Der Wissenschaftsstandort USA: Ein Vergleich mit deutschen Universitäten

Der Wissenschaftsstandort USA: Ein Vergleich mit deutschen Universitäten

Die Universitäten in den USA sind immer wieder ein heißes Diskussionsthema. Das “anglo-amerikanische” Hochschulsystem, von dem viele sprechen, würde sowohl britische als auch amerikanische Hochschulen kaum wiedererkennen. Doch bei genauerer Betrachtung gibt es sowohl überraschende Gemeinsamkeiten als auch deutliche Unterschiede zwischen den USA und Deutschland – einige bekannt, andere oft übersehen.

Massenuniversität und Bildungsbeteiligung

In den USA gibt es die Massenuniversität mit hoher Bildungsbeteiligung schon seit zwei bis drei Jahrzehnten länger als in Deutschland. Doch auch dort sind einige damit verbundene Probleme ungelöst, was darauf hindeutet, dass es wahrscheinlich keine Patentrezepte für bildungspolitische Herausforderungen gibt. Die Regelstudienzeit wird sowohl hier als auch dort um etwa die Hälfte überschritten, und etwa ein Drittel der Studienanfänger erreicht nie einen Abschluss. Nur 57,1 Prozent der Studenten, die 1999 ein Vollzeitstudium mit dem Ziel eines Bachelor-Abschlusses begonnen haben, hatten diesen Abschluss sechs Jahre später erreicht. An den gemeinnützigen Privathochschulen liegt die Graduierungsrate nach sechs Jahren mit 64 Prozent etwas höher als im Durchschnitt, im “for profit”-Sektor liegt sie dagegen dramatisch niedriger bei 29 Prozent im Vergleich zu den staatlichen Hochschulen (54 Prozent).

Dauer des Studiums

In Deutschland wie in den USA dauert es länger als die nominelle Regelstudienzeit, um das Bachelor-Studium abzuschließen. An öffentlichen Hochschulen in Deutschland beträgt die Studiendauer im Median 6,2 Jahre, an privaten 5,3 Jahre. An Spitzenhochschulen wie Princeton oder Harvard schließen über 95 Prozent der Studenten ihr Studium innerhalb von sechs Jahren ab, aber schon an Berkeley oder UCLA sinkt dieser Prozentsatz auf unter 90 Prozent. Ab Rangplatz 60 werden 75 Prozent kaum je übertroffen.

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Promotionsstudium und seine Dauer

Das Promotionsstudium in den USA dauert im Durchschnitt 7,5 Jahre, meist ohne vorhergehendes Masterstudium. Das Durchschnittsalter der Absolventen liegt mit 33,3 Jahren etwas höher als in Deutschland (32,8 Jahre). Nach zehn Jahren haben in den USA 56,6 Prozent der Promotionskandidaten tatsächlich einen PhD erworben.

Soziale Ungleichheit beim Hochschulzugang

Sowohl in Deutschland als auch in den USA haben Kinder wohlhabender und gebildeter Familien bessere Chancen auf den Hochschulzugang. Allerdings ist die Überrepräsentanz von Akademikerkindern in Deutschland noch stärker ausgeprägt. In den USA sind sie um 76 Prozent stärker vertreten als der Akademikeranteil in der Vätergeneration, in Deutschland sogar um 131 Prozent.

Forschung und Entwicklung

Deutschland und die USA investieren zwischen 2,5 Prozent und 2,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung (FuE). Der Forschungsoutput beider Länder ist ebenfalls proportional: Die deutsche Forschung produzierte 2005 8,4 Prozent der im Science Citation Index erfassten Publikationen, während die USA bei viereinhalb mal soviel FuE-Ausgaben 30,8 Prozent der SCI-Einträge verzeichnen konnten.

Betreuungsrelation und Personalstruktur

Die “Betreuungsrelation” zwischen Studenten und wissenschaftlichem Personal ist ähnlich in Deutschland und den USA. Laut OECD-Statistik kommen in deutschen Hochschulen auf einen Wissenschaftler gut 12 Studenten, in den USA knapp 16.

Ein großer struktureller Unterschied betrifft jedoch die Personalstruktur. In den USA sind knapp die Hälfte des wissenschaftlichen Personals an Hochschulen Professoren, davon etwa ein Drittel Assistant Professors, die noch keine Dauerstelle haben. In Deutschland sind dagegen nicht einmal ein Viertel der Wissenschaftler an Hochschulen Professoren, und deutsche Nachwuchswissenschaftler sind in einem Lebensalter, in dem ihre amerikanischen Kollegen bereits die erste Professur bekleiden, in der Regel Assistenten mit befristeten Arbeitsverträgen und wenig oder keiner Lehrverpflichtung.

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Finanzierung der Hochschulen

Ein frappierender Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Hochschulen liegt in ihrer finanziellen Ausstattung. 2005 standen öffentlichen Hochschulen in den USA (ohne Community Colleges) durchschnittlich 26.000 Dollar pro Student zur Verfügung, während private Hochschulen sogar über 38.000 Dollar pro Student erhielten. Deutschen Hochschulen standen im selben Jahr knapp 11.000 Euro pro Student zur Verfügung. Ein Großteil des Unterschieds liegt in Studiengebühren, Spenden und Einnahmen aus Vermögen.

Die Bedeutung privater Hochschulen

Die Bedeutung privater Hochschulen ist einer der auffälligsten Unterschiede zwischen den beiden Systemen. Doch auch in den USA entfallen 74 Prozent der Studenten auf staatliche Hochschulen. Da diese für Landesbewohner stark ermäßigte Gebühren erheben und vom Staat subventioniert werden, sind sie für einkommensschwache Familien leichter zugänglich. Allerdings sind selbst an renommierten öffentlichen Universitäten Studenten aus ärmeren Familien stark unterrepräsentiert. Der Einfluss von Regierungen und Spendern endet auch nicht mit der Ernennung des Universitätspräsidenten.

Fazit

Die Unterschiede zwischen deutschen und amerikanischen Hochschulen sind vielfältig und betreffen verschiedene Bereiche wie Hochschulzugang, Studiendauer, Promotionsstudium, Finanzierung, Personalstruktur und Leitungsstruktur. Die amerikanischen Hochschulen haben eine bessere finanzielle Ausstattung und ein ausdifferenzierteres System, während deutsche Hochschulen eine höhere Überrepräsentanz von Akademikerkindern aufweisen. Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile, und es gibt keine einfache Lösung für bildungspolitische Herausforderungen. Jedoch können wir in beiden Ländern von den Erfahrungen des jeweils anderen lernen, um unsere Hochschulen weiterzuentwickeln und die Qualität der Bildung zu verbessern.

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Quelle: Bericht 2007 der DAAD-Außenstelle New York, zuerst veröffentlicht in: DAAD (Hrsg.): Berichte der Außenstellen 2007. Bonn 2008, S. 78 bis 102. (Übersetzung des Originalartikels)

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