Bild: “How to make a baby (out of paper)” von moppet65535. Lizenz: CC BY-SA 2.0
Der Missbrauch der Vertretungsmacht sollte nicht mit dem falsus procurator, also dem Vertreter ohne Vertretungsmacht, verwechselt werden. Der falsus procurator handelt im Außenverhältnis ohne Vertretungsmacht. Dadurch ist seine Erklärung grundsätzlich nicht wirksam und bindet den Vertretenen gemäß § 164 Abs. 1 BGB nicht.
Ein Beispiel verdeutlicht den Unterschied:
Variante 1: A beauftragt B, das Gemälde “Stillleben” im Antiquitätenladen von C zu kaufen. Dazu erhält B eine Vollmacht. B geht in den Laden, kauft jedoch nicht das gewünschte Gemälde, sondern ein anderes, von ihm ausgesuchtes. A ist verärgert und verlangt von C die Rückgabe des Kaufpreises gegen Herausgabe des Gemäldes.
In der ersten Variante handelt B im Außenverhältnis innerhalb der Vertretungsmacht, widersetzt sich jedoch den Abmachungen im Innenverhältnis. Dies stellt einen Missbrauch der Vertretungsmacht dar.
Variante 2: A beauftragt B ebenfalls, das Gemälde “Stillleben” bei C zu kaufen. B erhält jedoch nur die Außenvollmacht, das Gemälde “Stillleben” zu erwerben. B kauft stattdessen das Gemälde “Seeschlacht”. A verlangt von C die Rückgabe des Kaufpreises gegen Herausgabe des Gemäldes.
In der zweiten Variante überschreitet B die Grenzen seiner Vollmacht und wird zum Vertreter ohne Vertretungsmacht.
Die Behandlung des Missbrauchs der Vertretungsmacht
1. Grundsätzliche Auswirkungen
Der Missbrauch der Vertretungsmacht steht einer wirksamen Stellvertretung grundsätzlich nicht entgegen. Dies ergibt sich zum einen aus der Abstraktheit der Vollmacht. Die Vollmacht und das zugrunde liegende Rechtsverhältnis sind zwei unabhängige Rechtsgeschäfte.
Zum anderen darf der Missbrauch der Vertretungsmacht keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Stellvertretung haben. Der Vertragspartner (in diesem Fall C) ist nicht erkennbar, ob der Vertreter im Innenverhältnis beschränkt ist. Er vertraut auf die bestehende Vollmacht und ist daher schutzwürdig. Schließlich trägt der Vertretene das Risiko dafür, dass sich der Vertreter an die Vorgaben aus dem Innenverhältnis hält.
2. Ausnahmen: Kollusion und Evidenz
Wie so oft gibt es auch beim Missbrauch der Vertretungsmacht Ausnahmen: Kollusion und Evidenz.
a. Kollusion
In einem solchen Fall ist nicht der Dritte schutzwürdig, sondern der Vertretene. Das abgeschlossene Rechtsgeschäft ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
b. Evidenz
Hier hat der Dritte seine Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen. Die Ansichten hinsichtlich der Rechtsfolge sind unterschiedlich.
Der BGH vertritt die Ansicht, dass dem Vertretenen wegen Rechtsmissbrauch die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB zusteht. Das Rechtsgeschäft ist grundsätzlich wirksam, jedoch steht seiner Durchsetzbarkeit eine Einrede entgegen.
Nach Ansicht der Literatur ist § 177 BGB analog anzuwenden. Das Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam und hängt von der nachträglichen Genehmigung des Vertretenen ab. Die Vertretergenehmigung ermöglicht es dem Vertretenen, ein ihm vorteilhaftes Rechtsgeschäft an sich zu ziehen.
Letztendlich steht es dem Vertretenen frei, ob er die Einrede geltend macht oder nicht. Die Rechtsfolgen der beiden Ansichten unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander.
Diese Ausnahmen existieren, weil der Vertragspartner in den Fällen von Kollusion und Evidenz weniger schutzwürdig ist. Es ist unbillig, ihm einen wirksamen Vertrag bei Missbrauch der Vertretungsmacht zu gewähren.
Fazit
Der Missbrauch der Vertretungsmacht ist möglich. Es ist jedoch wichtig, die Abgrenzung zum falsus procurator zu verstehen und in einer Klausur zu erkennen. Ebenso sollte man die Behandlung von Kollusion und Evidenz beherrschen.