Werden Wind und Solar immer billiger? Ist Kernkraft teuer oder günstig? Hier sind die Vollkosten für Energiequellen pro kWh Elektrizität.
Die günstigsten Energiequellen pro kWh Elektrizität
Dies sind die Vollkosten von Energiequellen für Deutschland in Eurocent pro Kilowattstunde Strom bei 5% Abzinsfaktor:
- 3,0 €Cent/kWh AKW Verlängerung
- 3,9 €Cent/kWh Wasserkraft
- 5,3 €Cent/kWh AKW neu
- 6,1 €Cent/kWh Wind an Land
- 7,0 €Cent/kWh Solarpark
- 8,4 €Cent/kWh Wind offshore
- 11,7 €Cent/kWh Dachsolar
- 13,9 €Cent/kWh Erdgas & Dampf
- 17,2 €Cent/kWh Biomasse
- 17,6 €Cent/kWh Kohle
nur Kraftwerke in Deutschland und Nachbarländern, Brennstoffpreise Kohle & Erdgas gegenüber 2020 verdoppelt und CO2-Preis von 90€/tCO2
Seit 2022 sind erstmals alle klimafreundlichen Erzeuger in Deutschland günstiger als klimaschädliche fossile Energien und Biomasse. Es gibt aber immer noch einen Faktor 3 Preisunterschied zwischen der günstigen Wasserkraft und dem teuren Dachsolar.
Die Laufzeitverlängerung abbezahlter Kernkraftwerke ist die günstigste Art Strom zu erzeugen. Ursprünglich ist man von nur 40 Jahren Lebenszeit bei AKW ausgegangen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass Reaktordruckbehälter trotz Dauerbestrahlung deutlich länger halten.
Man geht heute von mindestens 60 Jahren Laufzeit bei neuen AKW aus und sogar 80 Jahren Laufzeit bei Wasserkraftwerken. Die beiden nachhaltigsten Erzeuger sind auch die günstigsten. Das Problem bei solch langen Zeiträumen ist der hohe Kapitalaufwand zu Beginn.
Die Photovoltaik ist bis vor einigen Jahren jedes Jahr günstiger geworden. Windräder und Solarparks sind fast konkurrenzfähig zu Kernkraft und Wasserkraft. Die Systemkosten steigen allerdings bis zu einem bestimmten Ausbau linear, danach sogar überproportional.
Kraftwerke mit fossilen Energieträgern sind seit der Energiekrise 2021 deutlich teurer geworden als saubere Erzeuger. Neben den hohen Brennstoffpreisen kam es in den letzten Jahren auch zu einem Anstieg der CO2-Preise von rund 25€ pro Tonne auf knapp 90€.
Was sind Stromgestehungskosten?
Stromgestehungskosten umfassen unter anderem:
- Rohstoffe
- Konstruktion
- Instandhaltung
- Lohnkosten
- Versicherung
- Pacht
- Brennstoffe
- Rückbau
- Entsorgung
Noch granularere Kostenbestandteile mit Zahlen für z.B. Zinsen oder Entsorgung weist die IEA nicht aus. Für AKW gibt es allerdings eine solche detaillierte Aufschlüsselung anhand der IEA-Zahlen.
Im Graph oben werden Bau & Rückbau zusammengefasst, sowie alle Betriebskosten (Instandhaltung, Lohnkosten, Versicherung, Pacht, Entsorgung). Es wird bei allen Erzeugern der komplette Lebenszyklus betrachtet, von der grünen Wiese zum Kraftwerk und zurück zur grünen Wiese – inklusive Rückbau und Entsorgung.
Zusätzlich zu den eigentlichen Gestehungskosten, werden von der IEA außerdem CO2-Preise betrachtet, also eine Strafzahlung für die direkten CO2-Emissionen von fossilen Erzeugern. Die direkten CO2-Emissionen der Biomasse sind ausgenommen, obwohl genauso klimaschädlich.
Nicht von der IEA betrachtet, aber ebenfalls wichtig sind die Integrationskosten in ein Energiesystem, die sogenannten Systemkosten für z.B. Netzausbau oder Überproduktion. Bei konventionellen Kraftwerken sind die Systemkosten niedrig, bei wetterabhängigen Erzeugern sind sie hoch.
Stromgestehungskosten sind abhängig von Standortfaktoren
Die Stromgestehungskosten unterscheiden sich global, je nach Rohstoffpreisen, Expertise und Klima:
- In den USA sind Gaskraftwerke durch Fracking-Erdgas deutlich günstiger.
