Die Kunst der Anime-Untertitelung

Untertitelung von Anime

Untertitelung von Anime
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„…bei Untertiteln ist nichts einfach; jede Wortwendung, jedes Satzzeichen, jede Entscheidung des Übersetzers hat Auswirkungen auf das Seherlebnis der ausländischen Zuschauer.“ (Nornes, 1999: 17)

Kurz gesagt: Ich bin ein großer Anime-Fan. Ich schaue sie gerne und ich übersetze sie gerne. Als ich als freiberuflicher Übersetzer nach dem Abschluss meines Masters einstieg, war es für mich selbstverständlich, neben meinen medizinischen Übersetzungen auch in den Bereich der populären Kultur einzusteigen, um etwas Spaß bei der Arbeit zu haben. Heute besteht ein Großteil meiner Arbeit tatsächlich aus der Untertitelung von Anime. Doch selbst erfahrene Übersetzer wissen oft nicht, welche Besonderheiten, Stolperfallen und Herausforderungen damit verbunden sind.

Das Konzept von Untertiteln

Das Konzept von Untertiteln hat sich im Laufe der Jahre stark verändert. Früher war es nicht ungewöhnlich, dass ganze Sprecherrollen nicht übersetzt wurden oder dass Übersetzungen nur für Teile der Handlung, aber nicht für die Dialogrollen gemacht wurden, um die Charakteristik eines ausländischen Films beizubehalten. Heutzutage haben wir dank einer florierenden Industrie einen professionellen Standard für die meisten Untertitel erreicht. Dennoch gibt es immer noch Probleme bei der Untertitelung, insbesondere bei literarischen und lyrischen Übersetzungen. Die Zuschauer werden oft nicht darauf hingewiesen, dass sie eine Übersetzung sehen. Trotz der umfangreichen und komplexen Arbeit der Untertitelübersetzer bleibt ihre Arbeit weitgehend unbemerkt und oft ungewürdigt.

Die Herausforderungen der Untertitelung

Eine der größten Herausforderungen bei der Untertitelung von Anime ist die begrenzte Zeichenanzahl. Üblicherweise haben Untertitel zwei Zeilen mit jeweils 37-40 Zeichen, und die Lesegeschwindigkeit beträgt ca. 1-6 Sekunden pro Untertitel. Dadurch ist es oft schwierig, eine genaue Übersetzung zu liefern und grammatikalische Wendungen oder Wortlaute zugunsten einer sinngemäßen Übertragung zu opfern. Es ist frustrierend, wenn man die Doppeldeutigkeiten oder die eloquente Ausdrucksweise der Sprecher erkennt, aber aufgrund der begrenzten Zeichenanzahl nicht alles übersetzen kann. Zudem muss man sich fragen, wie man mit buddhistischen Redewendungen, philosophischen Konzepten oder kulturellen Referenzen umgeht, die in Japan bekannt sind, aber dem Zielpublikum möglicherweise unbekannt sind. Die Arbeit der Untertitelübersetzer ist trotz ihrer Komplexität und ihrer direkten Auswirkungen auf die Zuschauer oft unbeachtet und unterschätzt.

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Spotting und Transkription

Eine weitere Besonderheit der Untertitelung von Anime ist das Spotting, bei dem die Zeiten für die Einblendung der Untertitel festgelegt werden. Dies kann entweder von den Übersetzern oder den Auftraggebern selbst übernommen werden. Beim Spotting wird das Gesprochene in “augengerechte” Häppchen zerlegt und in die Timeframes eingefügt. Oftmals gibt es jedoch Diskrepanzen zwischen dem Skript und dem tatsächlichen Dialog, was zu zweifelhaften Übersetzungen führen kann. Zudem kann es vorkommen, dass Übersetzer ohne Skript arbeiten müssen, was die Arbeit erschwert. Die Transkription, also das Abhören und Verschriftlichen des Gesprochenen, ist zeitaufwändig und wird oft abgelehnt, es sei denn, es wurde zuvor vereinbart.

Pro-Subs vs. Fan-Subs

Ein Teil des Problems bei der Untertitelung von Anime liegt darin, dass die Arbeit der professionellen Übersetzer oft unterschätzt wird. Es kommt vor, dass die Industrie zunehmend auf von Fans erstellte Untertitel zurückgreift, die oft von hoher Qualität sind, aber in der Regel nicht vergütet werden. Diese Untertitel folgen eigenen Regeln und behalten oft japanische Ausdrucksweisen und Begriffe bei, während professionelle Untertitel ziellandorientiert sind. Bei der Untertitelung von Anime bewege ich mich daher in einer Grauzone zwischen Fan-Subs und Pro-Subs, um das Beste aus beiden Welten zu vereinen.

Die Untertitelung von Anime ist eine Kunst für sich. Es erfordert Kreativität, Genauigkeit und viel Fingerspitzengefühl, um die kulturellen Nuancen in eine begrenzte Zeichenzahl zu packen. Trotz der Herausforderungen ist es für mich immer noch etwas Besonderes und eine große Freude, Anime-Untertitel zu übersetzen.

(Autorin: Jenny Willett, Übersetzerin für Anime-Untertitel aus dem Japanischen ins Deutsche und Medizintexte aus dem Japanischen ins Englische und Deutsche)

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