Spinnen sind wahre Meister der Natur. Mit ihren hauchdünnen, elastischen Seidenfäden verbinden sie entfernte Punkte und erschaffen so wunderschöne Spinnennetze. Doch wie beginnen sie eigentlich damit?
Der Startpunkt für das Netz
Wenn du nachts durch einen dicht bewachsenen Garten gehst, kennst du sicher das unangenehme Gefühl von Spinnfäden im Gesicht. Aber wo ist die Spinne? Kann sie überleben, wenn ihr Netz zerstört wurde? Wie überwinden Spinnen den großen Abstand zwischen zwei Ästen? Schießen sie ihre Fäden einfach mit einer körpereigenen Einrichtung auf die andere Seite oder springen sie gar dorthin?
Einige dieser Fragen entstammen wohl eher Filmen wie “Spiderman”. Obwohl es tatsächlich Arten von springenden Spinnen gibt, bauen diese keine Netze zum Jagen. Die Spinnen, um die es hier geht, sind diejenigen, die die wunderschönen Radnetze konstruieren. Um diese zu bauen, befestigen die meisten Spinnenarten den ersten Faden an einem Punkt im Buschwerk oder an einem Ast und machen sich zu Fuß auf den Weg zu einem anderen gut erreichbaren Punkt. Dabei ziehen sie den Faden aus ihrer Spinndrüse im Hinterteil hinter sich her. Am Ziel angekommen, befestigen sie den ersten Faden und nutzen ihn als Grundlage für den Bau des Netzes.
Die akrobatische Variante
Es gibt jedoch eine zweite Variante, wie der erste Faden gespannt wird. Bestimmte Arten wie die Gartenkreuzspinne oder die gehörnte Kreuzspinne sind vollständig auf den Wind angewiesen. Sie klettern auf einen höhergelegenen Ast, einen Pfahl oder einen Zaun und warten dort auf einen leichten Wind. In diesem Moment strecken sie ihren Hinterleib in die Höhe und ziehen mit den Hinterbeinen die Fäden aus den dafür zuständigen Drüsen. Dabei strecken sie ihre Beine so durch, dass es aussieht, als stünden die Spinnen auf Zehenspitzen wie Akrobaten.
Der entstehende Flugfaden besteht aus einem Bündel von 50 bis 60 Einzelfäden, von denen jeder nur etwa 250 Nanometer dick ist – das ist 200 Mal dünner als ein menschliches Haar. Aufgrund seiner besonderen Struktur genügt bereits ein leichter Windstoß, um den Flugfaden in Bewegung zu versetzen. Mit den ersten Bewegungen gibt die Spinne immer mehr Faden aus ihrer Spinnwarze ab, bis der Flugfaden irgendwo hängen bleibt. Die Richtung, in die der Flugfaden getragen wird, kann die Spinne jedoch nicht beeinflussen – das hängt allein von der Windrichtung ab.
Anschließend überprüft die Spinne die Festigkeit dieser Konstruktion. Ist sie zufrieden, befestigt sie das andere Ende des Fadens dort, wo sie sich selbst befindet. Dann hangelt sie sich quasi entlang des Flugfadens zum anderen Ende und verstärkt ihn mit dickeren Fäden, um so eine Brücke zu bilden. Das Grundgerüst des Netzes ist nun fertig.
Der systematische Netzbauprozess
Nachdem das Fundament gelegt wurde, geht die Spinne systematisch und routiniert vor, um das gesamte Radnetz zu konstruieren. Je nach Größe dauert der Aufbau eines neuen Netzes zwischen 20 und 30 Minuten. Der Flugfaden kann bei einer gehörnten Kreuzspinne bis zu 50 Zentimeter lang sein. Da Spinnen meist Einzelgänger sind und auch Artgenossen fangen und fressen können, achten sie beim Spannen eines neuen Netzes darauf, anderen Netzen und Spinnen aus dem Weg zu gehen.
Es gibt jedoch Ausnahmen, wie das im September 2018 von Forschern entdeckte wohl größte Spinnennetz der Welt. Dort war nicht nur ein einzelnes Netz zu finden, sondern ein ganzer Küstenabschnitt von 300 Metern in der griechischen Lagunenstadt Etolikos war von Spinnennetzen umgeben. Eine Vielzahl günstiger Bedingungen hatte die sogenannten Strecker-Spinnen zu diesem ungewöhnlichen Netzverbund motiviert.
Übrigens haben Forscher im Jahr 2009 auf Madagaskar die bisher wohl größten Netze einer Spinne entdeckt. Die winzige Caerostris darwini, auch bekannt als “Darwins Rindenspinne”, baut Netze, die Flüsse überspannen können. Der Brückenfaden kann dabei eine Länge von bis zu 25 Metern erreichen.
Spinnen sind wahre Künstler der Natur. Ihr Fadenspiel ist faszinierend und ihre Netze sind wahre Meisterwerke. Beobachte sie doch das nächste Mal genauer und staune über ihre Geschicklichkeit!