Die Deutschen – Eine Nation?

Die Deutschen – Eine Nation?

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Ernest Renan, der französische Religionswissenschaftler, stellte vor mehr als einhundertzwanzig Jahren die Frage: Was ist eine Nation? Seine Antwort: Eine Nation ist ein geistiges Prinzip, das aus tiefgreifenden Verbindungen der Geschichte resultiert, eine spirituelle Verbindung. Renan betonte die Bedeutung der Vergangenheit und des gemeinsamen Erbes, sowie den Wunsch, zusammenzuleben und das Erbe hochzuhalten. Die Existenz einer Nation ist ein Plebiszit, das sich jeden Tag wiederholt.

Renans Ansatz war subjektiv und betonte die Einheit, die in der Rückschau auf die Vergangenheit empfunden wurde. Doch wie gehen die Deutschen heute mit Renans Definition um? Politiker, die behaupten, stolz darauf zu sein, Deutsche zu sein, werden oft als Minderheit angesehen. Die politische Elite Westdeutschlands protestierte einst gegen das Wort “Wiedervereinigung”, und selbst Willy Brandt erwähnte die Einheit der Nation nicht als gegeben.

Mit dem Grundgesetz als Ausgangspunkt hat Deutschland keinen einheitlichen Konsens darüber, was es bedeutet, deutsch zu sein. Der Begriff “deutsches Volk” wird in der Präambel erwähnt, aber im weiteren Verlauf des Grundgesetzes wird von den “Deutschen in den Ländern” gesprochen. Artikel 116 GG schließt auch diejenigen ein, die aus den ehemaligen Ostgebieten geflohen sind und “deutscher Volkszugehörigkeit” sind. Der Volksbegriff ist umfassender als der juristische.

Die Frage nach der deutschen Identität wurde besonders vor dem Fall der Mauer im Herbst 1989 relevant. Während des Protests wurde “Wir sind ein Volk!” gerufen. Die politische Elite des Westens war dagegen und bevorzugte den Begriff “Wiedervereinigung”. Es gab eine Spaltung zwischen den politischen Ansichten der deutschen Bevölkerung.

Das Verständnis von Begriffen wie “Nation” und “Volk” ist einer der Gründe für diese Verwirrung. Nation und Volk sind nicht dasselbe. Der Begriff “Volk” wird von Juristen verwendet, um alle Menschen zu beschreiben, die in einem bestimmten Gebiet leben und der Staatsgewalt unterworfen sind. Der Begriff “Nation” hingegen steht für Unabhängigkeit und Freiheit, sowohl innen als auch außen. Die Nation ist das souveräne Volk.

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Heute ist das Wort “Nation” in Deutschland kaum positiv belegt, was nach dem nationalsozialistischen “tausendjährigen Reich” nicht überraschend ist. Die Deutschen haben trotz der Bemühungen zweier Generationen noch immer nicht ihre Unbefangenheit gegenüber ihrer eigenen Geschichte zurückgewonnen. Dieser Prozess ist schwierig, insbesondere wenn er nicht vom Vorwurf des Versagens abgekoppelt wird. Die Bewältigung der Bürde der Geschichte ist eine Herausforderung, der sich Deutschland stellen muss.

Um Deutschland zu verstehen, ist es wichtig, die Begriffe klar zu definieren und die Vergangenheit anzunehmen. Die Geschichte der Nation lässt sich nicht umgehen und sollte im Kontext anderer Nationen betrachtet werden. Die Aufgabe liegt bei den Historikern, die die Hindernisse der Vergangenheit überwinden und die wissenschaftliche Arbeit für den Bürger zugänglich machen müssen. Der Bundespräsident als Hüter des kulturellen Erbes kann dabei eine wichtige Rolle spielen.

Die Deutschen stehen vor der Herausforderung, ihre Geschichte anzunehmen und zu bewerten. Sie müssen über ihre Vergangenheit entscheiden und eine Einheitsnation sein wollen. Es ist Zeit, dass Deutschland wieder zur Kulturnation wird. Der Bundespräsident kann dabei eine treibende Kraft sein, um die Hindernisse zu überwinden und die deutsche Geschichte für alle zugänglich zu machen. Es ist an der Zeit, dass Deutschland seine nationale Identität findet und seine Geschichte annimmt.