- Koreanische Kernkraftwerke sind wegen der hohen Expertise deutlich günstiger.
- In Australien ist Photovoltaik wegen der vielen Sonnenstunden nur halb so teuer.
Hier im Artikel werden deshalb nur Daten aus Deutschland und direkten Nachbarländern berücksichtigt. Trotz diesem regionalen Filter sind die Kosten nicht unbedingt repräsentativ.
Bei Windrädern an Land wird z.B. eine Auslastung von 30% angesetzt, während deutsche Windräder im Mittel auf 20% kommen. Auch bei PV sind die deutschen Volllaststunden schlechter. Die Nordseeküste ist eben nicht die Côte d’Azur und Hessen ist nicht Bornholm.
Die Annahmen der IEA zu Lebensdauer und Auslastung (CF) sind:
- 80 Jahre – 58% CF: Wasserkraft
- 60 Jahre – 85% CF: Kernkraft
- 40 Jahre – 89% CF: Biomasse
- 40 Jahre – 85% CF: Kohle
- 30 Jahre – 85% CF: Gas und Dampf
- 25 Jahre – 14% CF: Photovoltaik
- 25 Jahre – 30% CF: Wind an Land
- 25 Jahre – 45% CF: Wind offshore
bei erneuerbaren Erzeugern Median-Wert der Anlagen, bei konventionellen Kraftwerken 85% angesetzt.
Mit einem Korrekturfaktor könnte man die tatsächlichen Kosten berechnen. Aber die Daten verlieren an Glaubwürdigkeit wenn ich daran rumdoktere. Für die Größenordnung ist es auch egal, ob die Gestehungskosten von Wind und Solar in Deutschland um 50% höher sein müssten.
Historische Gestehungskosten seit dem Jahr 2000
Die 2015er Ausgabe der “Projected Costs of Generating Electricity” beinhaltet historische Preise bis zurück in das Jahr 1981. Bis 1998 wurden allerdings nur Kohle, Erdgas und Kernkraft berücksichtigt. Ich habe die Zahlen für 2020 ergänzt und alles inflationsbereinigt.
Achtung, das sind die reinen Stromgestehungskosten, ohne externe Kosten wie CO2-Preis oder Systemkosten. Wenn man die dazu nimmt ergibt sich v.a. beim CO2-Preis von 90€ ein anderes Bild.
Man sieht, dass man nichts sieht. Die reinen Stromgestehungskosten aller Erzeuger sind zwar immer im Flux, aber auf lange Sicht pendeln sie um die gleiche Größenordnung. Die einzige große Ausnahme ist gut sichtbar die Photovoltaik.
Vor 2010 sind Solarmodule zu teuer um überhaupt auf den Chart zu passen. Dann sinken die Gestehungskosten von Solarparks unter 30 Ct/kWh und einige Jahre später auch bei Dachsolar. Zwischen 2005 und 2020 sanken die Modulpreise um 90%!
Die Talfahrt der PV-Preise nahm aber durch die Energiekrise ein vorübergehendes Ende. 2022 waren die Kosten von Photovoltaik-Anlagen zurück auf dem Niveau von 2017.
Veränderungen der Gestehungskosten von 2020 bis 2024
Die Gestehungskosten der IEA werden leider nur alle 5 Jahre aktualisiert, also 2025 das nächste Mal. Welche Trends gab es seit 2020?
Durch Energiekrise, Ukrainekrieg und die Lieferketten-Nachwehen der Corona-Lockdowns waren 2021 und 2022 Jahre mit hoher Inflation. Die Preiserhöhungen bei Brennstoffen und Rohstoffen gingen an keinem Kraftwerkstyp vorbei.
Kohle und Erdgas sind in Mitteleuropa durch den Wegfall von Russland als Lieferanten nachhaltig teurer geworden. Bei Kohle sind die Preise knapp 2x so hoch, bei Erdgas gut 2,5x. Auch bei den Futures deutet sich keine Erholung an.
Steigende Polysiliziumpreise haben für einen Preisanstieg bei Solarmodulen in 2021 & 2022 geführt. Mittlerweile sinken die Preise wieder, aber Ende 2023 sind Solarmodule immer noch so teuer wie Ende 2020.
Die Kosten von Windrädern liefen auch vor 2000 schon sehr lange auf einem Plateau. Seit 2000 haben sie die Höchstwerte der letzten zehn Jahre erreicht. Die EEG-Subventionen für Wind und Solar mussten 2023 um 25% erhöht werden.
