Die faszinierende Welt der Hieroglyphen

Die faszinierende Welt der Hieroglyphen

Die Hieroglyphen sind eine Schrift von unvergleichlicher Schönheit. Kaum eine antike Schrift hat eine so mysteriöse Anziehungskraft auf den Betrachter. Obwohl wir sie nicht entziffern können, scheinen uns die magischen Zeichen des alten Ägyptens anzusprechen. Die Grundlagen dieser Schrift sind kunstvoll vereinfachte Darstellungen der Realität.

Eine lebendige Schrift

Die Hieroglyphen sind eine lebendige Schrift. Neben Männern, geschlossenen Mündern oder angewinkelten Armen bevölkern zahlreiche Tiere die hieroglyphischen Texte. Eine stolze Gans schreitet nach rechts, ein kleines Küken streckt den Schnabel in die Luft, ein Hase ruht gestreckt oder eine Eule blickt mit ihren dunklen Augen direkt auf uns. Diese lebendigen Zeichen wecken unsere Neugier, sie lesen und verstehen zu können.

Heilige Symbole

Für die Ägypter selbst waren die Hieroglyphen die “Gottesworte”, auch bekannt als “medu-netscher”. Der Begriff “Hieroglyphen” stammt aus dem Griechischen und bedeutet “heilige Symbole”. Was verbirgt sich hinter dieser geheimnisvollen Schrift?

Hieroglyphen wurden hauptsächlich im religiösen Kontext verwendet und sind daher eine Art Schmuckschrift. Wenn etwas schnell notiert werden musste, griffen die Schreiber im alten Ägypten nicht auf die Hieroglyphen zurück. Stattdessen verwendeten sie Hieratisch, eine kursive Schreibschrift der Hieroglyphen.

Im direkten Vergleich der beiden Schriften kann man in der hieratischen Schrift noch die Hieroglyphen erkennen. Die hieroglyphischen Zeichen werden jedoch zu Strichen und Strichgruppen vereinfacht.

Eine Schrift als Kunstform

Ob als Relief, Gemälde oder in Stein gemeißelt – Hieroglyphen sind wahre Meisterwerke. Kaum in einer anderen Sprache ist der Übergang zwischen Schrift und Kunst so fließend. Hieroglyphen sind perfekt gestaltete Zeichen.

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Die Ägypter schafften es bereits in ihrer Schrift, was viele Künstler später über Jahre hinweg entwickeln wollten: die Essenz eines Wesens mit nur wenigen Strichen einzufangen. Die Tierdarstellungen halten das charakteristische Wesen des Tieres in schlichter Präzision fest.

Magische Bedeutung

Im alten Ägypten hatten die Hieroglyphen eine heilige und magische Bedeutung. Nach dem Glauben der Ägypter konnte das Leben einer Person ausgelöscht werden, indem alleine der Name der Person getilgt wurde. Zum Beispiel wurden die Namenszüge von Hatschepsut, der ersten weiblichen Pharaonin, später aus fast allen Tempeln entfernt.

Und beinahe hätte die Tilgung der Person Hatschepsut funktioniert. Hätten Archäologen nicht ihren Namen in den obersten Ecken einiger Säulen gefunden, würden wir möglicherweise heute nicht wissen, dass Hatschepsut einmal als Pharaonin über das Land am Nil herrschte.

Urheber der Schrift?

Ob die Ägypter die Schrift selbst erfanden oder sie von einer benachbarten Kultur übernahmen, kann bis heute nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Die Hieroglyphen wurden jedoch am Nil weiterentwickelt. Die Bilder, aus denen die Hieroglyphen bestehen, stammen aus ihrem kulturellen Umfeld.

Die ägyptische Kultur konnte sich nur durch die Erfindung der Schrift entwickeln. Ohne schriftliche Aufzeichnungen hätte es am Nil kein Staatswesen von dieser Größe geben können. Namen und Orte des ausgedehnten Staatsgebiets mussten festgehalten und von einer zentralen Autorität verwaltet werden. Ohne die Möglichkeit einer schriftlichen Kommunikation wäre das ägyptische Reich nicht regierbar gewesen.

