Das Ende der Feierlaune: Warum die Aktienkurse bald sinken werden

Ende der Feierlaune  Warum die Aktienkurse bald wieder sinken werden

Die Aktienmärkte befinden sich derzeit in guter Stimmung. Der S&P hat seit seinem Tief Mitte Oktober um rund 17 Prozent zugelegt, der Dax sogar um fast 30 Prozent. Die Anleger erinnern sich dabei gerne an die Rallye nach dem Corona-Crash im März 2020. Grund für die positive Stimmung sind die sinkenden Inflationsraten. Der leichte Anstieg der Teuerungsrate in Deutschland im Januar war auf Sondereffekte wie die Abschlagszahlungen für Gas und Fernwärme des Bundes im Dezember zurückzuführen. Wenn ab März der Preisdeckel für Gas und Strom in Kraft tritt, sind auch in Deutschland sinkende Inflationsraten zu erwarten.

Dies schürt bei den Börsianern die Erwartung, dass Fed, EZB und Co. bald damit aufhören könnten, die Leitzinsen weiter zu erhöhen. Es wird vielmehr spekuliert, dass die führenden Notenbanken gegen Ende des Jahres ihre Geldpolitik wieder lockern könnten.

Trotzdem ist eine erwartete Rezession noch nicht in Sicht. Laut vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamts ist die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr um 1,9 Prozent gewachsen. Ähnliches wird für das Bruttoinlandsprodukt der USA im Jahr 2022 erwartet. Eine sinkende Inflation bei gleichzeitig anhaltendem Wirtschaftswachstum lässt die Marktteilnehmer zunächst einmal durchatmen.

Erholung an der Börse könnte bald enden

Doch am Horizont ziehen dunkle Wolken auf, die den Anlegern die bislang gute Stimmung spürbar vermiesen könnten. Obwohl sich in Europa der Einkaufsmanagerindex stabilisiert hat, deutet vieles auf eine erneute Schwäche hin. Insbesondere die Renditekurve bei amerikanischen Staatsanleihen bewegt sich wieder im negativen Bereich. Wenn US-Treasuries mit zehnjähriger Restlaufzeit niedriger rentieren als die Kurzläufer, kommt es in der Regel zu einer Rezession. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Renditekurve noch nie falsch lag.

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Auch der Immobilienmarkt in den USA zeigt eine schwächere Verfassung, was auf eine Schrumpfung der Volkswirtschaft hindeutet. Die Arbeitsmärkte signalisieren dasselbe. Bisher haben hohe Beschäftigungsraten in den USA und in Deutschland den Konsum unterstützt. Zudem haben Verbraucher ihre während der Corona-Pandemie verschobenen Einkäufe nachgeholt. Angesichts der immer noch hohen Inflation und der zunehmenden Unsicherheit auf den Arbeitsmärkten dürfte das Geld nun jedoch nicht mehr so locker sitzen. Sowohl in den USA als auch in der Eurozone hat die Arbeitslosenrate ihren Tiefpunkt bereits überschritten.

Aus Anlegersicht ist es besonders wichtig, dass die Unternehmensgewinne zurückkehren. In Phasen, in denen die Inflation spürbar sinkt, schaffen es Unternehmen erfahrungsgemäß nicht schnell genug, ihre Fixkosten entsprechend zu reduzieren, was zu sinkenden Gewinnmargen führt. Genau das passiert derzeit. Eine Rezession dürfte diese Entwicklung verstärken.

Sinkende Aktienkurse sind absehbar

Es kommt immer wieder vor, dass das Wachstum der Unternehmensgewinne verlangsamt. Dass die Unternehmen jedoch weniger verdienen als in den Vorperioden, ist seltener der Fall. In den letzten 23 Jahren konnte dies nur viermal beobachtet werden – in den Jahren 2001, 2008, 2015 und im Coronajahr 2020. In diesen Phasen gab es spürbare Kursverluste an den Aktienmärkten.

Im Frühjahr 2020 sanken die Unternehmensgewinne in den USA um 15 Prozent von ihren Höchstständen. Die Wall Street verzeichnete sogar einen noch stärkeren Einbruch. In der Eurozone verlief die Entwicklung analog. Das Platzen der TMT-Blase sorgte 2001 sogar für stärkere Gewinneinbußen bei den Unternehmen als die Covid-19-Pandemie fast zwei Jahrzehnte später. Und auch die Aktienmärkte reagierten damals heftiger als 2020.

Normalerweise blicken Börsianer in die Zukunft. Sinkende Unternehmensgewinne wurden jedoch in der Vergangenheit erst dann berücksichtigt, wenn die Gewinnerwartungen bereits in den negativen Bereich gedreht waren. Eine Gewinnrezession war nicht eingepreist. Und das ist auch jetzt nicht anders. Die Mehrheit der Anleger setzt darauf, dass die USA und die Eurozone einer Rezession entgehen und die Unternehmensgewinne zumindest stabil bleiben. Das könnte zu schmerzhaften Enttäuschungen führen.

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Über den Autor:

Reinhard Pfingsten

Reinhard Pfingsten ist Chef-Anlagestratege bei der Bethmann Bank und Mitglied des Management-Teams des globalen Investment-Centers der ABN Amro Gruppe.