Auch die Kosten von Uran haben sich seit 2020 gut verdoppelt, Hand in Hand mit Ankündigungen von AKW-Neubauten in Europa. Der Brennstoff macht aber bei Kernkraftwerken nur etwa 15% der Kosten aus und davon entfällt der größte Teil auf die Urananreicherung, nicht auf die Uranförderung.
Zusammenfassend, sind die Kostensteigerungen bei Kohle und Erdgas am deutlichsten und vermutlich anhaltend. Deshalb habe ich hier im Artikel versucht die neuen Kosten durch einen Korrekturfaktor auf die Brennstoffpreise abzubilden. Vorübergehende Schwankungen sind hingegen eher unerheblich.
Umstrittene Kosten der Kernkraft und der wissenschaftliche Dienst
Im deutschen Sprachraum wird heftig über die Gestehungskosten der Kernkraft gestritten. Das ist überraschend, denn beim Atomausstieg geht es gar nicht um die Wirtschaftlichkeit. Wenn die Kernkraft wirklich zu teuer wäre, müsste man sie ja gar nicht verbieten.
Teilweise werden Gestehungskosten von 14 bis 19 Ct/kWh behauptet, aber dafür gibt es keine Quelle. Kein Wunder: 14 Ct/kWh hieße der 1,6-GW-EPR in Olkiluoto müsste statt 11 Mrd. Euro irrsinnige 80 Mrd. Euro kosten (3 Ct/kWh Betriebskosten). Der wissenschaftliche Dienst hat diese Zahlen ohne Quelle dennoch übernommen.
AKW kann man auch mit hohen angeblichen Subventionen teuer rechnen. Greenpeace hat die Kosten von Tschernobyl, dem sowjetischen Atomwaffenprogramm in der DDR, der Fusionsforschung am ITER uvm. aufsummieren lassen zu insgesamt mehr als 1.000 Milliarden Euro!
Die Greenpeace-Paper durchgeführt von FÖS werden im Peer-Review fast komplett zerlegt. Das überrascht absolut niemanden: Greenpeace kämpft seit Jahrzehnten wider besseren Wissens gegen Gentechnik, Pflanzenschutzmittel und Kernkraft. Trotzdem hat der Wissenschaftliche Dienst solche Junk-Science unhinterfragt rezipiert.
Auch über die Versicherung kann man AKW teuer rechnen. Die Versicherungsforen Leipzig gehen alle 2 Jahre von einem Terroranschlag auf AKW aus und errechnen so eine aberwitzige Versicherungssumme von 20 Milliarden Euro pro AKW pro Jahr. Tatsächlich zahlen deutsche AKW-Betreiber für die volle Versicherungpflicht eine zweistellige Millionenzahl pro Jahr.
Um die Kernkraft teuer aussehen zu lassen muss man gar nichts rechnen. Weil die externen Kosten der Kernkraft wohl als zu niedrig empfunden werden, setzt das Umweltbundesamt (UBA) einfach die der Braunkohle an. Das ist komplett unwissenschaftlich? Geschenkt, denken sich UBA und der wissenschaftliche Dienst…
Was sind externe Kosten?
Nicht alle externen Kosten sind erfunden. Jeden Tag sterben an der Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe und Biomasse rund 10.000 Menschen. Dagegen verblassen selbst große Energie-Unfälle wie das Wasserkraftwerk Banqiao (200.000 Todesfälle), das Wasserkraftwerk Machchhu (10.000 Todesfälle) und das Kernkraftwerk Tschernobyl (<1.000 Todesfälle).
Ebenfalls Teil der externen Kosten ist der Klimawandel. Ein Teil der Klima-Kosten wird in der EU über den Emissionshandel internalisiert, indem Stromerzeuger für ihre CO2-Emissionen bezahlen. Der Preis ergibt sich durch die Nachfrage am Markt und das begrenzte Angebot von Emissionszertifikaten pro Jahr (Cap and Trade).
Der aktuelle CO2-Preis liegt bei rund 90€ pro ausgestoßener Tonne. Damit wird hier im Artikel gerechnet. Die Zertifikate werden jedes Jahr verknappt, wodurch der Preis langfristig steigt.
Stark umstritten ist die faire Höhe des CO2-Preises um die tatsächlichen Kosten abzubilden. Die Berechnungen zu den sogenannten Social Costs of Carbon reichen von wenigen Euro bis Hunderten Euro pro Tonne CO2. Die Schadenshöhe hängt stark von Klimamodell, Klimafolgenerwartung, Kipppunkten und mehr ab.
