Die Entscheidung, das G36 als Standardsturmgewehr der Bundeswehr auszumustern, wurde bereits unter Ursula von der Leyen getroffen. Als Grund wurde die nachlassende Präzision des G36 bei langem Dauerfeuer angeführt. Der Hersteller Heckler & Koch wurde dafür verantwortlich gemacht, jedoch ließ sich das renommierte Unternehmen diese Schmach nicht gefallen und wehrte sich erfolgreich. Dabei kamen peinliche Erkenntnisse über die Irrwege der Beschaffungsbürokratie ans Licht. Es stellte sich heraus, dass es eine Version des G36 gab, die der Hitze standgehalten hätte, jedoch hatte die Bundeswehr die Mehrkosten für das teurere Material eingespart.
Stolpersteine auf dem Weg zum neuen Sturmgewehr
Der Weg zu einem neuen Standardgewehr war alles andere als einfach. Zunächst setzte sich das MK 556 von Haenel durch, eine Traditionsfirma, die das legendäre “Sturmgewehr 44” entwickelt hatte. Allerdings war Haenel Außenseiter, da das Unternehmen keine aktuelle Erfahrung in der Produktion von Sturmgewehren hatte. Haenel gehört zur Merkel-Gruppe, die wiederum Teil der Tawazun Holding aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ist, Eigentümerin des Waffenproduzenten Caracal. Das MK 556 basiert auf dem Sturmgewehr Caracal Automatic Rifle (CAR) 816, das zur AR-15 Familie gehört. Dieses Modell basiert auf dem Entwurf des amerikanischen Konstrukteurs Eugene Stoner aus den 1950er Jahren.
Die Entscheidung für das MK 556 wurde jedoch von Heckler & Koch angefochten. Das MK 556 orientierte sich nicht nur an der AR15-Architektur, sondern auch an den Modellen und Patenten von Heckler & Koch. In einer erneuten Ausschreibung setzte sich schließlich das HK416 A8 im Jahr 2021 durch. Die Konkurrenz legte Einspruch gegen die Entscheidung ein, wodurch der Auftrag für 118.718 neue Sturmgewehre erst jetzt erteilt werden konnte. Die Kosten belaufen sich auf rund 209 Millionen Euro, also weniger als 2000 Euro pro Gewehr.
Altgediente Waffe
Das Grundmodell HK416 ist keineswegs neu. Es wird seit 2004 hergestellt und weltweit eingesetzt. Wie das Vorgängermodell G36 verwendet das HK416 das NATO-Kaliber 5,56 × 45. Das kleinere Kaliber ermöglicht es, Waffe und Munition leichter zu halten. Der Soldat kann mehr Patronen mit sich führen als beim alten G3, das das größere Kaliber 7,62 × 51 mm NATO verwendete. Ein Sturmgewehr ist in der Regel eine automatische Waffe mit einem mittleren Kaliber. Das Sturmgewehr 44 war ebenfalls ein Vollautomat mit einem Mittelkaliber zwischen Pistole und Gewehr. Es gilt als Ursprung aller Sturmgewehre und gab der Gattung ihren Namen. Bekannter wurde jedoch die sowjetische Nachkriegsentwicklung, der Automat Kalaschnikow AK-47. Die Schussfolge und das Kaliber sind in der Regel geringer als bei einem Maschinengewehr, jedoch stärker und durchschlagskräftiger als bei einer Maschinenpistole, die Pistolenmunition verwendet. Die korrekte Bezeichnung wäre also “Sturm-Karabiner” gewesen.
Je nach Einsatzzweck werden heutzutage verschiedene Varianten von Sturmgewehren gebaut. Großabnehmer wie die Bundeswehr lassen meist ein maßgeschneidertes Modell anfertigen. Die Varianten unterscheiden sich äußerlich hauptsächlich in der Länge des Laufs. Ein langer Lauf erhöht die Präzision auf größere Distanzen, während ein kurzer Lauf die Beweglichkeit in engen Räumen verbessert. Polizei und Spezialkräfte bevorzugen daher oft eine geringere Lauflänge.
Das Beste von zwei Vorbildern
Wie alle Sturmgewehre kann auch das HK416 Einzelschüsse, Feuerstöße oder Dauerfeuer abgeben. Die Munitionszufuhr erfolgt in militärischen Modellen vollautomatisch, es muss nur einmal der Abzug betätigt werden. Das HK416 ist ein sogenannter Gasdrucklader. Das bedeutet, dass ein Teil der Explosionsgase der Patrone durch eine Bohrung in den Lauf strömt und einen Kolben antreibt. Dieser Kolben bewegt den Verschluss. Die HK416 verwendet einen Kurzhub-Gasdrucklader mit Drehkopfverschluss. Dank dieser Konstruktion kommt es nur selten zu Ladehemmungen, da die Mechanik nicht durch Gase und Rückstände verschmutzt werden kann. Die Grundidee hinter dem HK416 war die Kombination des sicheren Hubsystems des G36 mit der Architektur der AR15, der erfolgreichsten Sturmgewehr-Familie weltweit.
Details werden sich noch ändern
Das Bundeswehr-Modell A8 ist 890 mm lang und wiegt 3,67 Kilogramm. Die A8-Variante verfügt über einen 16,5-Zoll-Lauf, ein spezielles Griffstück und eine andere Wangenauflage als die A7. Außerdem besitzt sie Aufnahmeschienen für ein Bajonett und einen 40-mm-Granatwerfer. Es wurde bereits Kritik an Details wie dem kurzen Handschutz geäußert, jedoch sollte man diese nicht überbewerten. Die Waffe wird zur Erprobung an die Bundeswehr übergeben und Erfahrungen aus der Praxis fließen in die Serienproduktion ein.
Die Entscheidung für das HK416 ist alles andere als revolutionär. Das Konzept des HK416 ist sicher und bewährt und wird seit etwa 20 Jahren weltweit, auch in Deutschland, eingesetzt. Dennoch hängt die tatsächliche Qualität der Bundeswehrmodelle nicht nur vom Konzept, sondern auch von der gewählten Ausführung, den Materialien und deren Verarbeitung ab.