Die Kleinunternehmer-Regelung ist für viele Selbstständige eine attraktive Option. Sie bietet zahlreiche Vorteile und erleichtert die Buchhaltung erheblich. Allerdings treten in der Praxis immer wieder konkrete Anwendungsprobleme auf. In diesem Artikel beantworten wir daher die häufigsten Fragen zur Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung.
Umsatzgrenzen: Netto- oder Bruttoperspektive?
- Frage: Handelt es sich bei den Jahres-Umsatzgrenzen um Netto- oder Bruttowerte?
- Antwort: Die Umsatz- oder Wertangaben im Umsatzsteuergesetz sind grundsätzlich Nettowerte. Das gilt auch für die 22.000-Euro- und die 50.000-Euro-Grenze der Kleinunternehmer-Regelung. Laut § 19 UStG spricht man von “Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer”.
Bei Kleinunternehmern wird jedoch keine Umsatzsteuer erhoben. Der nicht erhobene Umsatzsteueranteil ist bereits in den Kleinunternehmer-Einnahmen enthalten. Kleinunternehmer, die die Einhaltung der Jahresumsatzgrenze überwachen wollen, müssen also keinen fiktiven Umsatzsteueranteil auf ihre tatsächlichen Einnahmen aufschlagen. Bei Unternehmern, die bereits der Regelbesteuerung unterliegen und die Kleinunternehmer-Regelung in Anspruch nehmen möchten, gelten jedoch andere Regeln.
Wechsel zur Kleinunternehmer-Regelung
- Frage: Kann ich mich nachträglich wieder als Kleinunternehmer anmelden, wenn mein Umsatz im Vorjahr unter 22.000 Euro lag und sich daran in nächster Zeit voraussichtlich nichts ändern wird?
- Antwort: Grundsätzlich ist das möglich, allerdings müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:
- Wenn Sie zu Beginn Ihrer Selbstständigkeit freiwillig auf die Kleinunternehmer-Regelung verzichtet haben, sind Sie fünf Jahre lang an diese Entscheidung gebunden. Erst im sechsten Jahr können Sie wieder Kleinunternehmer werden.
- Ihr Vorjahresumsatz zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer darf nicht höher als 22.000 Euro sein. Beispiel: Wenn Ihre Lieferungen und Leistungen dem üblichen Umsatzsteuersatz von 19% unterliegen, dürfen Sie im Vorjahr nicht mehr als 18.487 Euro Umsatz erzielt haben (18.487 Euro + 3.512,53 Euro USt. = 21.999,53 Euro). Ab einem Umsatz von 18.487 Euro liegen Sie bereits über der Umsatzgrenze (18.488 Euro + 3.512,72 Euro = 22.000,72 Euro) und haben keinen Anspruch auf die Kleinunternehmer-Regelung im Folgejahr. Bei einem “Rumpfjahr” muss der tatsächlich erzielte Umsatz auf 12 Monate hochgerechnet werden.
- Der Umsatz im laufenden Jahr darf voraussichtlich 50.000 Euro nicht übersteigen.
Für den Wechsel zur Kleinunternehmer-Regelung genügt eine Mitteilung ans Finanzamt. Es gibt keine bestimmten Formvorschriften. Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, hat das Finanzamt normalerweise keine Einwände gegen den Wechsel der Besteuerungsform. Theoretisch können Sie den Wechsel sogar noch rückwirkend mit der Umsatzsteuererklärung des Folgejahres anzeigen, vorausgesetzt, Sie haben in der Zwischenzeit keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und erfüllen auch sonst alle Bedingungen.
Lagerbestände beim Wechsel zur Regelbesteuerung
- Frage: Darf ich die Vorsteuer aus den Anschaffungskosten meiner Lagerbestände geltend machen, wenn ich noch als Kleinunternehmer eingestuft bin und zur Regelbesteuerung wechsle?