Weitere externe Kosten neben den Klimaschäden sind die für Umweltschäden wie Luftverschmutzung und Ressourcennutzung. Eine große Rolle spielt auch die Sicherheit von Energiequellen, egal ob im laufenden Betrieb oder bei Unfällen.
Die vom Klima unabhängigen externen Kosten sind bei fossilen Erzeugern am höchsten. Solar und Windkraft liegen im Mittelfeld. Kernkraft und Wasserkraft verursachen die niedrigsten externen Kosten. Nur bei einer vollständigen Internalisierung der externen Kosten ist ein fairer Wettbewerb möglich.
Vollkosten bei kompletter Berücksichtigung externer Kosten
Vollkosten inklusive externer Kosten für Umweltschäden und Gesundheitsschäden unterscheiden sich stark nach Erzeuger:
- 37,8 €Cent/kWh Steinkohle
- 9,2 €Cent/kWh Dachsolar
- 9,1 €Cent/kWh Erdgas
- 7,6 €Cent/kWh Solarpark
- 3,8 €Cent/kWh Wind an Land
- 3,7 €Cent/kWh Wind Offshore
- 2,8 €Cent/kWh Kernkraft
- 0,6 €Cent/kWh Wasserkraft
Die Relationen stammen aus einer Studie zu Umweltauswirkungen von Energiequellen der Vereinten Nationen über den Lebenszyklus.
Um auf Kosten in Euro zu kommen wurde von mir ein CO2-Preis von 195€ pro Tonne CO2 angenommen. Das sind laut Umweltbundesamt die gesellschaftlichen Kosten der Klimaerwärmung.
Bitte genieße diese externen Kosten mit Vorsicht. Sie hängen vom gewählten CO2-Preis und anderen Unsicherheiten ab. Es geht um Größenordnungen, nicht um Stellen hinter dem Komma.
Wenn man diese externen Kosten auf den Strompreis aufschlagen würde, wäre die Kohleverbrennung weit jenseits der Wirtschaftlichkeit. Auch die Vollkosten von Erdgas, Windkraft und Photovoltaik sind sehr hoch. Biomasse und Braunkohle wurden leider nicht in der Studie betrachtet, sind aber vermutlich unbezahlbar.
Zugegeben, es ist leider äußerst unwahrscheinlich, dass in Zukunft alle Kosten nach dem Verursacherprinzip bezahlt werden. Deshalb wird dieses Szenario rein hypothetisch bleiben. Ein CO2-Preis von 200 Euro in den 2030ern würde mich hingegen nicht überraschen.
Was sind Systemkosten?
Ebenfalls externe Kosten sind die Systemkosten, die ebenfalls nicht vom Verursacher getragen werden. Es handelt sich um Integrationskosten in das Stromnetz, die leider nicht in den Stromgestehungskosten berücksichtigt werden.
Für die meisten Energiequellen sind die Systemkosten konstant niedrig mit 0,1 bis 0,2 Cent pro kWh. Schnell regelbare offene Gasturbinen liegen sogar bei 0,05 Cent pro kWh. Hohe Systemkosten verursachen dagegen die wetterabhängigen Erzeuger Wind und besonders Solar.
Besonders teurer sind die Integrationskosten von Offshore Wind, wegen der enormen Anbindungskosten an das Festlandnetz. Für den 2,4 GW Windpark Doggerbank müssen zum Beispiel 2 Milliarden Euro für die Landanbindung investiert werden. In Deutschland kommen dazu noch die Hochspannungsleitungen vom Norden nach Süden. Die HGÜs Südlink, Südostlink, Ultranet und A-Nord kosten jeweils rund 2 Milliarden Euro.
Die Netzanbindung ist nur ein Teil der Systemkosten:
- Netz: Der durch die Integration nötige Netzausbau und die Netzerweiterung.
- Regelenergie: Kosten durch Netzeingriffe, insbesondere durch unerwartete Ausfälle.
- Backup: Erwartete Ausfälle zum Beispiel für Wartung oder bei Flaute und Nachts für Wind und Solar.
- Überproduktion: An sonnen- oder windreichen Tagen kann der zu viel produzierte Strom nicht verbraucht werden.
- Volllaststunden-Reduktion: Solar und Wind können bestehende Kraftwerke nicht ersetzen. Sie senken aber deren Produktion und verursachen so zusätzliche Kosten.
