In einem spannenden und bisher unbekannten Kapitel der US-amerikanischen Geschichte wurden in Fort Hunt, Virginia, Nazis von jüdischen Männern verhört. Über 50 Jahre lang mussten diese Männer schweigen, bis die US-Behörden die Existenz des geheimen Camps P.O. Box 1142 bestätigten. Erst dann konnten sie ihre Geschichte erzählen.
Die Stimmen der Vergangenheit
Obwohl viele der Männer mittlerweile verstorben sind, können wir ihre Geschichten noch immer hören. In der Dokumentation “Camp Confidential” sehen wir zwei der ehemaligen Verhörspezialisten: Arno Mayer aus Luxemburg und Peter Weiss aus Wien. Beide hatten nach ihrer Zeit in Fort Hunt beeindruckende Karrieren, Mayer als Professor für europäische Geschichte an der Universität Princeton und Weiss als einer der renommiertesten Menschenrechtsanwälte der USA.
Die Animation des Geschehens
Die israelischen Regisseure Daniel Sivan und Mor Loushy entschieden sich dafür, die Handlung der Dokumentation teilweise durch Animationen darzustellen. Diese Herangehensweise erzeugt eine interessante Atmosphäre, obwohl sie manchmal an ihre Grenzen stößt, da es nur wenige Originalbilder oder überlebende Zeitzeugen gibt. Der 35-minütige Film wurde von den österreichischen Filmemachern Benji und Jono Bergmann produziert.
Geflohen aus Europa
“Camp Confidential” erzählt die Geschichte junger Männer, die vor den Nazis aus Europa geflohen waren und nun in der US-Army ihren Beitrag zum Sieg über Nazi-Deutschland leisten wollten. Das Ausbildungslager Camp Ritchie in Maryland war ihr erster Anlaufpunkt. Dort wurden tausende junge Männer, hauptsächlich aus Deutschland und Österreich, von der US-Army in Verhörtechniken ausgebildet und anschließend mit Spezialaufgaben betraut.
Prominente Absolventen
Unter den Absolventen der achtwöchigen Ausbildung der “Ritchie Boys” befanden sich auch viele Prominente. Zum Beispiel der Komponist Georg Kreisler, die Opernlegende Marcel Prawy und der Filmproduzent Eric Pleskow. Diese Männer waren Teil eines Geheimdienstes, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Nazis zu verhören und kriegswichtige Informationen zu sammeln.
Die Verhöre ohne Gewalt
Die Verhöre der Nazis verliefen ohne Gewalt. Die Veteranen betonten gegenüber der “Washington Post”, dass sie ihre Humanität niemals kompromittierten. Sie hatten sogar Gewissensbisse, als sie die Zellen mit versteckten Mikrofonen abhören oder die Post der Gefangenen zensieren mussten. Manchmal gingen sie sogar mit den Häftlingen essen, um sie zum Reden zu bringen.
Gegen politische Vereinnahmung
Die Männer betonten bei einer Ehrung in Washington, dass sie niemals Gewalt angewendet hätten und dass ihre Anwesenheit dort nicht bedeute, dass sie den Krieg unterstützten. Sie wehrten sich gegen eine Vereinnahmung durch die damalige US-Regierung von George W. Bush. Die Verhörmethoden in Fort Hunt standen im Kontrast zum Folterskandal im irakischen Gefängnis Abu Ghraib und den Verhör- und Foltermethoden in Guantanamo.
Karriere in den USA
Einige der Männer, die in Fort Hunt stationiert waren, machten später beeindruckende Karrieren in den USA. Henry Kolm zum Beispiel war Physiker am MIT und stammte aus einer jüdischen Familie, die vor den Nazis geflohen war. Er betonte, dass sie mehr Informationen aus einem deutschen General herausholten, indem sie mit ihm Schach spielten oder Tischtennis spielten, als es heute mit Folter möglich wäre.
Die Herausforderungen der Betreuung
Die US-Regierung hofierte die deutschen Wissenschaftler, die nach dem Krieg in die USA gebracht wurden, aufgrund ihres Fachwissens und im Rennen gegen die Sowjetunion. So wurde Wernher von Braun, der Mastermind hinter der deutschen V2-Raketenproduktion in Peenemünde, eine treibende Kraft im US-Raketenprogramm. Die jungen jüdischen Männer in Fort Hunt hatten die Aufgabe, diese deutschen Wissenschaftler zu betreuen und dabei Informationen zu sammeln.
Historische Bedeutung
Fort Hunt spielte eine wichtige Rolle bei der Entdeckung des geheimen Standorts der deutschen V2-Raketenproduktion in Peenemünde und deren gezielten Bombardierung. Diese Informationen ermöglichten es den USA, deutsche Wissenschaftler nach dem Krieg in die USA zu bringen, um ihr Fachwissen zu nutzen. Die Geschichte von Camp Confidential wird bereits teilweise in Büchern und anderen Medien erforscht, und es gibt Überlegungen, eine fiktive Serie basierend auf dem Stoff zu produzieren.
Camp Confidential zeigt uns eine bisher wenig bekannte Seite des Zweiten Weltkriegs und beleuchtet die erstaunlichen Geschichten der Männer, die Nazis in den USA verhört haben. Die Dokumentation erinnert uns daran, dass es auch in den dunkelsten Zeiten des Krieges Menschen gab, die ihre Menschlichkeit bewahrten und ihre Aufgabe auf ethisch vertretbare Weise erfüllten.