Die Datierung der Geburt Jesu: Ein historischer Überblick

Die Datierung der Geburt Jesu: Ein historischer Überblick

Eine Zeit der römischen Herrschaft

Im 1. Jahrhundert v. Chr. war Judäa ein römischer Klientelstaat. Anstelle es zur Provinz zu machen, wie es mit dem benachbarten Syrien geschah, entschied sich das Römische Reich dafür, einen König als “Freund und Bundesgenossen” einzusetzen. Die Regierungszeit von Herodes dem Großen, der auch als “Herodes der Große” bekannt war, prägte diese Zeit maßgeblich. Herodes war verantwortlich für den Bau des zweiten Tempels von Jerusalem, der trotz seiner Zerstörung im Jahr 70 n. Chr. bis heute ein Ort der Erinnerung und Sehnsucht für Juden auf der ganzen Welt ist. Im Frühjahr des Jahres 4 v. Chr. verstarb Herodes der Große und sein Sohn Herodes Archelaos wurde von den Römern als sein Nachfolger eingesetzt.

Die Geburt Jesu und die Herrschaft des Herodes

Herodes der Große wird auch im Neuen Testament erwähnt. Im Lukas-Evangelium (1,5) wird er als König genannt, unter dessen Herrschaft die Geburt von Johannes dem Täufer angekündigt wird. Im Matthäus-Evangelium (2,1) wird auch die Geburt Jesu mit der Herrschaft des Herodes in Verbindung gebracht. Dort heißt es: “Als Jesus in Bethlehem in Judäa geboren wurde, zur Zeit des Königs Herodes, kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem.” Die Geschichte vom “Kindermord in Bethlehem” wird ebenfalls nur in diesem Evangelium erwähnt und mit Herodes verbunden. Entsprechend dieser Angabe im Matthäus-Evangelium kann die Geburt Jesu während der Lebenszeit von Herodes dem Großen spätestens im Frühjahr des Jahres 4 v. Chr. datiert werden.

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Die Umwandlung von Judäa in eine römische Provinz

Herodes Archelaos, der Sohn und Nachfolger von Herodes dem Großen, führte seine Herrschaft auf eine Weise, die zu einer unvermeidlichen Amtsenthebung führte. Im Jahr 6 n. Chr. verklagten ihn die angesehensten Juden und Samariter bei Kaiser Augustus, der nach einer Gerichtsverhandlung in Rom seine Amtsgeschäfte beendete und ihn nach Gallien verbannte. Judäa wurde daraufhin in eine römische Provinz umgewandelt. Publius Sulpicius Quirinius, der Statthalter der benachbarten römischen Provinz Syrien, erhielt den Auftrag, auch in der neuen Provinz Judäa die Eintragung von Grundbesitz in Steuerlisten durchzusetzen. Dies bildet den Hintergrund für den Beginn der Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium (2,1-2): “In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal und geschah in der Zeit, als Quirinius Statthalter von Syrien war.” Entsprechend dieser Geschichte kann die Geburt Jesu in Bethlehem frühestens auf das Jahr 6 n. Chr. datiert werden.

Die Schwierigkeiten der Datierung

Obwohl beide Daten mindestens ein Jahrzehnt auseinanderliegen, fallen sie beide in die lange Herrschaftszeit des Kaisers Augustus (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.). Sein Nachfolger wurde Kaiser Tiberius und das Lukas-Evangelium datiert die Tätigkeit von Johannes dem Täufer auf das “15. Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius”, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa, sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und die Region Trachonitis sowie Lysanias Landesfürst von Abilene waren (3,1). Diese vielen Angaben verdeutlichen, wie kompliziert Datierungen sind, wenn es keine weitverbreitete, einheitliche Zeitrechnung gibt. Da in der Antike bei solchen Zeitangaben inklusive gerechnet wurde, das heißt, sowohl das erste als auch das letzte Jahr mitgerechnet wurden, fällt das 15. Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius auf das Jahr 28 n. Chr. Das Lukas-Evangelium gibt ebenfalls an, dass Jesus bei seinem Auftreten etwa 30 Jahre alt war (3,23). Eine Geburt im Jahr 6 n. Chr. passt daher nicht so gut zu dieser Aussage wie eine Geburt spätestens im Jahr 4 v. Chr.

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Die Festlegung des Weihnachtstags und historische Interpretationen

Die genaue Geburtszeit Jesu lässt sich also auf einige Jahre v. Chr. datieren. Damals gab es jedoch noch keine einheitliche Zeitrechnung. Am ehesten kannte man in der römischen Welt die Zählung “ab urbe condita”, was so viel bedeutet wie “seit Gründung der Stadt” Rom im Jahr 753 v. Chr. Im 6. Jahrhundert n. Chr. versuchte ein Mönch namens Dionysius Exiguus, die Geburt Christi mithilfe astronomischer Überlegungen zu Großjahreszyklen zu datieren. Er kam zu dem Ergebnis, dass Jesus im 754. Jahr “ab urbe condita” geboren wurde. Bei inklusiver Rechnung wäre das 753. Jahr “ab urbe condita” das Jahr 1 v. Chr. Da es kein Jahr “Null” gab, würde das 754. Jahr demnach 1 n. Chr. entsprechen.

Die Festlegung des 25. Dezember als Weihnachtstag ist eine Tradition, die erst seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. belegbar ist. Es wird vermutet, dass dies mit dem vorherigen Feiertag des römischen Sonnengottes in Verbindung steht, der während der Wintersonnenwende gefeiert wurde. Möglicherweise ging es darum, diesen Tag mit der Verkündigung der “Sonne der Gerechtigkeit” aus dem Alten Testament (Maleachi 3,20) neu zu verbinden. Wenn wir also am 25. Dezember 2019 n. Chr. Weihnachten feiern, stehen wir in einer langen Tradition, die von den widersprüchlichen Angaben in den Evangelien und einer Neudeutung der Wintersonnenwende in der Spätantike über die Umrechnung einer römischen Jahreszählung im Mittelalter bis hin zur Gleichsetzung der Geburt Jesu mit einem epochalen Wendepunkt reicht.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!