- Antwort: Grundsätzlich ja. Wenn sich jedoch die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse bei Lagerbeständen ändern, muss eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorgenommen werden. Diese Berichtigung erfolgt für den Besteuerungszeitraum, in dem das Wirtschaftsgut verwendet wird. Allerdings greift diese Vorschrift nur dann, wenn der Vorsteueranteil eines einzelnen Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens 1.000 Euro überschreitet. Erst dann ist die 1.000-Euro-Grenze überschritten.
Umsatzgrenzen: Private Umsatzanteile
- Frage: Werden private Nutzungsanteile beim Berechnen der Jahres-Umsatzgrenze berücksichtigt?
- Antwort: Nein, private Nutzungsanteile wie beispielsweise die Nutzung des Geschäftswagens, des geschäftlichen Telefons oder anderer betrieblicher Einrichtungen werden bei der Ermittlung des Kleinunternehmer-Jahresumsatzes normalerweise nicht berücksichtigt. Das gilt auch für Verkäufe oder Entnahmen von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens.
Private Nutzungsanteile werden nur berücksichtigt, wenn der Kleinunternehmer in einem vorangegangenen Geschäftsjahr der Regelbesteuerung unterlegen war und bei der Anschaffung Vorsteuer geltend gemacht hat. Die genauen Details sollten jedoch mit einem Steuerberater besprochen werden.
Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG)
- Frage: Welche Wertgrenzen gelten, wenn Kleinunternehmer geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) einkaufen?
- Antwort: Kleinunternehmer dürfen keine Vorsteuer geltend machen. Bei der Gewinnermittlung werden Betriebsausgaben daher grundsätzlich mit ihren Bruttopreisen (= inklusive Mehrwertsteuer = Umsatzsteuer) berücksichtigt. Bei der Frage, ob ein eingekauftes Wirtschaftsgut als GWG gilt oder nicht, gelten jedoch auch für Kleinunternehmer die Netto-Wertgrenzen.
Mit anderen Worten: Ein Handy im Wert von 400 Euro darf vom Kleinunternehmer bereits im Jahr der Anschaffung voll als Betriebsausgabe berücksichtigt werden, obwohl die Betriebsausgabe mit 476 Euro (400 Euro + 19 % USt. = 476 Euro) deutlich über der Grenze von 410 Euro liegt.
Seit dem 1.1.2018 liegt die GWG-Grenze bei 800 Euro (netto). Kleinunternehmer dürfen seitdem Anschaffungen im Wert von bis zu 952 Euro (800 Euro plus 19% USt = 952 Euro) bereits im ersten Jahr als geringwertige Wirtschaftsgüter steuerlich geltend machen.
Jahresumsatz beeinflussen
- Frage: Kurz vor Jahresende habe ich fast die Kleinunternehmer-Umsatzgrenze von 22.000 Euro erreicht. Was kann ich tun, um auch im nächsten Jahr den Kleinunternehmer-Status zu behalten?
- Antwort: Zunächst einmal ist es gut, dass du aufgepasst hast und deine Geschäfte so gut laufen. Bevor du überlegst, was du tun kannst, um die Umsatzgrenze nicht zu überschreiten, solltest du prüfen, ob die Kleinunternehmer-Regelung langfristig noch für dich sinnvoll ist.
Falls deine Geschäfte weiterhin so gut laufen, wirst du früher oder später ohnehin zur Regelbesteuerung übergehen müssen. In diesem Fall lohnt es sich nicht, am Jahresende auf die Umsatzbremse zu treten. Ein sauberer Übergang zur Regelbesteuerung ist oft die bessere Option. Die Vorsteuerabzugsberechtigung kann unter Umständen beträchtliche Vorteile bieten.
Wenn du jedoch nur ausnahmsweise einmal knapp an der Kleinunternehmer-Umsatzgrenze bist, spricht nichts dagegen, den Jahresumsatz gezielt zu beeinflussen. Besprich die Details am besten mit einem Steuerexperten.