Die Weimarer Republik gilt als Paradebeispiel für eine gescheiterte Demokratie. Die Schöpfer des Grundgesetzes haben daher aus den “Lehren aus Weimar” gezogen und ein rein parlamentarisches System geschaffen. Der Bundestag, der den Kanzler wählt und nur durch Neuwahl eines anderen ersetzen kann, hat eine starke Position. Der Bundespräsident hingegen hat nur begrenzte Befugnisse und kann das Parlament nur in Ausnahmefällen auflösen. Das Bundesverfassungsgericht wacht darüber, dass die Regeln eingehalten werden. Das Wahlrecht für den Bundestag enthält im Gegensatz zum Reichstagswahlrecht eine Fünf-Prozent-Sperrklausel, um die politische Zersplitterung des Parlaments zu verhindern.
Schon 1955 wurde daher von einem Schweizer Journalisten festgestellt: “Bonn ist nicht Weimar”, was mit Freude aufgenommen wurde und immer wieder zitiert wird. Und das stimmt auch: Die Unterschiede zwischen der Bundesrepublik und ihrer Vorgängerdemokratie sind beträchtlich. Dennoch trägt “Bonn” bzw. “Berlin” mehr “Weimar” in sich, als man denkt. Im Grundgesetz finden sich viele Elemente aus der Weimarer Reichsverfassung. Zum Beispiel entspricht das Parlamentsrecht des Grundgesetzes teilweise wortwörtlich demjenigen der 30 Jahre älteren Verfassung.
Auch die Geschäftsordnung des Bundestages zeigt deutliche Parallelen zur Weimarer Zeit. Der 1. Bundestag übernahm zunächst die Geschäftsordnung des Reichstages, änderte sie später jedoch ab. Zahlreiche weitere Änderungen folgten im Laufe der Zeit. Dennoch sind viele Elemente der deutschen Parlamentsgeschichte und somit auch der Weimarer Zeit weiterhin vorhanden. Ein Beispiel hierfür sind die drei Beratungen der Gesetzentwürfe, die starke Rolle der Fraktionen und die Bedeutung des Stärkeverhältnisses der Fraktionen für die Besetzung von Ausschüssen.
Obwohl es viele historische Parallelen gibt, ist die Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf ihre Demokratie gefestigter als die Weimarer Republik. Die Abgeordneten und die Wählerinnen und Wähler stehen fest auf dem Boden des Grundgesetzes und schätzen unsere Verfassung und unseren Staat. Dennoch sollten wir die Geschichte des Weimarer Reichstags als Warnung betrachten und unsere Demokratie schätzen und schützen. Populistischen Tendenzen sollte konsequent entgegengetreten werden. Das Schicksal des Weimarer Reichstags darf sich nicht wiederholen.