Die gesetzliche Erbfolge ist für die meisten Erbfälle entscheidend, da viele Menschen auf das Verfassen eines Testaments verzichten. Aus Unwissenheit oder der Annahme, kein Testament zu benötigen, wird die Testierfreiheit, die im § 1937 BGB verankert ist, häufig nicht genutzt. Dadurch verpassen potenzielle Erblasser die Chance, ihr Erbe entsprechend ihrer persönlichen Wünsche und Vorstellungen zu regeln und überlassen es dem deutschen Gesetzgeber, ihren Nachlass zu regeln.
Kommt es zu einem solchen Fall, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Diese ist in den §§ 1924 ff. BGB definiert und basiert auf dem Verwandtenerbrecht. Dadurch erben nur die nächsten Verwandten des Erblassers nach dem Ordnungssystem im Bürgerlichen Gesetzbuch. Der Gesetzgeber sieht auch ein gesetzliches Erbrecht für den überlebenden Ehegatten (§ 1931 BGB) oder eingetragenen Lebenspartner (§ 10 LPartG) vor.
Die gesetzliche Erbfolge sorgt also in Fällen ohne Testament für Klarheit und legt genau fest, welche Personen erbrechtliche Ansprüche am Nachlass des Erblassers haben. In erster Linie werden die Kinder und Abkömmlinge berücksichtigt und bilden die erste Ordnung der gesetzlichen Erbfolge. Wenn es keine Erben erster Ordnung gibt, kommen die Erben der zweiten Ordnung zum Zug. Dies sind zunächst die Eltern des Verstorbenen. Ist ein Elternteil bereits verstorben, geht dessen gesetzliches Erbrecht auf seine Abkömmlinge über, also die Geschwister des Erblassers.
Halbgeschwister und Stiefgeschwister in der gesetzlichen Erbfolge
In klassischen Familienstrukturen ist die Situation im Zusammenhang mit der gesetzlichen Erbfolge recht einfach, sodass es selten größere Probleme gibt. Patchworkfamilien sind jedoch mittlerweile weit verbreitet, daher besteht eine Familie oft nicht nur aus Mutter, Vater und Kindern. Stiefeltern, Halbgeschwister und Stiefgeschwister gehören für viele Menschen zur Normalität.
Diese veränderten Familienstrukturen stellen Familien im Alltag immer wieder vor neue Herausforderungen, die gemeistert werden müssen. Auch im Zusammenhang mit dem Erbrecht wirft dies einige Fragen auf. Insbesondere wenn der Erblasser kein Testament errichtet hat, stellt sich die Frage, ob und wie die gesetzliche Erbfolge Halb- und Stiefschwestern berücksichtigt.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Geschwister eines verstorbenen Erblassers in der zweiten Ordnung der gesetzlichen Erbfolge berücksichtigt werden. Eine Erbeinsetzung erfolgt jedoch nur bei vorverstorbenen Eltern, da die lebenden Eltern des Erblassers gemäß dem geltenden Repräsentationsprinzip seine Geschwister von der Erbfolge ausschließen.
Wenn jedoch ein Elternteil verstorben ist, geht dessen gesetzliches Erbrecht auf seine Nachkommen über. Ob es sich um Vollgeschwister oder Halbgeschwister des Erblassers handelt, ist irrelevant. Entscheidend ist nur, dass es sich um Nachkommen des verstorbenen Elternteils handelt. Daher erben Halbgeschwister genauso wie Vollgeschwister, wenn der gemeinsame Elternteil bereits verstorben ist.
Bei Stiefgeschwistern des verstorbenen Erblassers verhält es sich hingegen völlig anders. Da die gesetzliche Erbfolge auf dem Verwandtenerbrecht basiert, werden nur Personen berücksichtigt, die mit dem Erblasser verwandt sind. Stiefgeschwister werden genauso wenig wie Stiefeltern in das Ordnungssystem einbezogen, daher sind sie von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Im Gegensatz zu Halbgeschwistern haben Stiefgeschwister, wie beispielsweise Stiefschwestern, kein gesetzliches Erbrecht. Sofern im Testament keine anderslautende Verfügung getroffen wurde, haben die Stiefgeschwister des Verstorbenen daher keinen Anspruch auf einen Anteil am Erbe. Es bleibt dem Erblasser im Testament überlassen, ein gültiges Dokument zugunsten Dritter zu verfassen.