Wenn wir den Satz “Ich komme nicht mit ins Kino, weil ich hab den Film schon gesehen!” hören, denken wir vielleicht, dass das Verb am Ende stehen sollte. Wir fragen uns: “Sollte es nicht ‘Ich komme nicht mit ins Kino, weil ich den Film schon gesehen habe!’ heißen?” Und mit Sicherheit sind wir schon einmal korrigiert worden, wenn wir das Verb im weil-Satz nicht ans Ende gestellt haben. Heute betrachten wir, warum wir manchmal das Verb nicht ans Ende setzen und stellen fest, dass es einen großen Unterschied in der Bedeutung machen kann, wo wir das Verb im weil-Satz platzieren.
Die Grundlagen
Normalerweise steht das finite Verb in einem Nebensatz im Deutschen am Ende. “Ich trinke Wasser, weil ich durstig bin.” Das Wort “weil” leitet also kausale Nebensätze ein, das heißt Nebensätze, die den Grund für etwas angeben.
Aber in weil-Sätzen können wir das Verb auch an die zweite Stelle setzen: “Ich trinke Wasser, weil ich bin durstig.” Moment, das ist doch die dritte Stelle, oder? “Weil” zählt hierbei nicht mit, da es nur zum Einleiten des Satzes dient und keine Funktion im Satz selbst hat. Dann kommt das Pronomen “ich” (erste Stelle) und danach das finite Verb “bin” (zweite Stelle). Daher nennen wir die Sätze mit dem Verb am Ende “weil-Verbletzt-Sätze” und die Sätze mit dem Verb an zweiter Stelle “weil-Verbzweit-Sätze”. Kurz gesagt nennen wir sie “weil-VL-Sätze” und “weil-V2-Sätze”.
So viel zur trockenen Beschreibung. Aber die weil-V2-Sätze können auch emotional betrachtet werden. Einige Menschen haben nämlich große Ablehnung gegenüber weil-V2. In den 1990er Jahren gab es sogar eine Initiative mit dem absurden Namen “Rettet den Kausalsatz”, die Politiker korrigierte, die weil-V2 benutzten. Warum ist weil-V2 ein Grund zur Aufregung? Einige Kritiker befürchten zum Beispiel, dass durch weil-V2 die Stellung aller Nebensätze verloren geht. Außerdem glauben sie, dass es den Leuten zu kompliziert ist, das Verb an die letzte Stelle zu setzen. Weil-V2 wäre also Ausdruck von Faulheit und sollte daher abgelehnt werden.
Abgesehen davon, dass Vereinfachung nicht unbedingt schlecht sein muss (es ist sinnvoll, etwas Kompliziertes zu vereinfachen, das keinen Zweck hat), sind die Bedenken der Kritiker unbegründet: Erstens ist die Verbletzstellung sprachgeschichtlich betrachtet relativ neu, zweitens gibt es bereits seit längerem sowohl Verbletz- als auch Verbzweitstellung bei “weil”, daher kann von einem Verlust der Verbletzstellung keine Rede sein. Drittens müsste die Befürchtung sinnvollerweise für alle Nebensätze gelten. Das ist jedoch nicht der Fall: Bei “nachdem” kann ich nicht sagen “Ich gehe ins Kino, nachdem ich war bei der Arbeit.” Aber ich kann sagen “Ich gehe ins Kino, nachdem ich bei der Arbeit war.” Also, was die selbsternannten Sprachkritiker sagen, ist natürlich Unsinn. Weil-V2 wird weder die Stellung der Nebensätze noch die deutsche Sprache als Ganzes zerstören. Kommen wir also zu spannenderen Fragen: Warum gibt es diese verschiedenen Stellungsvarianten bei “weil”?
Verschiedene Funktionen von weil-Sätzen
Wenn wir uns die weil-Sätze mit Verbzweitstellung genauer ansehen, stellen wir fest, dass es sich nicht nur um Varianten von “weil-VL” handelt, sondern dass sie eine eigene Funktion haben. Ein Beispiel:
- Es hat geregnet, weil …
- … die Straße nass ist.
- … die Straße ist nass.
Der erste Satz ergibt überhaupt keinen Sinn: Der weil-Satz drückt immer den Grund dafür aus, dass etwas passiert oder nicht passiert. Der Grund dafür, dass es geregnet hat, ist aber nicht die Nässe der Straße. Die Nässe der Straße ist vielmehr eine Folge des Regens. Der zweite Satz klingt jedoch sinnvoll. Warum ist das so? Weil die Straße ist nass hier keine Begründung dafür ist, dass es geregnet hat, sondern eine andere Funktion erfüllt: Es begründet die Behauptung, dass die Straße nass ist.
Die beiden Varianten von “weil” funktionieren also auf verschiedenen Ebenen im Satz. “Weil-VL” begründet Aussagen innerhalb des Satzes: “Es hat geregnet, weil eine Schlecht-Wetter-Front vorbeizog” funktioniert wunderbar. Die Schlecht-Wetter-Front ist ein guter Grund für den Regen. “Weil-V2” begründet hingegen, warum der Sprecher eine Behauptung aufgestellt hat. Dieses “weil” wird auch als “epistemisches Weil” bezeichnet, da es die Einstellung des Sprechers zu einem Sachverhalt markiert.
Das “epistemische Weil” kann anhand folgenden Beispiels gut veranschaulicht werden:
- Es hat wohl einen Unfall gegeben, weil …
- … der Airbag aufgegangen ist.
- … der Airbag ist aufgegangen.
