An einem wunderschönen Sommermorgen, unter strahlend blauem Himmel, betrete ich das “SeeCamp”. Dieser Campingplatz wird seit Januar 2022 von Odin und Ben gemeinsam geführt. Sofort fühle ich mich wie im Urlaub. Die Atmosphäre erinnert mich an einen entspannten Tag am Meer. Das Gespräch mit den beiden findet auf der Terrasse unter bunten Wimpeln vor dem liebevoll renovierten Einkaufsmarkt statt. Die Sonnenschirme spenden angenehmen Schatten, während wir uns über ihren neuen Lebensweg unterhalten.
Der Weg zurück zur Natur
Odin, der mit bürgerlichem Namen Ottmar Dillamar heißt, und sein Freund Benjamin Arndt sind als “Landeier” in einem kleinen Dorf mit nur 800 Einwohnern aufgewachsen. Wie so viele junge Menschen zog es sie später in die Stadt. Nach vielen Jahren in Nürnberg fiel es ihnen jedoch mit zunehmendem Alter immer schwerer, in das Großstadtleben zurückzukehren. Besonders die Corona-Pandemie verstärkte diesen Wunsch nach Veränderung. Die Enge, die Ich-Bezogenheit und die Anonymität in der Stadt wurden zur Belastung.
Ein Traum wird Wirklichkeit
Die Idee, einen eigenen Campingplatz zu betreiben, begleitete die beiden schon lange. Durch die Pandemie erhielt dieser Traum neuen Auftrieb. Bei seiner Recherche stieß Odin zufällig auf den Deutschen Campingclub (DCC), der einen neuen Pächter für den Campingplatz an der Romantischen Straße suchte – damals noch als “SeeCamp” bekannt. Odin und Ben zögerten nicht lange und schickten ihre Bewerbung mit einem 10-Jahres-Konzept ab. Die Idee überzeugte und schon bald erhielten sie die Zusage. So brachen sie ihre Zelte in Nürnberg ab und leben seitdem ihren Traum vom eigenen Campingplatz mitten im Grünen.
Die Herausforderungen des neuen Lebens
Anfangs behielt Odin noch Anteile an seinem florierenden Friseursalon in Nürnberg. Doch der Campingplatz forderte ihre volle Aufmerksamkeit. Mit über 12 Hektar und Platz für 160 Dauercamper sowie weitere 320 Kurzzeitstellplätze benötigte der Campingplatz fast das ganze Jahr über ihre volle Aufmerksamkeit. Die beiden arbeiten fast jeden Tag von morgens bis abends, manchmal sogar bis tief in die Nacht, um ihren Gästen einen unvergesslichen Aufenthalt zu bieten. Da blieb keine Zeit mehr für den Friseursalon, und Odin verkaufte seine Anteile.
Eine neue Vision für den Campingplatz
Das harte Arbeitspensum der beiden zahlt sich aus. Auf dem Campingplatz hat sich bereits einiges getan. Die alte Minigolfanlage, die in den letzten Jahren vernachlässigt wurde, wurde abgerissen und einem Streichelzoo Platz gemacht. Dort tummeln sich nun unter anderem Enten und Ziegen, die vor allem die jüngsten Gäste erfreuen. Der Einkaufsmarkt und die Rezeption wurden vollständig renoviert und eine farbenfrohe Beschilderung verbreitet ab dem ersten Moment Urlaubsfeeling. Ein neues Logo für das “SeeCamp” Dinkelsbühl rundet das neue Erscheinungsbild ab.
Die Liebe zur Natur und zur Region
Für Odin und Ben sind Naturverbundenheit und Nachhaltigkeit zentrale Werte. Sie wollen den Lebensraum für Insekten erhalten und achten darauf, dass jede Pflanze ihre Berechtigung hat. Müllvermeidung und Regionalität spielen ebenfalls eine große Rolle. Statt Papiertüten für Brötchen gibt es nun wiederverwendbare Stoffbeutel, und regionale Betriebe werden bevorzugt. Milch, Brötchen, Eier und Fleisch stammen von kleinen Produzenten aus der Umgebung. Auch bei Getränken setzen sie auf lokale Produkte wie Bissinger Säfte und Bier von der örtlichen Brauerei Hauf.
Die Vorteile des Lebens im Grünen
Die beiden genießen das Leben auf dem Land in vollen Zügen. Die schnellen Wege und die fehlende Hektik des Stadtverkehrs sind für sie ein großer Pluspunkt. Wenn auch die Einkaufsmöglichkeiten nicht so reichhaltig wie in Nürnberg sind, findet man in Dinkelsbühl doch alles, was man für den täglichen Bedarf benötigt. Auch die engeren sozialen Kontakte sind für Odin und Ben ein großer Gewinn. Wenn jemand Hilfe benötigt, wird schnell und unbürokratisch angepackt.
Der Medienrummel
Durch diverse Medienberichte ist das “SeeCamp” Dinkelsbühl mittlerweile weit über die Region hinaus bekannt. Der Umzug vom Stadtleben aufs Land und das Thema LGBTQ+ passen gut in aktuelle Formate und haben für viel Aufsehen gesorgt. Doch der Rummel um ihre Person hat auch Schattenseiten. Viele Besucher erwarten, dass Odin und Ben persönlich vor Ort sind und möchten Fotos machen oder die beiden kennenlernen. Die hohe Nachfrage und der Personalmangel stellen die beiden Campingplatzbetreiber vor große Herausforderungen. Glücklicherweise unterstützen ihre Dauercamper tatkräftig und ehrenamtlich bei vielen Aufgaben. So kann der Alltag auf dem Platz bewältigt werden.
Die Vision für die Zukunft
Mittlerweile konnten Odin und Ben zuverlässiges Personal für das Restaurant gewinnen und sich zumindest einen freien Tag in der Woche gönnen. Sie träumen davon, das Wintercampen anzubieten und beheizbare Saunafässer am See zu installieren. Zudem sollen Premiumstellplätze mit Terrassen und Whirlpools das Wellness-Angebot erweitern. Die Infrastruktur des Campingplatzes soll weiter ausgebaut werden. Geplant ist unter anderem eine Gästekarte mit vergünstigten Konditionen für Museen und Attraktionen, um den Aufenthalt im “SeeCamp” noch attraktiver zu gestalten. Das große Ziel ist eine dauerhafte Vollauslastung des Campingplatzes, doch dafür fehlt es zurzeit noch an ausreichendem Personal.
Impressionen
Beschilderung SeeCamp Dinkelsbühl
Odin & Ben hinter dem Tresen der Rezeption