Brillen.de, der Optiker, wirbt seit geraumer Zeit mit seiner “Gleitsichtstudie”. Durch die Teilnahme an dieser Studie winkt den Teilnehmern eine äußerst kostengünstige Gleitsichtbrille. Es wird suggeriert, dass die Brille aufgrund der Teilnahme an der Studie günstiger ist als normalerweise. Doch wie seriös ist das Ganze? Was genau verbirgt sich hinter der “Gleitsichtstudie”? Handelt es sich um ein wissenschaftliches Forschungsprojekt? Oder ist man als Teilnehmer an der Verbesserung von Gleitsichtbrillen beteiligt?
Interne Studie, um kostengünstig zu sein
Die “Gleitsichtstudie” wird ausschließlich von brillen.de durchgeführt. Der Slogan “Das beste brillen.de Gleitsichtglas aller Zeiten” bleibt dabei leicht übersehen. Kurz gesagt: brillen.de sucht im Rahmen einer hausinternen Studie nach einem Gleitsichtglas-Design, das möglichst universell einsetzbar ist. Mit anderen Worten: brillen.de testet an den Kunden, welches Gleitsichtglas-Design auf breiter Basis am effektivsten und besten ist.
Es kann jedoch vorkommen, dass ein gewisser Prozentsatz nicht zufrieden ist und Probleme mit der Gleitsichtbrille hat. Brillen.de bietet zwar bis zu zwei Austauschbrillen an (bei denen vermutlich andere Designs getestet werden), es gibt jedoch nur “den Differenzbetrag” zurück.
Warum sind die Gleitsichtgläser so kostengünstig?
Um die Kosten einer Gleitsichtbrille zu verstehen, muss man wissen, was ein “Glas-Design” ist. Gleitsichtgläser haben mehrere Sehzonen, die nahtlos ineinander übergehen. Dies ist in der Herstellung äußerst komplex. Die Übergangsbereiche können auf verschiedene Arten gestaltet werden, nicht nur für die linken und rechten Zonen, sondern auch für den Verlauf von Fern- zu Nahsicht. Die Lösungen für diese Gestaltungsfragen nennt man “Glas-Designs”. Die Entwicklung dieser Glas-Designs ist personal- und kostenintensiv und daher teuer für die Glas-Hersteller.
Brillen.de nutzt verschiedene Tricks, um den Endpreis so niedrig wie möglich zu halten:
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Es handelt sich um einen Testpreis, ähnlich dem Subskriptionspreis im Buchhandel. Das bedeutet, dass ein neues Glasdesign zunächst getestet wird. In dieser Testphase weiß der Design-Hersteller noch nicht genau, wie gut es ist. Während dieser “Beta-Phase” werden die Designs zu einem günstigeren Preis angeboten. Wenn sie sich bewähren, steigt der Preis. Da diese Phase zeitlich oder in Bezug auf die Stückzahl begrenzt ist, startet brillen.de jedes Jahr eine neue Studie, um ein neues und verbessertes Design zu testen.
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Brillen.de produziert das Gleitsichtglas selbst. Es handelt sich also nicht um ein Marken-Brillenglas, sondern um eine Eigenmarke. Ähnlich wie viele Supermarktketten ihre Eigenmarken wesentlich günstiger anbieten als Markenprodukte, sind auch diese Eigenmarken oft von gleichwertiger Qualität. Durch diese “Private Labels” entfallen Kosten für den Zwischenhandel, was die Preise senkt.
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Brillen.de kooperiert mit rund 600 Optiker-Fachgeschäften in Deutschland. Der Lieferweg geht direkt vom Glaswerk ins Fachgeschäft, somit entfallen Kosten für Lagerung und Logistik, die bei anderen Glasherstellern den Preis erhöhen.
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Die Brillengläser werden in der Regel direkt in die Brillenfassung eingearbeitet. Dadurch entfallen Kosten auf Seiten des Optikers. Dies gilt jedoch nur für die hausinternen Modelle von Brillen.de. Wenn man ein Markengestell bestellen möchte, kostet dies extra, da der Optiker die Brillengläser in die Fassung einarbeiten muss.
Sind die Gleitsichtgläser von Brillen.de “billig” oder “schlecht”?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Im Gegensatz zu reinen Online-Optikern kooperiert Brillen.de mit echten Augenoptikern mit Ladengeschäft. Diese können die für Gleitsichtbrillen wichtigen Refraktion und Augenvermessung direkt am Kunden durchführen. Die erforderlichen Brillenwerte werden individuell ermittelt, es handelt sich also um eine individuelle Gleitsichtbrille und nicht um standardisierte Lagerware.
Die geringen Kosten sind vor allem auf das “beta-phasen Glasdesign”, einen optimierten Verkaufsprozess und eine Eigenmarke zurückzuführen. Nach der Testphase kann das Design durchaus 300 bis 400 Euro pro Brillenglas kosten, wenn es sich bewährt hat.
Neueinsteiger: allgemeine Verunsicherung
Viele Optiker haben ein Vermittlungsproblem: Sie können den Kunden nicht glaubhaft versichern, dass gute Qualität auch tatsächlich besser ist. Bei einer geschliffenen Kunststoffoberfläche ist dies natürlich schwer zu beurteilen. Zudem offenbart sich der echte Sehkomfort erst nach einigen Tagen oder Wochen. Die Qualität einer Gleitsichtbrille kann man nicht an Nähten, Materialien oder sichtbaren Teilen festmachen. Als Kunde kann man nur darauf vertrauen, dass die Brille gut ist.
Besonders für Neueinsteiger, die ihre erste Gleitsichtbrille kaufen, ist die Qualität schwer zu beurteilen. Es heißt oft, dass man sich erst an die Brille gewöhnen muss. Zudem ist es schwierig einzuschätzen, ob die störenden Unschärfezonen links und rechts “normal” sind oder ob eine andere Gleitsichtbrille sie besser abbilden würde. Man kauft nicht drei oder vier Gleitsichtbrillen zum Testen. Brillen.de nutzt diese allgemeine Verunsicherung bei seiner Kampagne aus, indem behauptet wird, dass es sich um die besten Gleitsichtgläser handelt, die im Rahmen der Studie getestet wurden. Diese Aussage sagt jedoch nicht viel aus, da es natürlich auch Gleitsichtgläser von anderen Herstellern geben kann, die individuell noch besser passen.
Fazit: Augen auf!
Die “Gleitsichtglas-Studie” von brillen.de ist eine interne Studie, die als Marketing-Strategie genutzt wird. Ziel ist es, Glas-Designs zu testen, die in der breiten Masse möglichst wenige Probleme verursachen oder sogar gut funktionieren. Es kann sein, dass die Gleitsichtbrille gut passt, aber es kann auch sein, dass dies nicht der Fall ist. Laut internen Angaben bereiten 5 bis 10% der Brillen Probleme. Der Rest kommt gut damit zurecht, allerdings ist unklar, wie viele Menschen gar nicht bemerken, dass sie mit anderen Glasdesigns oder Gläsern möglicherweise noch besser sehen könnten.
Zudem sollte man sich bewusst sein, dass man mit dem Kauf auch der Teilnahme an der Studie zustimmt. Dies beinhaltet das Ausfüllen eines Fragebogens, bei dem sensible Daten an brillen.de übermittelt werden. Diese Daten werden sicherlich für zukünftige Werbeaktionen genutzt.
Den Banner zur Gleitsichtstudie können Sie hier anschauen.
Siehe auch / Weiterlesen
- Warum sind Gleitsichtbrillen so unterschiedlich teuer?
- DriveSafe Autofahrbrille
- Brillengläser