Konzern EnBW geschlossen. In den kommenden Jahren werden wir Swap Stations auf den Geländen von EnBW Supercharger Stations bauen können.” Das Problem der hohen Batteriepreise will Nio durch ein Leasingmodell lösen.