Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte: Garant für Gerechtigkeit und Freiheit

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte: Garant für Gerechtigkeit und Freiheit

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) spielt eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und ihrer Zusatzprotokolle. Als unabhängiges Gericht sorgt er dafür, dass die Grundrechte und Freiheiten der europäischen Bevölkerung gewahrt werden.

Die Organisation des EGMR

Bis Ende Oktober 1998 lag die Prüfung von Beschwerden über Verstöße gegen die EMRK und ihre Zusatzprotokolle hauptsächlich beim Europäischen Kommission für Menschenrechte. Diese erstattete Bericht an das Minister*innenkomitee über zulässige Beschwerden. Die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte konnte von den Staaten frei anerkannt werden.

Seit dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls Nr. 11 im Jahr 1998 entscheidet ausschließlich der ständige Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über zulässige Beschwerden. Das Minister*innenkomitee des Europarates ist weiterhin für die Durchsetzung der Urteile verantwortlich.

Die Zusammensetzung des EGMR

Der EGMR setzt sich aus Vollzeitrichterinnen zusammen und ist in vier Sektionen unterteilt. Je nach Bedeutung des Falls entscheidet entweder die Große Kammer mit 17 Richterinnen, die Kleine Kammer mit 7 Richterinnen oder ein Ausschuss von drei Richterinnen. Das Amt desder Einzelrichterin wurde mit dem Zusatzprotokoll Nr. 14 eingeführt, um offensichtlich unzulässige Individualbeschwerden endgültig abzulehnen und den Gerichtshof zu entlasten.

Die derzeitigen 47 Richterinnen werden von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates aus einer Liste von drei Kandidierenden gewählt, die vom jeweiligen Staat vorgeschlagen werden. Die gewählten Richterinnen sind unabhängig und vertreten nicht einen bestimmten Staat. Sie werden für eine Amtsperiode von neun Jahren gewählt und dürfen zum Zeitpunkt der Einreichung der Kandidaturen bei der parlamentarischen Versammlung nicht älter als 65 Jahre sein.

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Die Arbeitsweise des EGMR

Der Gerichtshof kann seine Verfahrensabläufe weitgehend selbst bestimmen und hat dafür die “Rules of Court” festgelegt. Die EMRK legt nur den Rahmen fest und bestimmt die Kompetenzen der verschiedenen Formationen des Gerichtshofs. Traditionell wurden Zulässigkeit und sachliche Begründetheit einer Beschwerde getrennt entschieden. Seit dem 14. Zusatzprotokoll ist jedoch eine gleichzeitige Entscheidung zu beiden Punkten die Regel.

Neu kann auch ein Ausschuss von drei Richter*innen bei Einstimmigkeit endgültig in einem Fall entscheiden. Bei Uneinigkeit wird der Fall an die Kleine Kammer überwiesen, deren Entscheidungen wiederum innerhalb von drei Monaten an die Große Kammer weitergezogen werden können. Die Kleine Kammer kann auch direkt einen Fall an die Große Kammer überweisen, wenn eine schwierige Auslegungsfrage oder eine Änderung der Rechtsprechung absehbar ist. Seit dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls Nr. 15 im Jahr 2021 können die Streitparteien dies nicht mehr durch Einspruch verhindern.

Die Umsetzung der Urteile durch das Minister*innenkomitee

Urteile des EGMR sind rechtlich bindend und müssen von den Staaten respektiert und umgesetzt werden. Das Minister*innenkomitee des Europarates ist für die Überwachung der Umsetzung der Urteile zuständig. Es trifft sich viermal im Jahr, um die Umsetzung der Urteile zu besprechen.

