Eine angehende Referendarin teilt ihre Einsichten und Erlebnisse im Vergleich zwischen allgemeinbildenden Schulen und beruflichen Schulen. Basierend auf ihren Beobachtungen hat sie sich letztendlich für das Referendariat an einer beruflichen Schule entschieden. In diesem Artikel werden die wesentlichen Unterschiede sowie die Erfahrungen der Studentin beleuchtet.
Definition: Berufliche und allgemeinbildende Schulen
Berufsbildende Schulen sind Schulformen, die mit einem beruflichen oder berufsorientierten Abschluss enden. Dazu gehören Berufsschulen der dualen Berufsausbildung, Meisterkurse, Berufskollegs, Akademien, Berufsfachschulen sowie Schulen, die zum Abitur führen, wie Fachoberschulen oder berufliche Gymnasien mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Allgemeinbildende Schulen hingegen sind nicht berufsorientierte Schulformen wie Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien, Gesamtschulen, Förderschulen und Abendgymnasien.
Insgesamt besuchen mehr Schülerinnen und Schüler allgemeinbildende Schulen (8,4 Millionen) als berufliche Schulen (2,3 Millionen). Je nach Bundesland haben Referendarinnen und Referendare allgemeinbildender Fächer wie Deutsch, Englisch, Mathematik oder Physik die Möglichkeit, im beruflichen Schulwesen Fuß zu fassen oder umgekehrt. In Baden-Württemberg zum Beispiel müssen Referendarinnen und Referendare, die im beruflichen Bereich ausgebildet wurden, eine zusätzliche Lehrprobe in der Sekundarstufe I absolvieren, um die Lehrberechtigung für allgemeinbildende Schulen zu erhalten.
Die wesentlichen Unterschiede
1) Die Schülerinnen und Schüler
Im beruflichen Schulwesen hat man es oft mit einem etwas ruppigeren Klientel zu tun, vergleichbar vielleicht mit der Hauptschule. Dies betrifft vor allem handwerkliche Berufe an der Berufsschule und besonders berufsvorbereitende Formen. Auch die Fehlquote (“schwänzen”) ist an beruflichen Schulen ziemlich hoch, was zu erhöhtem Verwaltungsaufwand führt.
2) Die Kolleginnen und Kollegen
Nicht nur die Schülerschaft, sondern auch das Kollegium weist eine etwas unterschiedliche Mentalität auf. An beruflichen Schulen läuft der Alltag sehr geerdet ab. Die Erwartungen der beruflichen Kolleginnen und Kollegen sind häufig sehr zielgerichtet und orientieren sich an der beruflichen Realität oder den angestrebten Abschlüssen.
3) Eltern
An allgemeinbildenden Schulen sind die Eltern Teil des pädagogischen Prozesses, vor allem an Grundschulen und Gymnasien. An beruflichen Schulen integrieren sich viele Eltern nicht so stark in den Werdegang ihrer Kinder. Das kann einerseits befreiend empfunden werden, hat aber auch eine deprimierende Dimension, wenn Eltern am Werdegang ihrer Kinder kaum teilhaben.
4) Prüfungen
An allgemeinbildenden Schulen gibt es meistens einen Prüfungstermin im Jahr, während an berufsbildenden Schulen mehrere Prüfungstermine anstehen. Der Verwaltungsaufwand ist an beruflichen Schulen wesentlich höher. Allerdings ist die Diskussion um Noten oft nicht so ausgeprägt wie an allgemeinbildenden Schulen.
5) Konferenzen
Die Konferenzfrequenz ist an vielen beruflichen Schulen deutlich niedriger als an allgemeinbildenden Schulen. Curriculare oder pädagogische Diskussionen verlaufen an beruflichen Schulen in der Regel sehr übersichtlich.
6) Schulleben / Kultur
An vielen allgemeinbildenden Gymnasien herrscht ein reges kulturelles Leben, während dies an beruflichen Schulen weniger verbreitet ist, es sei denn, einzelne Lehrerinnen und Lehrer engagieren sich stark.
Eindrücke aus der Praxis einer Lehramtsstudentin
Saskia L. hat ihr Lehramtsstudium abgeschlossen und dabei Praktika sowohl an beruflichen als auch an allgemeinbildenden Schulen absolviert. Sie teilt ihre Eindrücke und begründet, warum sie sich für ein Referendariat im beruflichen Schulwesen entschieden hat.
Sie betont die höhere Heterogenität der Schülerinnen und Schüler sowie das breite Spektrum an Abschlüssen an beruflichen Schulen, was den Lehreralltag interessanter gestaltet. Zudem bevorzugt sie den Umgang mit älteren Schülerinnen und Schülern, was ebenfalls für den beruflichen Schulzweig spricht. Aufgrund der besseren Einstellungschancen für Berufsschullehrerinnen und -lehrer möchte sie sich jedoch im Referendariat auch die Option für das allgemeinbildende Gymnasium offenhalten.