- Kapazitätsanpassung: Durch Wind und Solar wird ein Umbau des Kraftwerksparks nötig, z.B. Gaspeaker statt Grundlastkraftwerken.
- Flexibilität: Steile Leistungsrampen von Wind und Solar erhöhen Verbrauch und Verschleiß bei fossilen Kraftwerken in Lastfolge.
Die letzten 4 Posten tauchen aufgrund der Abhängigkeit vom Wetter nur bei Wind und Solar auf. Die ersten 3 Posten spielen bei allen Energiequellen eine Rolle. Sie sind allerdings bei Solar und Wind kostspieliger, wegen der verbrauchsfernen dezentralen Erzeugung, der ungenauen Produktionsvorhersage und dem häufigen Backup-Bedarf.
Viele dieser Systemkosten äußern sich an der Strombörse am niedrigen Marktwert von Wind- und Solarstrom. Alternativ zu Systemkosten wird deshalb in der Literatur auch der Systemwert verwendet, etwa VALCOE oder LACE. Ob man Systemwert oder Systemkosten betrachtet ist aus ökonomischer Sicht egal, aber Kosten sind einfacher aufsummierbar.
Was sind fixe & variable Kosten?
Fixe Kosten entstehen unabhängig davon, wie viel Elektrizität produziert wird. Es handelt sich um Kapitalkosten beim Bau, Rückbau und der Modernisierung eines Kraftwerks, inklusive der Finanzierung. Ebenso fix sind die Pacht, Gehälter von Mitarbeitern und Instandhaltungskosten.
Variable Kosten steigen, je mehr Strom erzeugt wird, z.B. durch Brennstoffe oder nutzungsbedingte Wartung. Die Kosten fossiler Kraftwerke und Biomasse sind größtenteils Brennstoffkosten. Mit hohen variablen Kosten lohnt es sich nicht bei niedrigen Börsenpreisen Strom zu erzeugen.
Die Kosten klimafreundlicher Energiequellen Wind, Solar, Kernkraft, Geothermie und Wasserkraft sind größtenteils Kapitalkosten, also fixe Kosten. Diese Erzeuger können auch bei niedrigen Börsenpreisen einen Ertrag erwirtschaften, aber nicht unbedingt genug um sich voll zu finanzieren.
Elektrizität ist ein extrem kurzlebiges Gut, man kann sie nur sehr bedingt speichern. Strom muss quasi immer in dem Moment veräußert werden, in dem er produziert wird. Wenn der aktuelle Marktwert unter den variablen Kosten eines Kraftwerks liegt, dann bedeutet der Betrieb einen Verlust.
Selbst wenn der Marktwert über den variablen Kosten, aber unter den Gesamtkosten inklusive Fixkosten liegt, macht das Kraftwerk Verlust. Ein Betrieb kann sich in diesem Bereich aber trotzdem lohnen. Auf lange Sicht müssen natürlich alle Kosten gedeckt werden, zum Beispiel durch höhere Preise an einem anderen Tag.
Je älter ein Kraftwerk, desto geringer ist der finanzielle Druck durch Fixkosten. Komplett abgeschriebene Kraftwerke müssen keine Zinsen mehr bedienen. Den Unterschied sieht man sehr deutlich beim Kostenvergleich zwischen der Laufzeitverlängerung und dem deutlich teureren Neubau von Kernkraftwerken.
Was ist der Abzinsungsfaktor?
Der Abzinsfaktor steht quasi für Profite. Für ihr eingesetztes Geld und unternehmerisches Risiko wollen die Betreiber Rendite sehen. In der Studie der IEA werden ausschließlich Kapitalkosten abgezinst, nicht die laufenden Betriebskosten, Brennstoffkosten oder der CO2-Preis.
Im LCOE-Calculator der IEA sieht man hohe Kostensteigerungen bei Erzeugern mit hohem Kapitalaufwand und niedrigen laufenden Kosten wie Wasserkraft, Windkraft, Kernkraft und Photovoltaik:
- Wasserkraft: 3%->6%: 155% 3%->9%: 220%
- Kernkraft: 3%->6%: 141% 3%->9%: 194%
- Photovoltaik: 3%->6%: 126% 3%->9%: 155%
- Windkraft: 3%->6%: 123% 3%->9%: 149%
- Kohle: 3%->6%: 112% 3%->9%: 127%
- Erdgas: 3%->6%: 105% 3%->9%: 110%
Der Abzinsfaktor betrifft also vor allem klimafreundliche Erzeuger. Die Gewinne der Betreiber machen bei Wind, Solar, Wasser und Kernkraft sogar den Löwenanteil der Kosten aus. Hier können Klimaschutzprogramme ansetzen um Profitgier zu drosseln und den volkswirtschaftlichen Nutzen zu erhöhen.