Die betroffenen Staaten müssen in sogenannten “action reports” Rechenschaft über die Umsetzung der Urteile ablegen. Ist das Ministerinnenkomitee mit der Umsetzung zufrieden, erlässt es eine “final resolution”, die den Fall abschließt. Ist das Ministerinnenkomitee unzufrieden, stellt es formell fest, dass die Umsetzung nicht erfolgt ist, und fordert den Staat auf, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Obwohl das Druckmittel des Minister*innenkomitees relativ schwach ist, da es keine eigene Regierung hat, respektieren die meisten Staaten die Urteile und setzen sie um. Nur wenige Urteile werden aus innenpolitischen Gründen offen kritisiert. Strukturelle Probleme können jedoch die Umsetzung der Urteile erschweren.

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Die Arbeit des EGMR hat maßgeblich zu einem demokratischen Europa beigetragen, in dem Menschenrechte und Grundfreiheiten einen hohen Stellenwert haben. Viele grundlegende Urteile haben zu Änderungen der Gesetzgebung und des Umgangs der Mitgliedstaaten mit den Menschenrechten geführt und damit zu einer Vereinheitlichung der Standards im Bereich der Rechte der europäischen Bürgerinnen und Bürger.

Die Überlastung des EGMR

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte steht regelmäßig aufgrund der großen Anzahl an schwebenden Beschwerden in der Kritik. Ende 2021 waren über 70.000 Verfahren anhängig. Dieser hohe Berg an unerledigten Fällen ist vor allem auf die Zunahme der Beschwerden in den letzten Jahren und die begrenzten personellen Ressourcen zurückzuführen. Um die Anzahl der unerledigten Fälle zu reduzieren, wurden im 14. und 15. Zusatzprotokoll Maßnahmen festgelegt, die den Zugang zum EGMR erschweren. Mit dem 14. Zusatzprotokoll wurden im Jahr 2010 Werkzeuge zur effizienteren und schnelleren Ablehnung unzulässiger Beschwerden eingeführt. So kann der Gerichtshof eine Beschwerde ablehnen, wenn die beschwerdeführende Person keinen “erheblichen Nachteil” erlitten hat. Durch die Verzögerung bei der Ratifizierung des Zusatzprotokolls Nr. 14 durch Russland hat der Gerichtshof seine Rechtsprechung angepasst und neue Verfahren, wie das Piloturteil-Verfahren, entwickelt.

Mit dem Inkrafttreten des 15. Zusatzprotokolls im Jahr 2021 wurde die Beschwerdefrist von sechs auf vier Monate verkürzt. Außerdem können die Richter*innen jetzt Fälle ohne “erheblichen Nachteil” auch ohne weitere Prüfung ablehnen, wenn die nationalen Gerichte den Fall nicht ordnungsgemäß geprüft haben. Dies könnte für Personen aus Staaten ohne ausreichenden Rechtsschutz eine Benachteiligung darstellen. Mit dem 15. Zusatzprotokoll wurde auch das Prinzip der Subsidiarität ausdrücklich in der Präambel der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert. Dieses Prinzip besagt, dass die Vertragsstaaten in erster Linie für die Einhaltung und Umsetzung der EMRK verantwortlich sind und ihnen dabei ein gewisser Ermessensspielraum zusteht. Die Ergänzung der Präambel bestätigt Grundsätze, die der Gerichtshof bereits in seiner Rechtsprechung konkretisiert hat, jedoch erstmals ausdrücklich in der Konvention erwähnt werden. Damit wird deutlich, dass der Gerichtshof zunehmend die Ausgestaltung der Menschenrechte den nationalen Gerichten überlässt.

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Staatenbeschwerden vor dem EGMR

Gemäß Artikel 33 der EMRK haben auch Staaten die Möglichkeit, andere Staaten wegen Verletzungen der EMRK vor dem Gerichtshof zu verklagen. Im Gegensatz zur Individualbeschwerde wird bei der Staatenbeschwerde nicht gefordert, dass der klagende Staat selbst betroffen ist. Daher muss der Staat keine eigenen Rechte oder die Rechte seiner Staatsangehörigen geltend machen. Obwohl Staatenbeschwerden selten vorkommen, haben sie politisch eine große Bedeutung.

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