Im ersten Satz ist der Airbag die Ursache für den Unfall: Der Airbag geht auf und dann entsteht ein Unfall. Im zweiten Satz ist der Airbag ein Anzeichen für einen Unfall. Jemand sagt, es habe wohl einen Unfall gegeben, und liefert dann den Grund dafür, nämlich dass der Airbag aufgegangen ist. In beiden Fällen sind beide Stellungen möglich, jedoch mit sehr unterschiedlichen Bedeutungen.
Diese beiden Funktionen lassen sich jedoch nicht immer genau trennen. Bei dem Beispiel “Ich komme nicht mit ins Kino, weil ich habe den Film schon gesehen” ist auch “Ich komme nicht mit ins Kino, weil ich den Film schon gesehen habe” möglich, ohne einen großen Bedeutungsunterschied: In beiden Sätzen kommt der Sprecher nicht mit. Hier sind beide Ebenen relevant: Es gibt einerseits einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Kennen des Films und dem Nicht-Mitgehen-Wollen, ähnlich wie bei der Schlecht-Wetter-Front und dem Regen. Auf der Inhaltsseite kann der weil-Satz also den Hauptsatz gut begründen. Das spricht für die Verbletzstellung. Andererseits will der Sprecher natürlich seine Entscheidung, nicht mitzugehen, rechtfertigen. Dazu passt die Verbzweitstellung gut.
Wir sehen also: Wir müssen uns keine Sorgen um das “weil” machen, sondern haben mit der V2-Variante sogar eine zusätzliche Bedeutungsebene gewonnen. Wer damit zufrieden ist, kann hier aufhören zu lesen oder zur Zusammenfassung springen.
Für Syntaxfans und diejenigen, die sich dennoch Sorgen um die Verbletzstellung im Nebensatz machen, gibt es noch eine kleine Überraschung: Weil-V2-Sätze sind gar keine Nebensätze! “Weil” ist in diesem Fall keine Subjunktion, sondern eine Konjunktion. Das erkennt man nicht nur an der Satzstellung, sondern auch an anderen Verhaltensweisen, die Nebensätze aufweisen, Hauptsätze jedoch nicht. Nebensätze sind vom Hauptsatz abhängig und daher dort frei verschiebbar. Das ist jedoch bei “weil-V2” nicht der Fall – es kann nicht vorangestellt werden.
Auch bei der Verneinung erkennt man, dass “weil-V2” kein Nebensatz ist. Ich kann eine Begründung in einem “weil-VL”-Satz verneinen (“Ich sage nicht ab, weil ich keine Lust habe, sondern weil ich keine Zeit habe”). Hier wird die Begründung “keine Lust zu haben” abgelehnt und eine andere genannt. Das zeigt, dass der Nebensatz untergeordnet ist: Das Negationswort “nicht” im Hauptsatz bezieht sich auf den gesamten “weil”-Satz. Da “weil-V2” jedoch nicht untergeordnet ist, funktioniert der gleiche Satz mit “weil-V2” nicht: “Ich sage nicht ab, weil ich habe keine Lust, sondern weil ich hab keine Zeit” klingt daher merkwürdig. Und weil “weil-V2” kein Nebensatz ist, kann man “weil-V2” auch gut an Fragen anhängen: “Kommt Tim mit zum Konzert? Weil Kathrin will jetzt mal die Tickets buchen.” Hier wird eine Frage gestellt und gleichzeitig eine Begründung für die Frage geliefert. “Kommt Tim mit zum Konzert, weil Kathrin jetzt mal die Tickets buchen will?” hingegen ergibt keinen Sinn. Hier wäre der Grund für Tims Teilnahme am Konzert die Tatsache, dass Kathrin die Tickets buchen möchte. Das ist ziemlich kompliziert und verwirrend – umso besser, dass es “weil-V2”-Sätze gibt!
Zusammenfassend lässt sich sagen: Weil-VL stellt zwei Dinge in einen kausalen Zusammenhang, wie zum Beispiel dunkle Wolken und Regen. Weil-V2 dagegen funktioniert auf einer übergeordneten Ebene: Sprecher können “weil-V2” nutzen, um eine Begründung für eine vorherige Aussage zu geben, wie zum Beispiel die Nässe der Straße als Grund für die Hypothese, dass es geregnet hat.
Übrigens haben wir hier etwas vereinfacht, denn in Wirklichkeit ist das mit “weil-V2” noch etwas komplexer und wird in der Linguistik heiß diskutiert. Dennoch können wir sagen: Verwende “weil-V2”, denn es hat eine Funktion!
*Zum Weiterlesen:
- Eisenberg, Peter (1993): “Der Kausalsatz ist nicht zu retten”. In: Praxis Deutsch 118, 10-11.
- Freywald, Ulrike (2010): “Obwohl vielleicht war es ganz anders. Vorüberlegungen zum Alter der Verbzweitstellung nach subordinierenden Konjunktionen”. In: Ziegler, Arne (Hrsg.): Historische Textgrammatik und Historische Syntax des Deutschen. Berlin, New York: de Gruyter, 55-84. PDF
- Günthner, Susanne (2000): “Sprechen wir ungrammatisch? Zur Verwendung von weil und obwohl mit Hauptsatzstellung im gesprochenen Deutsch”. In: Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) (Hrsg.): Germanistentreffen Deutschland-Indien-Indonesien-Philippinen-Taiwan-Thailand-Vietnam 1999: Tagungsband. Bonn: Rosch, 243-260.