Deutsch oder dänisch? Die Schleswig-Frage

Deutsch oder dänisch? Die Schleswig-Frage

Im Frühjahr 1920 wurde im Land zwischen den Meeren, dem nördlichsten Gebiet des damaligen Deutschen Reiches, die sogenannte Schleswig-Frage zum heißen Thema. Die Region gehörte einst zur dänischen Krone und die Streitereien um das Land Schleswig reichen weit ins 19. Jahrhundert zurück. Jetzt stand die Entscheidung an: Deutsch oder dänisch?

Volksabstimmungen als Folge des Friedensvertrags von Versailles

Der Friedensvertrag von Versailles im Jahr 1919 brachte nach dem Ende des Ersten Weltkriegs eine Neuordnung der europäischen Landkarte mit sich. Elsass-Lothringen wurde vom Deutschen Reich abgetrennt und andere Landesteile sollten in Volksabstimmungen über ihre Zugehörigkeit entscheiden. So kam es auch im nördlichsten Zipfel Norddeutschlands zur Abstimmung.

Die Frage war jedoch, wo und wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker festgelegt werden sollte. Der Versailler Vertrag gab keinen genauen Raum vor. Nach Beratungen wurden zwei Wahlzonen im Land Schleswig eingerichtet. Die nördliche Zone wurde als ein einziges Abstimmungsgebiet definiert, während die südliche Zone in mehrere Stimmbezirke unterteilt wurde. Dänemark konnte diesen Wahlmodus bei der alliierten Kommission durchsetzen, was auf deutscher Seite heftige Kritik auslöste. Denn es war bereits klar, dass die Einwohner der Städte mehrheitlich für den Verbleib im Deutschen Reich waren, während die zahlenmäßig überlegene Landbevölkerung tendenziell zu Dänemark neigte.

Zone I: Land für Dänemark, Städte für Deutschland

Am 10. Februar 1920 fand die Abstimmung in der ersten Zone statt, die bis zur sogenannten Clausen-Linie reichte. Diese verlief südlich von Tondern und nördlich von Flensburg. Die mehrheitlich deutschgesinnte Stadt Flensburg, obwohl sie kulturelles und wirtschaftliches Zentrum der Region war, wurde ausgeklammert, um keine Wahlniederlage in der nördlichen Zone zu riskieren. Dennoch bekannten sich 75 Prozent der Bevölkerung zu Dänemark und nur 25 Prozent zu Deutschland. Obwohl in den Städten eine Mehrheit für den Verbleib im Deutschen Reich stimmte (in Tondern sogar 77 Prozent), fiel das gesamte Gebiet Nordschleswig an Dänemark. Die neue Grenzziehung, die den heutigen deutsch-dänischen Grenzverlauf markiert, zerschnitt die gewachsenen Landkreise Tondern und Flensburg.

LESEN  Was ist der Unterschied zwischen Straight Fit und Regular Fit Jeans?

Am Tag der Abstimmung legte der deutsche Historiker Johannes Tiedje einen Gegenentwurf zur Clausen-Linie vor. Seiner Meinung nach sollten die direkt an der Trennlinie zwischen den beiden Abstimmungszonen liegenden Gebiete Tondern und nördlich von Flensburg, die mehrheitlich für Deutschland gestimmt hatten, auch im Deutschen Reich verbleiben. Dieser Vorschlag, der als Tiedje-Gürtel bezeichnet wurde, hätte dazu geführt, dass die deutsche Minderheit in Dänemark kleiner gewesen wäre und ungefähr gleich stark wie die heutige dänische Minderheit in Deutschland. Doch der Vorschlag fand keine Zustimmung.

Zone II: Deutliches Votum im Süden für Deutschland

Am 14. März 1920 fand die Abstimmung in der zweiten Zone statt, die die Gemeinden Glücksburg, Flensburg, Niebüll, Sylt, Föhr und Amrum umfasste. In den Gemeinden stimmten die Einwohner im Durchschnitt mit 80 Prozent für Deutschland – ein klares Ergebnis. Damit wurde die neue Staatsgrenze zwischen Deutschland und Dänemark festgelegt, die bis heute gültig ist.

Abtretung Nordschleswigs an Dänemark

Obwohl die Proteste, vor allem seitens der Deutschgesinnten im Tiedje-Gürtel, zunächst anhielten, blieb es bei der Grenzziehung. Am 15. Juni 1920 wurde Nordschleswig in das Königreich Dänemark integriert.

In den 1920er Jahren organisierte sich die deutsche Minderheit in Dänemark unter der Führung von Pastor Johannes Schmidt-Wodder, dem einzigen deutschen Abgeordneten im dänischen Parlament. Ihre Vision war die Rückkehr Nordschleswigs nach Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch gab die deutsche Volksgruppe den Wunsch auf und erklärte ihre Loyalität gegenüber dem dänischen Staat.

Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze pflegen ihre Kultur

Heute wird die dänische und deutsche Kultur immer noch in beiden Teilen Schleswigs gepflegt. Übrigens bezeichnen die Dänen Nordschleswig als Südjütland. Seit Ende 2018 befindet sich die deutsch-dänische Grenzregion mit ihren Minderheiten im nationalen Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO – auf deutscher und dänischer Seite. Der dänischen Minderheit im nördlichen Schleswig-Holstein werden aktuell rund 50.000 Menschen zugerechnet. Die deutsche Minderheit in Dänemark umfasst etwa 15.000 Menschen.

LESEN  Wanderstöcke: So holst du das Beste aus deinen Wanderungen heraus