Die Wirklichkeitsvorstellungen eines deutschen Geisteswissenschaftlers unterscheiden sich von denen eines Rastafarians aus Sansibar, Tansania oder Uganda.
Die Rastafari-Religion zeigt neben dem Kampf der entrechteten Schwarzen als emanzipatorisches Element auch deutlich autoritäre Züge. In einigen Gesprächen in Ostafrika wurde zudem die individuelle Verschiedenheit von Rastafari-Mentalitäten deutlich. Als europäischer Reisender und Historiker fällt es schwer, diese zu kennzeichnen, da die Wirklichkeitsvorstellungen eines deutschen Geisteswissenschaftlers andere sind als die eines Rastafarians aus Sansibar, Tansania oder Uganda. Aus diesem Grund kann es hier nur um eine Annäherung gehen.
Zur Geschichte:
In den 1840er Jahren wurden sogenannte Native Baptists in Jamaika zu einer eigenständigen Religionsgemeinschaft neben dem weißen Christentum. Sie vermischten christliche Vorstellungen mit afrikanischer Spiritualität und übten ihren Glauben in Gottesdiensten aus, in denen der Heilige Geist (analog zur animistischen Geistesbesessenheit) eine Rolle spielte. Im jamaikanischen Sklavenaufstand von 1831/32 wurde die Bibel als Beleg für die Unchristlichkeit der Sklaverei herangezogen. Das synkretistische Element dieses schwarzen Baptismus zeigte sich in der afro-jamaikanischen Interpretation, dass Sünde kein Übergriff gegen Gott, sondern Schadenszauber von Menschen gegen die menschliche Gesellschaft sei. Diese Vorstellung eines Schadenszaubers findet sich in afrikanischen Kulturen bis heute. Im Unterschied zur Hexenverfolgung der frühen Neuzeit, die vor allem Angehörige unterprivilegierter und marginalisierter Gruppen betraf, bezieht sich diese Definition eher auf die Ausübung von Macht durch undurchschaubare herrschende Institutionen und Individuen. In Haiti wurden im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts die tontons macoutes, Angehörige von Duvaliers Geheimpolizei, als Schadenszauberer angesehen.
Die Interpretation der Bibel, die in Jamaika das einzige Buch im 19. Jahrhundert war, ermöglichte den entrechteten Sklaven, ihre eigene Entwurzelung aufzubrechen und eine Gegenmacht zur “weißen” Geschichtsinterpretation aufzubauen. Dabei spielt der äthiopische Äthiopianismus eine wichtige Rolle, der auf dem Befreiungssynkretismus der amerikanisch-karibischen Schwarzenbewegungen des 19. Jahrhunderts basiert. Der äthiopische Kaiser Menelik II. spielt eine zentrale Rolle in der Rastafari-Bewegung, da er bei den Schwarzen in Afrika und in der schwarzen Diaspora als Messias angesehen wird. Die Rastafaribewegung basiert auf einer Synthese aus afrikanischen, jüdischen und christlichen Traditionen.
Die Religion:
Die Rastafari-Religion unterscheidet sich grundlegend vom europäischen Christentum. Obwohl sie die Bibel als Grundlage ihres Glaubens verwenden, lehnen sie Teile ab, da diese aus ihrer Sicht von den Sklavenhaltern manipuliert wurden. Für die Rastafari ist Haile Selassie, der König von Äthiopien, der Mensch gewordene Gott, der in dieser Welt lebt. Das Leben besteht aus Reinkarnationen, und Afrika wird als das “gelobte Land” betrachtet. Die Rastafari glauben an die absolute Gleichberechtigung von Männern und Frauen und leben im Einklang mit der Natur. Sie sind gegen den Konsum von Alkohol, Nikotin und ungesundem Essen. Die Rastafari betrachten sich als eine große Familie und helfen einander.
Rastafari in Tansania und Uganda:
Die Rastafari in Ostafrika definieren sich nicht mehr primär über den Ort Afrika, sondern über ihre Zugehörigkeit zur Rastafamilie. In Sansibar wird die Rastafaribewegung besonders stark gelebt, da die Insel eine wichtige Rolle im Sklavenhandel spielte. Die Rastafari in Sansibar sind sehr verbindlich und bilden auf der gesamten Insel Netzwerke. In Tansania und Uganda sind die Rastafari eher eine Außenseiterkultur und werden nicht gerne gesehen. Viele Rastafari in Uganda geben vor, Rastafarians zu sein, sind es aber nicht im eigentlichen Sinn.
Insgesamt zeigen die individuellen Erfahrungen mit Rastafari in Ostafrika, dass es viele Unterschiede und Nuancen innerhalb dieser Bewegung gibt. Die Rastafari haben ihre eigene Weltsicht und ihre eigene Art, ihren Glauben zu leben. Sie leben in verschiedenen sozialen und kulturellen Kontexten und definieren sich unterschiedlich über ihre afrikanischen Wurzeln, den Glauben an Haile Selassie und die Rastafarikultur.