Die Geheimnisse der antiken ägyptischen Schriftarten enthüllt

Die Geheimnisse der antiken ägyptischen Schriftarten enthüllt

Schon einmal von den Schriftarten im Alten Ägypten gehört? Neben den monumentalen Hieroglyphen gab es auch kursive Schriften, die über 3000 Jahre lang in Gebrauch waren. Doch was genau sind diese Schriftarten und wie wurden sie verwendet?

Hieratisch, Kursivhieroglyphen und mehr

Die kursive (Hand-)Schrift im Alten Ägypten wurde als Hieratisch, Kursivhieroglyphen, Abnorm- bzw. Kursivhieratisch und Demotisch bezeichnet. Man schrieb mit Pflanzenstengeln und Rußtusche auf verschiedenen Materialien wie Papyrus, Leinen, Leder, Holz, Ton oder Stein. Die altägyptische Wortwurzel für “Schrift”, “schreiben” und “Schreiber” (sesch) wurde mit einem speziellen Schreibgerät verewigt, das aus einem Binsenbehälter, einem Ledersäckchen für Farbpigmente und einer Palette mit zwei Näpfen für unterschiedliche Tinte bestand.

Schreibgerät
Schreibgerät; links: Standardhieroglyphe (Gardiner Sign-list Y4); rechts: hieratische Version des Neuen Reiches (Möller Nr. 537, pAbbott)

Die Schriftzeichen wurden nicht nur in Papyrusrollen geschrieben, sondern auch in Felswände eingeritzt. Die Kursivschriften spielten unter Gelehrten, Priestern, Beamten und Schreibern eine wichtige Rolle für Kommunikation, Verwaltung, Dichtung, religiöse und funeräre Texte.

Erforschung der Kursivschriften

Überraschenderweise sind die Kursivschriften bisher noch nicht umfassend erforscht worden. Es gibt noch viele offene Fragen zu ihrer Orthographie, Abkürzungen, Funktionen und historischen Entwicklung. Auch ein Vergleich mit den Kursivhieroglyphen, Monumentalhieroglyphen und den demotischen Zeichen steht noch aus.

Das langfristige Projekt “Altägyptische Kursivschriften. Digitale Paläographie und systematische Analyse des Hieratischen und der Kursivhieroglyphen” hat im April 2015 begonnen. Verschiedene Arbeitsstellen arbeiten gemeinsam daran, eine digitale Paläographie der kursiven Handschriften zu entwickeln. Ziel ist es, sämtliche Epochen des Hieratischen, Abnormhieratischen und der Kursivhieroglyphen von der frühdynastischen Zeit bis zur Römischen Zeit zu erfassen. Durch die Ergänzung der Trismegistos-Datenbank mit zusätzlichen Metadatentabellen sollen weitere Informationen zur hieratischen Schrift und den Kursivhieroglyphen gewonnen werden.

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Paläographie
Ausschnitt einer Paläographie zum Lautwert m, aus: Verhoeven, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, OLA 99, Leuven 2001.

Internationale Kooperationen für eine umfangreiche Datenbank

Das Projekt legt großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit innerhalb der internationalen Ägyptologie. Wenn irgendwo auf der Welt ein neuer Text in hieratischer Schrift oder in Kursivhieroglyphen bearbeitet wird, können die Autoren dem Projekt das neue paläographische Material zur Verfügung stellen. Dadurch entsteht eine umfangreiche Datenbank, die die gesamte Zeitspanne kursiver Handschriften des Alten Ägyptens abdeckt.

Die Datenmenge und vielfältigen Such- und Auswertungsmöglichkeiten der digitalen Paläographie erlauben es dem Projektteam und der internationalen Fachwelt, das Gebiet der Kursivschriften systematisch zu erforschen. Untersucht werden die Entwicklungen und Unterschiede der verschiedenen kursorischen Schriftarten sowie ihre Abhängigkeiten von den Hieroglyphen. Auch die Anpassungen an spezifische Bedürfnisse und Kontexte werden analysiert. Interessant sind außerdem Aspekte wie Schriftökonomie, Schreibrichtung, Textlayout, Abkürzungen, diakritische Zeichen und Zeichenverbindungen.

Darüber hinaus soll die Aussagekraft von Handschriften für die Zuweisung an Einzelpersonen, Schulen, Regionen oder Zeiträume überprüft werden. Die Textinhalte selbst geben dazu häufig keine Auskunft. Das Projekt umfasst auch Experimente mit dem Schreiben mit Binse auf Papyrus oder anderen Schriftträgern.

Statue
Statue des Schreibers Henka, 2450 v.Chr. Replikat von Berlin ÄM 7334.

Die Kooperation von Ägyptologen, Informatikern und Computerphilologen ermöglicht eine interdisziplinäre Herangehensweise und eine umfassende Erforschung der antiken ägyptischen Schriftarten. Das Projektteam freut sich über Kooperationsmöglichkeiten und steht für weitere Informationen gerne zur Verfügung.