Wir alle sind schon einmal in der Situation gewesen, bei der Wahl eines Arztes unsicher zu sein. Informationen über die Qualität der medizinischen Versorgung sind oft schwer zugänglich, und viele Menschen vermuten starke Unterschiede in der Betreuungsqualität zwischen verschiedenen Ärzten. Um diese Lücke zu schließen, wurden in Deutschland etwa 25 Arztbewertungsportale entwickelt, die eine Plattform für die Auswahl eines Arztes bieten.
Laut einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung in Deutschland sehen mehr als 90% der Befragten einen Mangel an Informationen bei der Auswahl eines Arztes. Gleichzeitig gehen mehr als die Hälfte der Bevölkerung von starken Unterschieden in der Qualität der medizinischen Versorgung bei verschiedenen Ärzten aus. Die Nutzung dieser Arztbewertungsportale hat einen signifikanten Einfluss auf die Arztwahl. In einer Umfrage der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg gaben 65,5% der Nutzer solcher Portale an, ihre Arztwahl auf Grundlage der bereitgestellten Informationen zu treffen. Doch die Auswahl eines Arztes scheint sehr subjektiv zu sein. Eine Studie von Carbonell und Brand zeigt, dass Kommentare und Bewertungen anderer Benutzer einen größeren Einfluss haben als Fakten wie Spezialisierung oder Erfahrung.
Eine andere Studie hat den Einfluss von Bewertungen genauer untersucht. In einer Simulation einer Arztbewertungsplattform wurde das Entscheidungsverhalten der Teilnehmer vor und nach der Präsentation von Bewertungen fiktiver Ärzte untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Teilnehmer deutlich häufiger Profile mit vielen Empfehlungen und Bewertungen auswählten. Negative Bewertungen oder eine geringe Anzahl von Bewertungen hatten hingegen eine abschreckende Wirkung auf die Teilnehmer.
Die Reputation auf Arztbewertungswebsites gewinnt auch eine wirtschaftliche Bedeutung. In den USA wurden Fälle gemeldet, in denen Ärzte Agenturen beauftragten, ihre Darstellung auf einer Bewertungsplattform zu verbessern. In Deutschland ist Jameda.de das beliebteste und bekannteste Arztbewertungsportal mit rund 6 Millionen monatlichen Nutzern und etwa 2 Millionen Patientenbewertungen. Mit 87,2% listet Jameda die Mehrheit der Ärzte in der ambulanten Versorgung auf. Auf Jameda erhalten gelistete Ärzte ein Profil, auf dem Patienten Bewertungen in Form von deutschen Schulnoten von 1 (beste) bis 6 (schlechteste) abgeben können. Jede Bewertung eines Patienten umfasst mindestens einen Text und Noten in 5 obligatorischen Kategorien, aus deren Durchschnittswerten die Gesamtnote einer einzelnen Bewertung berechnet wird. In weiteren 12 Kategorien können freiwillig Bewertungen abgegeben und der Arzt anderen Patienten empfohlen werden. Der Durchschnittswert dieser einzelnen Bewertungen wird verwendet, um die Gesamtnoten der Profile zu berechnen. Der Algorithmus zur Bestimmung von Empfehlungsquoten oder der Anzahl von Kollegenempfehlungen ist nicht bekannt. Benutzern wird nur eine einfache numerische Wertung angezeigt. Bewertungen, die älter als 4 Jahre sind, werden archiviert und von den Berechnungen ausgeschlossen. Gemeldete Bewertungen können von Jameda entweder ausgesetzt, gelöscht oder nach Überprüfung erneut veröffentlicht werden.
Allerdings ist die Rolle von Jameda als neutrale Vermittlungsplattform umstritten. Jameda, wie auch andere deutsche Bewertungswebsites, bietet monatliche kostenpflichtige Mitgliedschaftspakete (Gold, Gold Pro und Platinum) für Ärzte an. Jedes dieser Pakete bietet eine schrittweise Erweiterung der Funktionalitäten. Ab der Gold-Mitgliedschaft ist es beispielsweise möglich, ein Profilbild hinzuzufügen. Höherwertige Mitgliedschaftspläne beinhalten zusätzliche Dienstleistungen wie die Vergabe von Terminen und die Möglichkeit zu webbasierten Konsultationen. Jameda widerspricht Behauptungen, dass ein kostenpflichtiges Mitgliedschaftspaket einen positiven Einfluss auf Bewertungen oder Listungsränge hat.
Bisher wurde der Einfluss kostenpflichtiger Mitgliedschaften nicht wissenschaftlich untersucht. Ziel dieser Studie war es daher, zu untersuchen, ob der Mitgliedschaftsstatus eines Arztes Auswirkungen auf quantitative Bewertungsfaktoren hat und diese möglicherweise zu quantifizieren. Insbesondere wurden die Schlüsselparameter – Gesamtnote, Notenverteilung, Anzahl der Bewertungen, Empfehlungsquote, Kollegenempfehlungen und Profilansichten – in Abhängigkeit vom Mitgliedschaftsstatus (nicht zahlend, Gold und Platinum) analysiert.
Wir sind gespannt darauf, was diese Studie über den Einfluss von kostenpflichtigen Mitgliedschaften auf Arztbewertungswebsites enthüllen wird. Die Ergebnisse können zur Verbesserung der Transparenz und Qualität der Arztbewertungsportale beitragen und Patienten dabei unterstützen, fundierte Entscheidungen über ihre medizinische Betreuung zu treffen.
Quellen:
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