Ein niedriger Abzinsfaktor von 3% ist eigentlich nur durch staatliche Unterstützung möglich. Mit einer garantierten Einspeisevergütung wie nach dem deutschen EEG sind 3% zum Beispiel machbar. Ebenfalls möglich sind derart niedrige Discount Rates über das Finanzierungsmodell der Regulated Asset Base.
Im Diagramm oben wird trotzdem ein konservativerer Abzinsfaktor von 5% verwendet. Die Fehlerbalken im Diagramm zeigen den Unterschied zu den Abzinsfaktoren 3% und 7%. An der Reihenfolge der Erzeuger ändert sich in diesem Bereich nichts.
Je niedriger die Gewinnspanne, desto höher allerdings die Lücke zwischen langlebiger Kernkraft und Wasserkraft und kurzlebiger Windkraft und Photovoltaik. Ein hoher Abzinsfaktor straft hingegen ausgerechnet Erzeuger mit langer Lebensdauer überproportional ab und läuft damit gegen nachhaltigen Klimaschutz.
Es gibt andere Studien zu Gestehungskosten, die höhere Abzinsfaktoren verwenden, über ein normales Profitmaß hinaus. Als Linker widerstrebt es mir enorm, erhöhte Rendite in Grundannahmen einzubauen. Ich betrachte deshalb nur normale Profitmargen mit und ohne staatliche Unterstützung.
Bei einem hohen Abzinsfaktor von 10% wäre ein Kernkraftwerk nach 10 Jahren quasi nur noch die Hälfte wert. Nach rund 30 Jahren wäre es praktisch nichts mehr wert. Und das obwohl es auch nach 40, 50 und 60 Jahren immer noch so viel Strom erzeugt, wie am ersten Tag. Profitgier und nachhaltiger Klimaschutz schließen sich gegenseitig aus.
Was sind Wärmegestehungskosten?
Die Wärmegestehungskosten für die Erzeugung von Prozesswärme oder Fernwärme in Kraftwerken sind niedriger als die Stromgestehungskosten. Das liegt daran, dass thermische Kraftwerke keine Elektrizität erzeugen, sondern Wärme.
Die Umwandlung von Wärme in Strom geschieht dann unter Verlusten. Die Wirkungsgrade bei modernen Kraftwerken sind ungefähr so:
- ~40% Kernkraft, Kohle, Gas, Biomasse
- ~60% Gas-und-Dampf-Kraftwerk
Das heißt umgekehrt, dass thermische Kraftwerke bei der Wärmeerzeugung deutlich effizienter und damit günstiger sind. Die Wärmegestehungskosten liegen bei gut einem Drittel der Stromgestehungskosten.
Die niedrigen Wärmegestehungskosten nutzt man bei der Kraft-Wärme-Kopplung. KWK-Kraftwerke mit angekoppelter Fernwärme oder Prozesswärme können ihre Gestehungskosten deshalb deutlich senken. Das Problem mit KWK und Fernwärme ist der extrem saisonale Bedarf. Zumindest Prozesswärme wird das ganze Jahr gebraucht.
Welche ist die günstigste Energiequelle?
Die günstigste Art Strom zu erzeugen ist die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken im Alter von 40 Jahren.
Umso tragischer ist es, dass wir unsere klimafreundlichen Kernkraftwerke nach weniger als 40 Jahren Laufzeit abschalten.
Updates:
02.01.2021: Erstmals veröffentlicht.
20.09.2021: Verdopplung von CO2-Preis, Gaspreis und Kohlepreis eingepflegt.
25.10.2021: Absätze & Diagramme zu historischen Kosten und Kostenprognose hinzugefügt.
06.12.2021: Externe Umweltkosten aus der UNECE-Studie eingepflegt.
30.05.2022: Brennstoffkosten infolge des Ukrainekriegs aktualisiert. Systemkosten anhand neuerer Zahlen aktualisiert.
09.10.2023: Umfassend aktualisiert, Brennstoffkosten Gas/Kohle an das aktuelle Niveau und die Futures für 2024 angepasst.