Die Schreiber

Zu dieser Zeit beherrschten nur sehr wenige Ägypter die hieroglyphische Schrift. Von der gesamten Bevölkerung waren möglicherweise nur ein bis fünf Prozent schreibkundig. Der Berufsstand der Schreiber wurde in ägyptischen Schriften hochgelobt: “Werde Schreiber, dann bleiben deine Glieder glatt und deine Hände zart.”

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Die Schreiber gehörten zur Elite der ägyptischen Gesellschaft. Das Amt wurde meist vom Vater auf den Sohn übertragen. Den Schreibschülern stand eine harte Ausbildung bevor. Sie mussten 700 Zeichen erlernen und den Übergang von anfänglichen unbeholfenen Zeichnungen zu stilistisch ausgereiften Hieroglyphen meistern.

Noch heute findet man altägyptische Notizzettel, auf denen man diese Schreib- und Zeichenversuche nachvollziehen kann.

Rechtschreibfehler in Gräbern und auf Fresken

Tatsächlich finden sich in den prachtvollen hieroglyphischen Wandinschriften immer wieder Schreibfehler. Die meisten Handwerker, die die Hieroglyphen in den Stein meißelten, konnten weder lesen noch schreiben. Sie mussten sich auf das verlassen, was ihnen die Schreiber vorgaben.

Nicht immer waren die Schreiber mit ihrem ersten Entwurf zufrieden und besserten nach. Dadurch entstanden manchmal verschiedene Konturlinien übereinander. Bei unklaren Konturen konnte der Handwerker aufgrund mangelnder Schriftkenntnisse keinen Bezug zum Satzzusammenhang herstellen. Er musste sich allein auf die Vorzeichnungen verlassen. So schlichen sich auch Fehler in die hieroglyphischen Texte ein.

Aussprache

Die hieroglyphische Schrift kennt keine Vokale, da sie nicht mitgeschrieben werden. Die Texte bestehen aus einer Aneinanderreihung von Konsonanten. Die genaue Aussprache der altägyptischen Sprache kann deshalb heute nicht mehr ermittelt werden. Es gibt jedoch einige Anhaltspunkte dafür, wie die Ägypter zur Zeit der Pharaonen möglicherweise gesprochen haben.

Zum einen gibt es andere antike Sprachen, in denen Vokale notiert wurden. Sie können Hinweise auf die Aussprache des Altägyptischen liefern. Ähnlich wie man aus dem Französischen “le walkman” auf die Aussprache des Englischen “walkman” schließen kann, können antike Schriften auch Aufschluss über die altägyptische Aussprache geben. Namen ägyptischer Herrscher wurden in anderen antiken Schriften als sogenannte vokalisierte Transkriptionen festgehalten, ähnlich wie beim Französischen “le walkman”.

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Ein weiterer Hinweis auf die Aussprache ist das Koptische. Das Koptische ist die späteste Form der altägyptischen Sprache. Die Priester der koptischen Kirche halten bis heute ihre Messen in dieser späten Form der altägyptischen Sprache ab. Das Koptische spielte auch eine entscheidende Rolle bei der Entzifferung der Hieroglyphen.

Der Untergang und die Entschlüsselung der Schriftzeichen

Fast 1000 Jahre lang war das Wissen um die altägyptische Schrift verloren. Mit dem Untergang des Pharao-Reiches verschwand auch das Wissen um die Hieroglyphen.

Als im Jahr 1798 Gelehrte und Künstler in Napoleons Expedition nach Ägypten reisten, um die vergangene Hochkultur zu dokumentieren, konnten sie das Gesehene zwar zeichnen und beschreiben, aber die altägyptische Kultur nicht entziffern und verstehen. Die Hieroglyphen schienen zu den Gelehrten zu sprechen, gaben aber ihre Textinhalte nicht preis.

Aus den Reiseberichten der damaligen Gelehrten und Künstler entstand die “Déscription de l’Egypte” – eine Beschreibung Ägyptens. Diese Veröffentlichung löste in Europa eine Ägyptomanie aus und viele Touristen machten sich auf den Weg, um die alte Hochkultur kennenzulernen.

Auch der Franzose Jean-François Champollion ließ sich von der Ägyptomanie anstecken – und war später der Erste, der die Hieroglyphen entziffern konnte.